Niedersächsisches Finanzgericht zur Videoüberwachung einer Gaststätte; Beweiswert anonymer Zeuge

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte die Rechtmäßigkeit von Umsatzhinzuschätzungen bei einer Gaststätte zu überprüfen. Vorausgegangen war eine Steuerfahndungsmaßnahme, in deren Rahmen der Betrieb über mehrere Wochen videoüberwacht worden ist, im Anschluss daran kam es zur Verhaftung des Betriebsinhabers.

Das Finanzamt stützte sich bei seinen Hinzuschätzungen wesentlich auf die Auswertung der Videoüberwachung sowie auf die Angaben eines Zeugen, dessen Namen nicht einmal die Steuerfahndung kannte. Das Finanzgericht hat den Videoaufnahmen und den Bekundungen des anonymen Zeugen keinen maßgeblichen Erkenntnisgewinn zumessen können, weist aber darüber hinaus darauf hin, dass die Anordnung der Videoüberwachung rechtswidrig war. Wir veröffentlichen das Urteil nahezu im Volltext, da die Videoüberwachung bisher nicht Gegenstand der Steuerrechtsprechung war und auch im Übrigen interessante Ausführungen, insbesondere zur Höhe von Hinzuschätzungen einer Nachkalkulation, enthalten sind.

Aus dem Tatbestand

Streitig ist die Höhe einer Zuschätzung für den Kläger bei dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb in den Jahren 1997 bis einschließlich 2002. Der Kläger hat im März 1997 ein griechisches Restaurant von seiner Mutter übernommen und dieses unter dem Namen K. in den Streitjahren selbst betrieben. Mit der Prüfungsanordnung vom 30. August 2002 wurde eine Betriebsprüfung für die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1997 bis 2000 angeordnet. Durch Prüfungsanordnungen vom 08.01.2003 und 26.03.2003 wurde die Prüfung auf die Umsatzsteuer Januar 2001 bis einschließlich Dezember 2002 erweitert. Beide Prüfungen wurden mit Bericht vom jeweils 15. Oktober 2003 abgeschlossen.

Die Betriebsprüfung fand zusammen mit der Steuerfahndung statt. Gegen den Kläger wurde mit Datum vom 22. Oktober 2002 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gemäß § 397 Abgabenordnung (AO) eingeleitet. Bereits am 30.09.2002 wurde eine nicht näher bekannte Person Namens „A" von der Steuerfahndung über Vorgänge im Zusammenhang mit dem Restaurant und des Klägers vernommen. Diese Person ergänzte ihre Aussage am 16. Oktober 2002. Mit Schriftsatz vom 15. November 2002 ordnete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen L. - FAFuSt - eine Überwachung mit technischen Hilfsmitteln, die von der leitenden Fahndungsprüferin mit Aktenvermerk vom selben Tage beantragt wurde, an. Es wurde der Eingangsbereich des Restaurants überwacht, ein Hintereingang ist nicht vorhanden. Mit Probeaufnahmen wurde am 26. November 2002 begonnen. Die eigentliche Videoüberwachung wurde vom 1. Dezember bis 31. Dezember 2002 durchgeführt, angelehnt an die Öffnungszeiten des Restaurants mit entsprechendem Vorlauf. Die Videoüberwachung wurde wegen nicht voller Videokassette letztendlich bis zum 4. Januar 2003 fortgeführt. Die Auswertungen der Aufzeichnungen des Januars beruht auf einer telefonischen Vereinbarung der Fahndungsstelle mit der Staatsanwältin vom 4. April 2003.

Am 8. Januar 2003 fand aufgrund mehrerer Durchsuchungsbeschlüsse u.a. eine Durchsuchung im Restaurant des Klägers statt. An diesem Tage wurde auch eine Inventur im Restaurant vorgenommen. Es fand im Folgenden ein Abgleich der vorhandenen Bestände mit Lieferungen durch die bekannten Lieferanten des Klägers statt. Im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen wurde u. a. festgestellt, dass der Kläger die Tagesendsummenbons seiner Registrierkassen nicht aufbewahrte. Die Einnahmen aus den Kassen wurden handschriftlich in eine Kladde übertragen. Weiterhin wurden im Rahmen der Videoüberwachung und auch am 8. Januar 2003 Anlieferungen von Lebensmitteln durch den Kläger selbst festgestellt, es wurde eine Fleisch-, Ouzo-, Servietten- und Kohlensäureverprobung vorgenommen, ein Betriebsvergleich mit dem Betrieb der Mutter angestellt und das Vorhandensein von 3 Eigentumswohnungen in Griechenland festgestellt.

Aufgrund der Ermittlungen der Fahndung fand eine Zuschätzung bei den Erlösen zum ermäßigten Steuersatz i.H.v. 100 v.H., sowie bei den Erlösen zum Regelsteuersatz i.H.v. 66 v.H. statt. Den Kalkulationen wurde ein Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H. zugrunde gelegt. Dadurch ergaben sich folgende Abweichungen beim Gewinn…

Der Kläger wurde mit Urteil des LG V. vom 29. Januar 2004 einer Steuerhinterziehung in 20 Fällen für schuldig befunden und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt. Hierbei wurden im Urteil Schwarzeinkäufe zu Grunde gelegt. Für das Kalenderjahr 2000 und Umsatzsteuervoranmeldungen im Kalenderjahr 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen im Zeitraum Januar bis einschließlich November 2002 wurden Schwarzeinkäufe i.H.v. 25 % erfasst. Hinsichtlich der Jahre 1997 bis 1999 sowie einiger Umsatzsteuervoranmeldungen 2001, 2002 erfolgte eine Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO). Der Kläger hatte in der Hauptverhandlung eingeräumt, die erzielten Umsätze nicht vollständig angegeben zu haben.

Gründe

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor zu entnehmenden Umfang begründet. Im Übrigen ist sie abzuweisen.

1. Der Beklagte hat zu Recht Hinzuschätzungen vorgenommen, die jedoch in der Höhe zu ermäßigen sind.

a. Der Beklagte war befugt, bereits während des laufenden Ermittlungsverfahrens Hinzuschätzungen vorzunehmen.

aa. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO-). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 AO). Ein Steuerpflichtiger muss, wenn er Waren von geringerem Wert an eine Vielzahl zumeist unbekannter Personen verkauft und deshalb die Bareinnahmen nicht einzeln aufzuzeichnen hat, grundsätzlich die Registerkassenstreifen, Kassenzettel, Bons und sonstigen Belege aufbewahren (Beschluss des BFH vom 11. Mai 2000 I B 7/00, Juris). Ist dies nicht der Fall, so ist die Buchhaltung nicht ordnungsgemäß. Dies gilt auch, wenn ein Kassenbuch in Form aneinander gereihter Tageskassenberichte geführt wird und die Ursprungsaufzeichnungen über die Bargeschäfte nicht unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in den Tageskassenbericht übertragen werden (Beschluss des BFH vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, Juris).

bb. Unstreitig hat der Kläger hier die Tagesendsummenbons nicht aufbewahrt. Weiterhin weisen die Kassenberichte so hohe Bestände aus, dass davon ausgegangen werden muss, dass die Kassenendbestände nicht durch Auszählung der Kasse ermittelt wurden, sondern rechnerisch fortgeführt worden sind (vgl. Kassenberichte vom Februar 2002). Eine Schätzung ist auch zulässig, so lange gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren läuft. Dieses entbindet ihn nicht von seinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren (Urteil des BFH vom 23. Januar 2002 IX R 10, 11/01, BStBl II 2002, 328; Beschluss des BFH vom 19. September 2001 VI B 6/01, BStBl II 2002, 4). Der Kläger hat auch im Strafverfahren zugestanden, dass er Schwarzeinkäufe vorgenommen hat und dadurch Steuern verkürzt hat. Da die Feststellungen im Strafurteil nicht substantiiert angegriffen wurden, ist das FG berechtigt hierauf zurück zu greifen (Urteil des BFH vom 30. Juli 1994 I R 112/93, BStBl II 1995, 198). Es haben sich z.B. hinsichtlich des eingefrorenen Ouzo auch im Rahmen der Ermittlungen Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzeinkäufen ergeben.

b. Die Schätzungsmethode ist so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommt. Schätzungen müssen in sich schlüssig sein. Ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (Urteil des BFH vom 18. Dezember 1984 Vlll R 195/82, BStBl II 1986, 226). Sofern der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, da der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (Urteil des BFH vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259). Eine Schätzung nach Richtsätzen ist sachgerecht, sofern sämtliche Buchführungsunterlagen nicht mehr auffindbar sind. Es besteht dann jedoch kein Anspruch darauf, dass lediglich die Mittelsätze zugrunde gelegt werden (Urteil des FG Münster vom 31. Oktober 2005 K 6660/98 E, EFG 2001,401).

aa. Hinsichtlich der Höhe der durch den Beklagten vorgenommenen Hinzuschätzungen bestehen jedoch Bedenken. Der Beklagte ist von einem einheitlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H. ausgegangen. Dieser bewegt sich durchaus im Rahmen der Richtsätze für Gaststätten, die ab 1997 einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 203 v.H., einen Höchstbetrag von 300 v.H., ab 1999 einen durchschnittlichen Aufschlagsatz von 213 v.H. und einen Höchstaufschlagsatz von 317 v.H. ausgewiesen haben. Nach den Erfahrungen des durch den Senat beauftragten Gerichtsprüfers erscheint dieser Aufschlagsatz in den Streitjahren jedoch überhöht. Für angemessen wird ein Aufschlagsatz von 230 v.H. gehalten, der durch interne Aufzeichnungen der Nds. Finanzverwaltung bestätigt wird.

Auch die Beobachtungen der Fahnderin und die Auswertung der Videoaufzeichnungen können die vorgenommenen Hinzuschätzungen nicht stützen. Hieraus ergibt sich lediglich, dass im Dezember sowie am 8. Januar 2003 beobachtet wurde, dass Anlieferungen durch den Kläger vorgenommen worden sind. In der mündlichen Verhandlung wurde unstreitig gestellt, dass es sich bei der Lieferung vom 30. Dezember 2002 nicht um eine Lieferung von Schwarzeinkäufen handelt, sondern um eine reguläre Zweitlieferung des Fleischlieferanten F. Auch der Zeuge H. hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ausgesagt, dass es seitens des Fleischlieferanten durchaus zu Fehl- und Nachlieferungen gekommen ist. Diese wurden dann von ihm selbst angeliefert bzw. bei einem Bekannten des Klägers abgegeben. Auch hat die Zeugenvernehmung der Zeugen H. und C. zur Überzeugung des Senates ergeben, dass bei den Fleischlieferungen Fehlmengen festgestellt worden sind. Diese wurden im Beobachtungszeitraum Dezember 2002 festgestellt. Es sind dann unstreitig Nachlieferungen mit der nächsten regulären Lieferung erfolgt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger Ersatzlieferungen der F. bei F. abgeholt hat. Die Zeiten, in denen solche Anlieferungen außerhalb des Lokals vorgenommen worden sind, sind unbekannt. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fahnderin eine solche Anlieferung beobachtet hat. Dies hat zur Folge, dass der Umfang der tatsächlich erfolgten Schwarzeinkäufe nicht feststellbar ist.

Zudem ist es nach der Auffassung des Senates nicht ausreichend von Schwarzeinkäufen, der Höhe wie sie der Beklagte angenommen hat auszugehen, wenn die Beobachtungen eines relativ kleinen Zeitraumes auf mehrere Jahre ausgedehnt werden sollen und diese nicht durch Kalkulationen etc. gestützt werden. Dass Schwarzeinkäufe vorgenommen wurden, entspricht auch der Überzeugung des Senats.

bb. Hinsichtlich der Höhe der Hinzuschätzungen ergeben sich auch aus der Auswertung der Videoaufzeichnungen keine Erkenntnisse, die den Vortrag des Beklagten stützen. Bei der Videoüberwachung wurde nur der Eingangsbereich der Gaststätte überwacht, so dass nur festgestellt werden konnte, wie viele Personen das Restaurant betreten und wieder verlassen haben. Es konnte hieraus jedoch nicht festgestellt werden, was die einzelnen Gäste verzehrt haben und welchen Umfang die Schwarzeinkäufe hatten. Die Videoüberwachung war an die Öffnungszeiten des Restaurants angelehnt und war in den Abendstunden vorgenommen worden, an den Wochenenden auch um die Mittagszeit. Sofern Schwarzeinkäufe außerhalb dieses Zeitraums getätigt und angeliefert worden wären, konnten diese mangels Videoaufzeichnung nicht festgestellt werden. Auch können - wie bereits oben erwähnt - die Erkenntnisse aus einem Monat nicht ohne weiteres auf 5 Jahre rückwirkend ausgedehnt werden. Im Ermittlungsverfahren haben die Bediensteten der Fa. X ausgesagt, dass der Kläger erst ab dem Dezember 2002 dort eingekauft hat. Diese Aussagen konnten durch den Beklagten nicht widerlegt werden.

Letztendlich kann es deshalb dahinstehen, ob die Auswertung der Videoüberwachung überhaupt herangezogen werden kann. Der Vollständigkeit halber soll jedoch trotzdem darauf eingegangen werden.

Nach § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO dürfen ohne Wissen des Betroffenen Lichtbilder und Bildaufzeichnungen hergestellt werden oder sonstige für Observationszwecke bestimmte technische Mittel zur Erforschung des Sachverhaltes verwendet werden, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist und wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Nach § 100c Abs. 2 Satz 1 dürfen sich solche Maßnahmen nur gegen einen Beschuldigten richten. Sie dürfen nach § 100c Abs. 3 StPO auch durchgeführt werden, wenn Dritte unmittelbar betroffen sind. Die Voraussetzungen des § 100c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 StPO sind vorliegend erfüllt, da es sich bei der Videoüberwachung des Eingangsbereiches des Restaurants des Klägers um die Herstellung von Bildaufzeichnungen handelt, die ohne Wissen des Betroffenen zur Erforschung des Sachverhalts angestellt wurden. Nach § 163f Abs. 1 StPO kann eine längerfristige Observation, d.h. eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten, die entweder durchgehend Iänger als 24 Stunden dauert oder an mehr als 2 Tagen stattfinden soll, nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Bei längerfristigen Observationen außerhalb der Wohnung müssen die Voraussetzungen beider Vorschriften erfüllt sein (Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, § 100c Rn. 1 und § 163f Rn. 2; Nack in Karlsruher-Kommentar zur StPO, § 100c Rn. 8). Nach § 163f Abs. 3 StPO bedürfen diese Maßnahmen jedoch der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft. Lediglich bei Gefahr im Verzug darf die Anordnung auch durch Ermittlungspersonen erfolgen. Diese haben jedoch unverzüglich eine staatsanwaltschaftliche Bestätigung der Anordnung zu beantragen. Sofern die Maßnahme Iänger als einen Monat dauert, muss sie nach § 163f Abs. 4 Satz 2 StPO durch einen Richter erneut angeordnet werden.

Vorliegend ist eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten gegeben. Der Eingangsbereich seines Restaurants wurde mehr als 2 Tage beobachtet. Dies diente nicht der Beobachtung des Geschehens auf dem Platz, sondern der Frage der Kundenfrequenz im Restaurant des Beschuldigten sowie von Anlieferungen von Schwarzeinkäufen durch diesen. Diese wurden entgegen § 163f Abs. 3 StPO nicht durch die Staatsanwaltschaft angeordnet, sondern durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des FAFuSt, d.h. von Ermittlungspersonen. Somit hätte die Anordnung unverzüglich der staatsanwaltschaftlichen Bestätigung bedurft. Zudem wurde die zulässige Dauer der Beobachtungsfrist überschritten. Diese beträgt nach § 163f Abs. 4 Satz 1 StPO einen Monat. Beginn dieser Frist ist der Erlass der Anordnung (KMR, Kommentar zur Strafprozessordnung § 163f, Rnr. 7).

cc. Auch die Vernehmung der Zeugin Ko. und des Zeugen Sch. zur Aussage des A stützen die Höhe der vom Beklagten vorgenommen Zuschätzungen nicht. Eine Vernehmung dieser Zeugen vom Hörensagen ist grundsätzlich zulässig. Die Vernehmung von sachfernen Zeugen widerspricht nicht dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (Beschluss des BGH vom 8. April 2003, 3 StR 92/03, NStZ 2004, 50). Bekundungen solcher Zeugen genügen hinsichtlich ihres Beweiswertes jedoch nur, wenn sie durch andere wichtige Gesichtspunkte und Beweisanzeichen bestätigt werden (Beschluss des BVerfG vom 22. Dezember 2002, BvR 591/00, NJW 2001, 2245). Im Hinblick auf die Unauffindbarkeit des unmittelbaren Zeugen ist eine Vernehmung über Wahrnehmung eines Dritten grundsätzlich zulässig (Beschluss des BFH vom 25. Januar 2001, X B 41/00, Juris).

dd. Auch die weiteren Feststellungen des Beklagten rechtfertigen die Höhe der Zuschätzungen des Beklagten nicht. Die Beweiserhebung durch die Zeugin Ko. und den Zeugen Sch. hat zweifelsfrei ergeben, dass A nicht bekannt ist, und sein Aufenthaltsort auch nicht mehr ermittelt werden kann. Er konnte somit durch den Senat nicht selbst vernommen werden, weshalb auf die Äußerungen der Zeugen vom Hörensagen zurückgegriffen werden kann. Nach der Überzeugung des Senates führen jedoch die beiden Zeugenaussagen nicht dazu, dass die Zuschätzung des Beklagten der Höhe nach gehalten werden kann. Beide Zeugen konnten keine konkreten Anhaltspunkte für die Glaubwürdigkeit des A darlegen. Sie haben übereinstimmend ausgesagt, dass sich der A vor dem Kläger fürchtet. Der Zeuge Sch. hat zudem vermutet, dass zwischen A und dem Kläger persönliche Animositäten bestünden und diese ggf. gar Streit miteinander hatten. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussage des A auf persönlichen Gründen beruht. Zudem konnte nicht überzeugend dargelegt werden, dass A über konkrete Beobachtungen im streitigen Zeitraum berichtet. Er hat zwar Angaben über Zukäufe bei den Waren und über die Höhe der bewirteten Personen gemacht. Diese konnten so jedoch durch weitere Ermittlungen nicht konkretisiert werden. Der Beklagte hat diesbezüglich auf Vermutungen resultierend aus der Inventur am 8. Januar 2003 und der Videoüberwachung zurückgegriffen. Zudem haben es die Vernehmungspersonen unterlassen den A zu befragen, über welche Zeiträume er denn tatsächlich Aussagen treffen kann. Die Zeugin Ko. geht davon aus, dass A bereits Kenntnisse aus den Jahren hat, in denen die Mutter des Klägers das Restaurant geführt hat. Sie erklärte weiterhin, dass Beobachtungen bis zum Jahr 2001 bzw. 2002 gemacht worden sein könnten. Hierbei handelt es sich jedoch um Vermutungen, da die Zeugin in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass sie keine konkreten Aussagen über die Zeiträume, aus denen A berichtet, kennt und ihn dies auch nicht gefragt hat. Da die Aussagen der Zeugen vom Hörensagen im Vergleich zu anderen Beweismitteln eher ein geringeres Gewicht haben und zudem auch nicht bestätigt werden konnten, rechtfertigen sie die Höhe der Zuschätzungen nicht.

A ist davon ausgegangen, dass monatlich 5.000 bis 5.500 Portionen hergestellt werden. Die Videoüberwachung im Dezember 2002 hat jedoch den Besuch von ca. 3.200 Personen ergeben. Weiterhin hat A angegeben, dass ca. die Hälfte der Einkäufe ,,schwarz" getätigt worden seien. Dem Beklagten ist es jedoch nicht gelungen, durch weitere Ermittlungen z.B. Lieferanten von Schwarzwaren herauszufinden und dem Kläger konkret mehrere Schwarzeinkäufe nachzuweisen. Auch die Tatsache, dass die Geschäftsvorfälle aus dem Dezember 2002 am Tag der Durchsuchung (8. Januar 2003) noch nicht in die Sachbuchhaltung eingeflossen sind, rechtfertigt nicht die Höhe der vom Beklagten vorgenommenen Hinzuschätzungen. Es waren bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sämtliche Rechnungen und Lieferscheine erteilt. Im Strafverfahren konnte nachgewiesen werden, dass ein Lieferschein hinsichtlich einer Getränkelieferung schlicht und ergreifend vom Lieferanten verbummelt worden ist. Deshalb wurde eine Rechnung diesbezüglich erst nach der Durchsuchung erteilt.

Auch konnte aus den Akten nicht nachvollzogen werden, dass sich aus der vorgenommenen Inventur Rückschlüsse auf gebuchte bzw. nicht gebuchte Wareneinkäufe entnehmen lassen. Zwar lassen die vom Kläger ausgewiesenen Rohgewinnaufschlagsätze durchaus Rückschlüsse darauf zu, dass die Wareneinkäufe in der Buchführung nicht vollständig enthalten sind. Sie rechtfertigen jedoch nicht die vom Beklagten vorgenommene Hinzuschätzung von 100 v.H. bei den Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz und 66 v.H. bei den Umsätzen zum Regelsteuersatz. Auch ergeben sich aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte, die einen Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H. rechtfertigen könnten. Diesbezüglich liegt eine freie Schätzung seitens des Beklagten vor.

Ein äußerer Betriebsvergleich mit den Erklärungen der Mutter des Klägers aus dem Jahr 1996 kann hierfür nicht herangezogen werden, da dem Gericht die steuerlichen Gegebenheiten der Mutter des Klägers nicht bekannt sind und diese wegen des Steuergeheimnisses auch nicht hinterfragt werden können. Zudem hat es der Beklagte unterlassen, eine Nachkalkulation durchzuführen, um seine Schätzung zu untermauern. Es wurden keinerlei Aufschlagsätze für einzelne Warengruppen, z.B. für die Hauptumsatzträger, ermittelt, obwohl anhand der Auswertung des GT-Speichers zumindest für das Jahr 2002 solche Rohgewinnaufschlagsätze leicht hätten ermittelt werden können. Der Senat hält es nicht für ausreichend, aus den möglicherweise vorgenommenen Äußerungen des KIägers, dass sich hinsichtlich des Restaurantbetriebes seit der Übernahme durch seine Mutter nichts geändert hätte, plausibel die Annahme der entsprechenden Hinzuschätzungen wie nach dem Betrieb der Mutter herzuleiten. Dies hätte seitens des Beklagten ermittelt und nachgeprüft werden müssen.

Auch hat die Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei ergeben, dass der GT-Speicher der Registrierkasse tatsächlich am 31.12.2002 oder 01.01.2003 gelöscht wurde. Ein Vergleich der bis zum 4. Januar 2003 beobachteten Gäste des Restaurants und eine Hinzuschätzung bis einschließlich 7.Januar 2003 mit den nach dem GT-Speicher tatsächlich verkauften Essensportionen führt nicht dazu, dass sich im Speicher tatsächlich nur Umsätze seit dem 1. Januar 2003 befunden haben. Es kann durchaus sein, dass hier noch einige/wenige Tage aus dem Dezember enthalten sind. Zudem hat die Zeugenvernehmung des Zeugen M. ergeben, dass der Kläger sich nicht exakt zum Löschungsdatum des GT-Speichers geäußert hat. Er hat angegeben, dass er einzelne Löschungen am Folgetag vor der Öffnung des Restaurants vornimmt. Sofern er denn wirklich am 31.12.2002 den Speicher gelöscht hätte, wäre es durchaus möglich, dass sich im Speicher noch die gesamten Umsätze des Silvesterabends befunden haben, da eine Löschung dann voraussichtlich vor Geschäftsbeginn erfolgt wäre und nicht um Mitternacht während vollem Betrieb. Deshalb ist die Verplausibilisierung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht zugrunde zu legen. Das Auftauchen der zweiten Kladde im Aussetzungsverfahren Iässt nach der Überzeugung des Senats ebenfalls keine Rückschlüsse für den gesamten Zeitraum zu.

b. Danach war das Gericht nach § 96 Finanzgerichtsordnung (FGO) berechtigt, die Schätzung des Beklagten durch eine eigene Schätzung zu ersetzen. aa. Das Gericht war berechtigt eine freie Schätzung des Beklagten durch eine eigene Schätzung zu ersetzen, da der Beklagte seine im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse nicht durch weitere Berechnungen wie z.B. Kalkulationen einzelner Jahre oder das Aufstellen einer Geldverkehrsrechnung gedeckt hat. Weiterhin hat der Beklagte zwar festgestellt, dass der Kläger 3 Eigentumswohnungen in Griechenland hat. Ausweislich eines vorgelegten Vertrages dürften diese Wohnungen einen Wert von 90.000 € haben. Der Beklagte hat jedoch nicht ermittelt, wann diese Wohnungen angeschafft wurden und wie diese finanziert worden sind. Hieraus kann somit nicht zwingend und ausschließlich abgeleitet werden, dass die Erwerbe der Wohnungen durch nicht versteuerte Gewinne seit der Übernahme des Restaurants des Klägers von seiner Mutter erfolgt sind. Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung hat nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass tatsächlich vom Kläger Schwarzeinkäufe in dem vom Beklagten zu Grunde gelegten Umfang getätigt wurden. Angaben des Klägers am Tag der Durchsuchung gegenüber Vertretern des Beklagten wurden nicht anhand eines Vernehmungsprotokolles festgehalten und nach Aussage der Zeugin Ko. auch nicht verplausibilisiert. Die Zeugin konnte nicht definitiv angeben, ob der Kläger überhaupt wusste, welche Verhältnisse hinsichtlich der Portionsgrößen usw. bei der Betriebsprüfung seiner Mutter zu Grunde gelegt wurden. Sie hat sich trotzdem auf die Angabe des Klägers verlassen, dass sich keine Änderungen ergeben hätten. Der Gerichtsprüfer hat bei seiner Erfahrung in mehreren Verfahren festgestellt, dass aus Kohlensäureverprobungen keine zuverlässigen Erkenntnisse hinsichtlich des tatsächlichen Verkaufes von Bier- und Mixgetränken [gemeint ist wohl: Premixgetränken] und somit hinsichtlich des dafür zwangsläufig erforderlichen Wareneinkaufs dieser Grundprodukte gezogen werden kann. Dies entspricht der Überzeugung des Senats. Zudem sind die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung für den Dezember 2002 nicht geeignet Aussagen über den mengenmäßigen Umfang und den Wert von Hinzukäufen in dem Zeitraum von März 1997 bis einschließlich November 2002 zu machen. Die Beweisaufnahme hat z. B. ergeben, dass es sich beim, nach Ansicht des Beklagten beobachteten, Schwarzeinkauf am 30.12.2002 um eine ergänzende Lieferung handelte. Die Aussagen der Zeugen C. und H. war insoweit überzeugend. Es ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte trotz der Auswertung des GT-Speichers das sich hieraus ergebende Verhältnis zwischen Getränkeumsatz und Essensumsatz bei seiner Schätzung nicht berücksichtigt hat. Dieses wurde bei der Schätzung des Gerichts berücksichtigt.

Um das Verhältnis, das der Beklagte zugrunde gelegt hat zu erreichen, musste beim Getränkewareneinsatz ein Rohgewinnaufschlagsatz von 380 v.H. zugrunde gelegt werden. Dieser erscheint dem Senat jedoch als unrealistisch. Hinsichtlich der Warengruppe Küchenwaren (Speisen) würde sich dann ein Rohgewinnaufschlagsatz von ca. 295 v.H. ergeben, der ungewöhnlich hoch und unwahrscheinlich ist. bb. Zudem entspricht der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H., den der Beklagte zugrunde gelegt hat, nicht den Erfahrungen des Gerichts. Nach dessen Erfahrungen kann bei Getränken kein höherer durchschnittlicher Aufschlagsatz als 300 v.H. zugrunde gelegt werden für die Streitjahre. Aufgrund dieser Ausgangsbasis hat er den Wareneinsatz zurückgerechnet. Ein Vergleich mit den Hinzuschätzungen des Beklagten hat eine nicht unerhebliche Differenz ergeben. Der Gerichtsprüfer hat in seinem Vorschlag, der der Überzeugung des Senates entspricht, plausiblere Rohgewinnaufschlagsätze zugrunde gelegt. Hinsichtlich des Getränkeverkaufs wurde ein um die nicht abziehbare Vorsteuer korrigierter Rohgewinnaufschlagsatz von 285,7 v.H. zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Speisen wurde ein Rohgewinnaufschlagsatz von ca. 230 v.H. für angemessen gehalten. Sofern nun im Bereich der Umsätze zum Regelsteuersatz Hinzuschätzungen i.H.v. 30 v.H. und im Bereich der Umsätze mit ermäßigten Steuersatz von 40 v.H. vorgenommen werden, ergibt sich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von ca. 232 v.H. Dieser entspricht fast dem aufgrund der Verprobung anhand der Auswertung des GT-Speichers ermittelten durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes von 227 v.H. Zudem entspricht er den Erfahrungswerten des Gerichtsprüfers und des Senats bei griechischen Gaststätten. Diese Erkenntnis wird auch durch eine Zusammenstellung der niedersächsischen Finanzverwaltung diesbezüglich gedeckt, die von einem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 230 v.H. ausgeht. Aufgrund dieser Berechnungen ergeben sich die folgenden Umsätze…

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 29.06.05 – 3 K 92/04 u. 3 K 05/05, rechtskräftig
(Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts zurückgewiesen, BFH, Beschluss vom 4.07.06 – X B 111/06)

Hinweis: Soweit das Finanzgericht die Videoüberwachung als rechtswidrig einstuft, weil diese nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von der Bußgeld- und Strafsachenstelle, "d.h. von Ermittlungspersonen" angeordnet worden sei, wurden wohl § 399 Abs. 1, § 386 Abs. 2 AO übersehen, denn die Videoüberwachung war angeordnet worden, bevor ein Haftbefehl erlassen wurde, so dass die BuStra die erforderlichen Kompetenzen hatte. Die Anordnung war gleichwohl rechtswidrig, weil die Monatsfrist des § 163f Abs. 4 Satz 1 StPO überschritten wurde, wie das Finanzgericht zu Recht ausführt.

 

22.08.2006, Dr. Bachmann

Das Niedersächsische Finanzgericht hatte die Rechtmäßigkeit von Umsatzhinzuschätzungen bei einer Gaststätte zu überprüfen. Vorausgegangen war eine Steuerfahndungsmaßnahme, in deren Rahmen der Betrieb über mehrere Wochen videoüberwacht worden ist, im Anschluss daran kam es zur Verhaftung des Betriebsinhabers.

Das Finanzamt stützte sich bei seinen Hinzuschätzungen wesentlich auf die Auswertung der Videoüberwachung sowie auf die Angaben eines Zeugen, dessen Namen nicht einmal die Steuerfahndung kannte. Das Finanzgericht hat den Videoaufnahmen und den Bekundungen des anonymen Zeugen keinen maßgeblichen Erkenntnisgewinn zumessen können, weist aber darüber hinaus darauf hin, dass die Anordnung der Videoüberwachung rechtswidrig war. Wir veröffentlichen das Urteil nahezu im Volltext, da die Videoüberwachung bisher nicht Gegenstand der Steuerrechtsprechung war und auch im Übrigen interessante Ausführungen, insbesondere zur Höhe von Hinzuschätzungen einer Nachkalkulation, enthalten sind.

Aus dem Tatbestand

Streitig ist die Höhe einer Zuschätzung für den Kläger bei dessen Einkünften aus Gewerbebetrieb in den Jahren 1997 bis einschließlich 2002. Der Kläger hat im März 1997 ein griechisches Restaurant von seiner Mutter übernommen und dieses unter dem Namen K. in den Streitjahren selbst betrieben. Mit der Prüfungsanordnung vom 30. August 2002 wurde eine Betriebsprüfung für die Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die Jahre 1997 bis 2000 angeordnet. Durch Prüfungsanordnungen vom 08.01.2003 und 26.03.2003 wurde die Prüfung auf die Umsatzsteuer Januar 2001 bis einschließlich Dezember 2002 erweitert. Beide Prüfungen wurden mit Bericht vom jeweils 15. Oktober 2003 abgeschlossen.

Die Betriebsprüfung fand zusammen mit der Steuerfahndung statt. Gegen den Kläger wurde mit Datum vom 22. Oktober 2002 ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren gemäß § 397 Abgabenordnung (AO) eingeleitet. Bereits am 30.09.2002 wurde eine nicht näher bekannte Person Namens „A" von der Steuerfahndung über Vorgänge im Zusammenhang mit dem Restaurant und des Klägers vernommen. Diese Person ergänzte ihre Aussage am 16. Oktober 2002. Mit Schriftsatz vom 15. November 2002 ordnete die Bußgeld- und Strafsachenstelle des Finanzamts für Fahndung und Strafsachen L. - FAFuSt - eine Überwachung mit technischen Hilfsmitteln, die von der leitenden Fahndungsprüferin mit Aktenvermerk vom selben Tage beantragt wurde, an. Es wurde der Eingangsbereich des Restaurants überwacht, ein Hintereingang ist nicht vorhanden. Mit Probeaufnahmen wurde am 26. November 2002 begonnen. Die eigentliche Videoüberwachung wurde vom 1. Dezember bis 31. Dezember 2002 durchgeführt, angelehnt an die Öffnungszeiten des Restaurants mit entsprechendem Vorlauf. Die Videoüberwachung wurde wegen nicht voller Videokassette letztendlich bis zum 4. Januar 2003 fortgeführt. Die Auswertungen der Aufzeichnungen des Januars beruht auf einer telefonischen Vereinbarung der Fahndungsstelle mit der Staatsanwältin vom 4. April 2003.

Am 8. Januar 2003 fand aufgrund mehrerer Durchsuchungsbeschlüsse u.a. eine Durchsuchung im Restaurant des Klägers statt. An diesem Tage wurde auch eine Inventur im Restaurant vorgenommen. Es fand im Folgenden ein Abgleich der vorhandenen Bestände mit Lieferungen durch die bekannten Lieferanten des Klägers statt. Im Rahmen der Fahndungsmaßnahmen wurde u. a. festgestellt, dass der Kläger die Tagesendsummenbons seiner Registrierkassen nicht aufbewahrte. Die Einnahmen aus den Kassen wurden handschriftlich in eine Kladde übertragen. Weiterhin wurden im Rahmen der Videoüberwachung und auch am 8. Januar 2003 Anlieferungen von Lebensmitteln durch den Kläger selbst festgestellt, es wurde eine Fleisch-, Ouzo-, Servietten- und Kohlensäureverprobung vorgenommen, ein Betriebsvergleich mit dem Betrieb der Mutter angestellt und das Vorhandensein von 3 Eigentumswohnungen in Griechenland festgestellt.

Aufgrund der Ermittlungen der Fahndung fand eine Zuschätzung bei den Erlösen zum ermäßigten Steuersatz i.H.v. 100 v.H., sowie bei den Erlösen zum Regelsteuersatz i.H.v. 66 v.H. statt. Den Kalkulationen wurde ein Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H. zugrunde gelegt. Dadurch ergaben sich folgende Abweichungen beim Gewinn…

Der Kläger wurde mit Urteil des LG V. vom 29. Januar 2004 einer Steuerhinterziehung in 20 Fällen für schuldig befunden und zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten auf Bewährung verurteilt. Hierbei wurden im Urteil Schwarzeinkäufe zu Grunde gelegt. Für das Kalenderjahr 2000 und Umsatzsteuervoranmeldungen im Kalenderjahr 2001 sowie Umsatzsteuervoranmeldungen im Zeitraum Januar bis einschließlich November 2002 wurden Schwarzeinkäufe i.H.v. 25 % erfasst. Hinsichtlich der Jahre 1997 bis 1999 sowie einiger Umsatzsteuervoranmeldungen 2001, 2002 erfolgte eine Verfahrenseinstellung gemäß § 154 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO). Der Kläger hatte in der Hauptverhandlung eingeräumt, die erzielten Umsätze nicht vollständig angegeben zu haben.

Gründe

Die Klage ist nur in dem aus dem Tenor zu entnehmenden Umfang begründet. Im Übrigen ist sie abzuweisen.

1. Der Beklagte hat zu Recht Hinzuschätzungen vorgenommen, die jedoch in der Höhe zu ermäßigen sind.

a. Der Beklagte war befugt, bereits während des laufenden Ermittlungsverfahrens Hinzuschätzungen vorzunehmen.

aa. Die Finanzbehörde hat die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann (§ 162 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO-). Zu schätzen ist insbesondere dann, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichende Aufklärung zu geben vermag oder weitere Auskunft oder eine Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt. Das Gleiche gilt, wenn der Steuerpflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann oder wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden können (§ 162 Abs. 2 AO). Ein Steuerpflichtiger muss, wenn er Waren von geringerem Wert an eine Vielzahl zumeist unbekannter Personen verkauft und deshalb die Bareinnahmen nicht einzeln aufzuzeichnen hat, grundsätzlich die Registerkassenstreifen, Kassenzettel, Bons und sonstigen Belege aufbewahren (Beschluss des BFH vom 11. Mai 2000 I B 7/00, Juris). Ist dies nicht der Fall, so ist die Buchhaltung nicht ordnungsgemäß. Dies gilt auch, wenn ein Kassenbuch in Form aneinander gereihter Tageskassenberichte geführt wird und die Ursprungsaufzeichnungen über die Bargeschäfte nicht unmittelbar nach Auszählung der Tageskasse in den Tageskassenbericht übertragen werden (Beschluss des BFH vom 23. Dezember 2004 III B 14/04, Juris).

bb. Unstreitig hat der Kläger hier die Tagesendsummenbons nicht aufbewahrt. Weiterhin weisen die Kassenberichte so hohe Bestände aus, dass davon ausgegangen werden muss, dass die Kassenendbestände nicht durch Auszählung der Kasse ermittelt wurden, sondern rechnerisch fortgeführt worden sind (vgl. Kassenberichte vom Februar 2002). Eine Schätzung ist auch zulässig, so lange gegen den Steuerpflichtigen ein Strafverfahren läuft. Dieses entbindet ihn nicht von seinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren (Urteil des BFH vom 23. Januar 2002 IX R 10, 11/01, BStBl II 2002, 328; Beschluss des BFH vom 19. September 2001 VI B 6/01, BStBl II 2002, 4). Der Kläger hat auch im Strafverfahren zugestanden, dass er Schwarzeinkäufe vorgenommen hat und dadurch Steuern verkürzt hat. Da die Feststellungen im Strafurteil nicht substantiiert angegriffen wurden, ist das FG berechtigt hierauf zurück zu greifen (Urteil des BFH vom 30. Juli 1994 I R 112/93, BStBl II 1995, 198). Es haben sich z.B. hinsichtlich des eingefrorenen Ouzo auch im Rahmen der Ermittlungen Anhaltspunkte für das Vorliegen von Schwarzeinkäufen ergeben.

b. Die Schätzungsmethode ist so zu bestimmen, dass sie der Wirklichkeit möglichst nahe kommt. Schätzungen müssen in sich schlüssig sein. Ihre Ergebnisse müssen wirtschaftlich vernünftig und möglich sein (Urteil des BFH vom 18. Dezember 1984 Vlll R 195/82, BStBl II 1986, 226). Sofern der Steuerpflichtige seiner Erklärungspflicht nicht genügt, kann sich das FA an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren, da der Steuerpflichtige möglicherweise Einkünfte verheimlichen will (Urteil des BFH vom 1. Oktober 1992 IV R 34/90, BStBl II 1993, 259). Eine Schätzung nach Richtsätzen ist sachgerecht, sofern sämtliche Buchführungsunterlagen nicht mehr auffindbar sind. Es besteht dann jedoch kein Anspruch darauf, dass lediglich die Mittelsätze zugrunde gelegt werden (Urteil des FG Münster vom 31. Oktober 2005 K 6660/98 E, EFG 2001,401).

aa. Hinsichtlich der Höhe der durch den Beklagten vorgenommenen Hinzuschätzungen bestehen jedoch Bedenken. Der Beklagte ist von einem einheitlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H. ausgegangen. Dieser bewegt sich durchaus im Rahmen der Richtsätze für Gaststätten, die ab 1997 einen durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 203 v.H., einen Höchstbetrag von 300 v.H., ab 1999 einen durchschnittlichen Aufschlagsatz von 213 v.H. und einen Höchstaufschlagsatz von 317 v.H. ausgewiesen haben. Nach den Erfahrungen des durch den Senat beauftragten Gerichtsprüfers erscheint dieser Aufschlagsatz in den Streitjahren jedoch überhöht. Für angemessen wird ein Aufschlagsatz von 230 v.H. gehalten, der durch interne Aufzeichnungen der Nds. Finanzverwaltung bestätigt wird.

Auch die Beobachtungen der Fahnderin und die Auswertung der Videoaufzeichnungen können die vorgenommenen Hinzuschätzungen nicht stützen. Hieraus ergibt sich lediglich, dass im Dezember sowie am 8. Januar 2003 beobachtet wurde, dass Anlieferungen durch den Kläger vorgenommen worden sind. In der mündlichen Verhandlung wurde unstreitig gestellt, dass es sich bei der Lieferung vom 30. Dezember 2002 nicht um eine Lieferung von Schwarzeinkäufen handelt, sondern um eine reguläre Zweitlieferung des Fleischlieferanten F. Auch der Zeuge H. hat in der mündlichen Verhandlung zur Überzeugung des Senats ausgesagt, dass es seitens des Fleischlieferanten durchaus zu Fehl- und Nachlieferungen gekommen ist. Diese wurden dann von ihm selbst angeliefert bzw. bei einem Bekannten des Klägers abgegeben. Auch hat die Zeugenvernehmung der Zeugen H. und C. zur Überzeugung des Senates ergeben, dass bei den Fleischlieferungen Fehlmengen festgestellt worden sind. Diese wurden im Beobachtungszeitraum Dezember 2002 festgestellt. Es sind dann unstreitig Nachlieferungen mit der nächsten regulären Lieferung erfolgt. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger Ersatzlieferungen der F. bei F. abgeholt hat. Die Zeiten, in denen solche Anlieferungen außerhalb des Lokals vorgenommen worden sind, sind unbekannt. Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Fahnderin eine solche Anlieferung beobachtet hat. Dies hat zur Folge, dass der Umfang der tatsächlich erfolgten Schwarzeinkäufe nicht feststellbar ist.

Zudem ist es nach der Auffassung des Senates nicht ausreichend von Schwarzeinkäufen, der Höhe wie sie der Beklagte angenommen hat auszugehen, wenn die Beobachtungen eines relativ kleinen Zeitraumes auf mehrere Jahre ausgedehnt werden sollen und diese nicht durch Kalkulationen etc. gestützt werden. Dass Schwarzeinkäufe vorgenommen wurden, entspricht auch der Überzeugung des Senats.

bb. Hinsichtlich der Höhe der Hinzuschätzungen ergeben sich auch aus der Auswertung der Videoaufzeichnungen keine Erkenntnisse, die den Vortrag des Beklagten stützen. Bei der Videoüberwachung wurde nur der Eingangsbereich der Gaststätte überwacht, so dass nur festgestellt werden konnte, wie viele Personen das Restaurant betreten und wieder verlassen haben. Es konnte hieraus jedoch nicht festgestellt werden, was die einzelnen Gäste verzehrt haben und welchen Umfang die Schwarzeinkäufe hatten. Die Videoüberwachung war an die Öffnungszeiten des Restaurants angelehnt und war in den Abendstunden vorgenommen worden, an den Wochenenden auch um die Mittagszeit. Sofern Schwarzeinkäufe außerhalb dieses Zeitraums getätigt und angeliefert worden wären, konnten diese mangels Videoaufzeichnung nicht festgestellt werden. Auch können - wie bereits oben erwähnt - die Erkenntnisse aus einem Monat nicht ohne weiteres auf 5 Jahre rückwirkend ausgedehnt werden. Im Ermittlungsverfahren haben die Bediensteten der Fa. X ausgesagt, dass der Kläger erst ab dem Dezember 2002 dort eingekauft hat. Diese Aussagen konnten durch den Beklagten nicht widerlegt werden.

Letztendlich kann es deshalb dahinstehen, ob die Auswertung der Videoüberwachung überhaupt herangezogen werden kann. Der Vollständigkeit halber soll jedoch trotzdem darauf eingegangen werden.

Nach § 100c Abs. 1 Nr. 1 StPO dürfen ohne Wissen des Betroffenen Lichtbilder und Bildaufzeichnungen hergestellt werden oder sonstige für Observationszwecke bestimmte technische Mittel zur Erforschung des Sachverhaltes verwendet werden, wenn Gegenstand der Untersuchung eine Straftat von erheblicher Bedeutung ist und wenn die Erforschung des Sachverhalts oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise weniger Erfolg versprechend oder erschwert wäre. Nach § 100c Abs. 2 Satz 1 dürfen sich solche Maßnahmen nur gegen einen Beschuldigten richten. Sie dürfen nach § 100c Abs. 3 StPO auch durchgeführt werden, wenn Dritte unmittelbar betroffen sind. Die Voraussetzungen des § 100c Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 3 StPO sind vorliegend erfüllt, da es sich bei der Videoüberwachung des Eingangsbereiches des Restaurants des Klägers um die Herstellung von Bildaufzeichnungen handelt, die ohne Wissen des Betroffenen zur Erforschung des Sachverhalts angestellt wurden. Nach § 163f Abs. 1 StPO kann eine längerfristige Observation, d.h. eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten, die entweder durchgehend Iänger als 24 Stunden dauert oder an mehr als 2 Tagen stattfinden soll, nur angeordnet werden, wenn die Erforschung des Sachverhalts auf andere Weise erheblich weniger Erfolg versprechend oder wesentlich erschwert wäre. Bei längerfristigen Observationen außerhalb der Wohnung müssen die Voraussetzungen beider Vorschriften erfüllt sein (Meyer-Goßner, Kommentar zur StPO, § 100c Rn. 1 und § 163f Rn. 2; Nack in Karlsruher-Kommentar zur StPO, § 100c Rn. 8). Nach § 163f Abs. 3 StPO bedürfen diese Maßnahmen jedoch der Anordnung durch die Staatsanwaltschaft. Lediglich bei Gefahr im Verzug darf die Anordnung auch durch Ermittlungspersonen erfolgen. Diese haben jedoch unverzüglich eine staatsanwaltschaftliche Bestätigung der Anordnung zu beantragen. Sofern die Maßnahme Iänger als einen Monat dauert, muss sie nach § 163f Abs. 4 Satz 2 StPO durch einen Richter erneut angeordnet werden.

Vorliegend ist eine planmäßig angelegte Beobachtung des Beschuldigten gegeben. Der Eingangsbereich seines Restaurants wurde mehr als 2 Tage beobachtet. Dies diente nicht der Beobachtung des Geschehens auf dem Platz, sondern der Frage der Kundenfrequenz im Restaurant des Beschuldigten sowie von Anlieferungen von Schwarzeinkäufen durch diesen. Diese wurden entgegen § 163f Abs. 3 StPO nicht durch die Staatsanwaltschaft angeordnet, sondern durch die Bußgeld- und Strafsachenstelle des FAFuSt, d.h. von Ermittlungspersonen. Somit hätte die Anordnung unverzüglich der staatsanwaltschaftlichen Bestätigung bedurft. Zudem wurde die zulässige Dauer der Beobachtungsfrist überschritten. Diese beträgt nach § 163f Abs. 4 Satz 1 StPO einen Monat. Beginn dieser Frist ist der Erlass der Anordnung (KMR, Kommentar zur Strafprozessordnung § 163f, Rnr. 7).

cc. Auch die Vernehmung der Zeugin Ko. und des Zeugen Sch. zur Aussage des A stützen die Höhe der vom Beklagten vorgenommen Zuschätzungen nicht. Eine Vernehmung dieser Zeugen vom Hörensagen ist grundsätzlich zulässig. Die Vernehmung von sachfernen Zeugen widerspricht nicht dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweiserhebung (Beschluss des BGH vom 8. April 2003, 3 StR 92/03, NStZ 2004, 50). Bekundungen solcher Zeugen genügen hinsichtlich ihres Beweiswertes jedoch nur, wenn sie durch andere wichtige Gesichtspunkte und Beweisanzeichen bestätigt werden (Beschluss des BVerfG vom 22. Dezember 2002, BvR 591/00, NJW 2001, 2245). Im Hinblick auf die Unauffindbarkeit des unmittelbaren Zeugen ist eine Vernehmung über Wahrnehmung eines Dritten grundsätzlich zulässig (Beschluss des BFH vom 25. Januar 2001, X B 41/00, Juris).

dd. Auch die weiteren Feststellungen des Beklagten rechtfertigen die Höhe der Zuschätzungen des Beklagten nicht. Die Beweiserhebung durch die Zeugin Ko. und den Zeugen Sch. hat zweifelsfrei ergeben, dass A nicht bekannt ist, und sein Aufenthaltsort auch nicht mehr ermittelt werden kann. Er konnte somit durch den Senat nicht selbst vernommen werden, weshalb auf die Äußerungen der Zeugen vom Hörensagen zurückgegriffen werden kann. Nach der Überzeugung des Senates führen jedoch die beiden Zeugenaussagen nicht dazu, dass die Zuschätzung des Beklagten der Höhe nach gehalten werden kann. Beide Zeugen konnten keine konkreten Anhaltspunkte für die Glaubwürdigkeit des A darlegen. Sie haben übereinstimmend ausgesagt, dass sich der A vor dem Kläger fürchtet. Der Zeuge Sch. hat zudem vermutet, dass zwischen A und dem Kläger persönliche Animositäten bestünden und diese ggf. gar Streit miteinander hatten. Es kann deshalb nicht ausgeschlossen werden, dass die Aussage des A auf persönlichen Gründen beruht. Zudem konnte nicht überzeugend dargelegt werden, dass A über konkrete Beobachtungen im streitigen Zeitraum berichtet. Er hat zwar Angaben über Zukäufe bei den Waren und über die Höhe der bewirteten Personen gemacht. Diese konnten so jedoch durch weitere Ermittlungen nicht konkretisiert werden. Der Beklagte hat diesbezüglich auf Vermutungen resultierend aus der Inventur am 8. Januar 2003 und der Videoüberwachung zurückgegriffen. Zudem haben es die Vernehmungspersonen unterlassen den A zu befragen, über welche Zeiträume er denn tatsächlich Aussagen treffen kann. Die Zeugin Ko. geht davon aus, dass A bereits Kenntnisse aus den Jahren hat, in denen die Mutter des Klägers das Restaurant geführt hat. Sie erklärte weiterhin, dass Beobachtungen bis zum Jahr 2001 bzw. 2002 gemacht worden sein könnten. Hierbei handelt es sich jedoch um Vermutungen, da die Zeugin in der mündlichen Verhandlung angegeben hat, dass sie keine konkreten Aussagen über die Zeiträume, aus denen A berichtet, kennt und ihn dies auch nicht gefragt hat. Da die Aussagen der Zeugen vom Hörensagen im Vergleich zu anderen Beweismitteln eher ein geringeres Gewicht haben und zudem auch nicht bestätigt werden konnten, rechtfertigen sie die Höhe der Zuschätzungen nicht.

A ist davon ausgegangen, dass monatlich 5.000 bis 5.500 Portionen hergestellt werden. Die Videoüberwachung im Dezember 2002 hat jedoch den Besuch von ca. 3.200 Personen ergeben. Weiterhin hat A angegeben, dass ca. die Hälfte der Einkäufe ,,schwarz" getätigt worden seien. Dem Beklagten ist es jedoch nicht gelungen, durch weitere Ermittlungen z.B. Lieferanten von Schwarzwaren herauszufinden und dem Kläger konkret mehrere Schwarzeinkäufe nachzuweisen. Auch die Tatsache, dass die Geschäftsvorfälle aus dem Dezember 2002 am Tag der Durchsuchung (8. Januar 2003) noch nicht in die Sachbuchhaltung eingeflossen sind, rechtfertigt nicht die Höhe der vom Beklagten vorgenommenen Hinzuschätzungen. Es waren bis zu diesem Zeitpunkt noch nicht sämtliche Rechnungen und Lieferscheine erteilt. Im Strafverfahren konnte nachgewiesen werden, dass ein Lieferschein hinsichtlich einer Getränkelieferung schlicht und ergreifend vom Lieferanten verbummelt worden ist. Deshalb wurde eine Rechnung diesbezüglich erst nach der Durchsuchung erteilt.

Auch konnte aus den Akten nicht nachvollzogen werden, dass sich aus der vorgenommenen Inventur Rückschlüsse auf gebuchte bzw. nicht gebuchte Wareneinkäufe entnehmen lassen. Zwar lassen die vom Kläger ausgewiesenen Rohgewinnaufschlagsätze durchaus Rückschlüsse darauf zu, dass die Wareneinkäufe in der Buchführung nicht vollständig enthalten sind. Sie rechtfertigen jedoch nicht die vom Beklagten vorgenommene Hinzuschätzung von 100 v.H. bei den Umsätzen zum ermäßigten Steuersatz und 66 v.H. bei den Umsätzen zum Regelsteuersatz. Auch ergeben sich aus den Akten keinerlei Anhaltspunkte, die einen Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H. rechtfertigen könnten. Diesbezüglich liegt eine freie Schätzung seitens des Beklagten vor.

Ein äußerer Betriebsvergleich mit den Erklärungen der Mutter des Klägers aus dem Jahr 1996 kann hierfür nicht herangezogen werden, da dem Gericht die steuerlichen Gegebenheiten der Mutter des Klägers nicht bekannt sind und diese wegen des Steuergeheimnisses auch nicht hinterfragt werden können. Zudem hat es der Beklagte unterlassen, eine Nachkalkulation durchzuführen, um seine Schätzung zu untermauern. Es wurden keinerlei Aufschlagsätze für einzelne Warengruppen, z.B. für die Hauptumsatzträger, ermittelt, obwohl anhand der Auswertung des GT-Speichers zumindest für das Jahr 2002 solche Rohgewinnaufschlagsätze leicht hätten ermittelt werden können. Der Senat hält es nicht für ausreichend, aus den möglicherweise vorgenommenen Äußerungen des KIägers, dass sich hinsichtlich des Restaurantbetriebes seit der Übernahme durch seine Mutter nichts geändert hätte, plausibel die Annahme der entsprechenden Hinzuschätzungen wie nach dem Betrieb der Mutter herzuleiten. Dies hätte seitens des Beklagten ermittelt und nachgeprüft werden müssen.

Auch hat die Beweisaufnahme nicht zweifelsfrei ergeben, dass der GT-Speicher der Registrierkasse tatsächlich am 31.12.2002 oder 01.01.2003 gelöscht wurde. Ein Vergleich der bis zum 4. Januar 2003 beobachteten Gäste des Restaurants und eine Hinzuschätzung bis einschließlich 7.Januar 2003 mit den nach dem GT-Speicher tatsächlich verkauften Essensportionen führt nicht dazu, dass sich im Speicher tatsächlich nur Umsätze seit dem 1. Januar 2003 befunden haben. Es kann durchaus sein, dass hier noch einige/wenige Tage aus dem Dezember enthalten sind. Zudem hat die Zeugenvernehmung des Zeugen M. ergeben, dass der Kläger sich nicht exakt zum Löschungsdatum des GT-Speichers geäußert hat. Er hat angegeben, dass er einzelne Löschungen am Folgetag vor der Öffnung des Restaurants vornimmt. Sofern er denn wirklich am 31.12.2002 den Speicher gelöscht hätte, wäre es durchaus möglich, dass sich im Speicher noch die gesamten Umsätze des Silvesterabends befunden haben, da eine Löschung dann voraussichtlich vor Geschäftsbeginn erfolgt wäre und nicht um Mitternacht während vollem Betrieb. Deshalb ist die Verplausibilisierung des Vertreters des Beklagten in der mündlichen Verhandlung auch nicht zugrunde zu legen. Das Auftauchen der zweiten Kladde im Aussetzungsverfahren Iässt nach der Überzeugung des Senats ebenfalls keine Rückschlüsse für den gesamten Zeitraum zu.

b. Danach war das Gericht nach § 96 Finanzgerichtsordnung (FGO) berechtigt, die Schätzung des Beklagten durch eine eigene Schätzung zu ersetzen. aa. Das Gericht war berechtigt eine freie Schätzung des Beklagten durch eine eigene Schätzung zu ersetzen, da der Beklagte seine im Rahmen der strafrechtlichen Ermittlungen gewonnenen Erkenntnisse nicht durch weitere Berechnungen wie z.B. Kalkulationen einzelner Jahre oder das Aufstellen einer Geldverkehrsrechnung gedeckt hat. Weiterhin hat der Beklagte zwar festgestellt, dass der Kläger 3 Eigentumswohnungen in Griechenland hat. Ausweislich eines vorgelegten Vertrages dürften diese Wohnungen einen Wert von 90.000 € haben. Der Beklagte hat jedoch nicht ermittelt, wann diese Wohnungen angeschafft wurden und wie diese finanziert worden sind. Hieraus kann somit nicht zwingend und ausschließlich abgeleitet werden, dass die Erwerbe der Wohnungen durch nicht versteuerte Gewinne seit der Übernahme des Restaurants des Klägers von seiner Mutter erfolgt sind. Die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung hat nicht zur Überzeugung des Senats ergeben, dass tatsächlich vom Kläger Schwarzeinkäufe in dem vom Beklagten zu Grunde gelegten Umfang getätigt wurden. Angaben des Klägers am Tag der Durchsuchung gegenüber Vertretern des Beklagten wurden nicht anhand eines Vernehmungsprotokolles festgehalten und nach Aussage der Zeugin Ko. auch nicht verplausibilisiert. Die Zeugin konnte nicht definitiv angeben, ob der Kläger überhaupt wusste, welche Verhältnisse hinsichtlich der Portionsgrößen usw. bei der Betriebsprüfung seiner Mutter zu Grunde gelegt wurden. Sie hat sich trotzdem auf die Angabe des Klägers verlassen, dass sich keine Änderungen ergeben hätten. Der Gerichtsprüfer hat bei seiner Erfahrung in mehreren Verfahren festgestellt, dass aus Kohlensäureverprobungen keine zuverlässigen Erkenntnisse hinsichtlich des tatsächlichen Verkaufes von Bier- und Mixgetränken [gemeint ist wohl: Premixgetränken] und somit hinsichtlich des dafür zwangsläufig erforderlichen Wareneinkaufs dieser Grundprodukte gezogen werden kann. Dies entspricht der Überzeugung des Senats. Zudem sind die Erkenntnisse aus der Videoüberwachung für den Dezember 2002 nicht geeignet Aussagen über den mengenmäßigen Umfang und den Wert von Hinzukäufen in dem Zeitraum von März 1997 bis einschließlich November 2002 zu machen. Die Beweisaufnahme hat z. B. ergeben, dass es sich beim, nach Ansicht des Beklagten beobachteten, Schwarzeinkauf am 30.12.2002 um eine ergänzende Lieferung handelte. Die Aussagen der Zeugen C. und H. war insoweit überzeugend. Es ist zu berücksichtigen, dass der Beklagte trotz der Auswertung des GT-Speichers das sich hieraus ergebende Verhältnis zwischen Getränkeumsatz und Essensumsatz bei seiner Schätzung nicht berücksichtigt hat. Dieses wurde bei der Schätzung des Gerichts berücksichtigt.

Um das Verhältnis, das der Beklagte zugrunde gelegt hat zu erreichen, musste beim Getränkewareneinsatz ein Rohgewinnaufschlagsatz von 380 v.H. zugrunde gelegt werden. Dieser erscheint dem Senat jedoch als unrealistisch. Hinsichtlich der Warengruppe Küchenwaren (Speisen) würde sich dann ein Rohgewinnaufschlagsatz von ca. 295 v.H. ergeben, der ungewöhnlich hoch und unwahrscheinlich ist. bb. Zudem entspricht der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz von 280 v.H., den der Beklagte zugrunde gelegt hat, nicht den Erfahrungen des Gerichts. Nach dessen Erfahrungen kann bei Getränken kein höherer durchschnittlicher Aufschlagsatz als 300 v.H. zugrunde gelegt werden für die Streitjahre. Aufgrund dieser Ausgangsbasis hat er den Wareneinsatz zurückgerechnet. Ein Vergleich mit den Hinzuschätzungen des Beklagten hat eine nicht unerhebliche Differenz ergeben. Der Gerichtsprüfer hat in seinem Vorschlag, der der Überzeugung des Senates entspricht, plausiblere Rohgewinnaufschlagsätze zugrunde gelegt. Hinsichtlich des Getränkeverkaufs wurde ein um die nicht abziehbare Vorsteuer korrigierter Rohgewinnaufschlagsatz von 285,7 v.H. zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Speisen wurde ein Rohgewinnaufschlagsatz von ca. 230 v.H. für angemessen gehalten. Sofern nun im Bereich der Umsätze zum Regelsteuersatz Hinzuschätzungen i.H.v. 30 v.H. und im Bereich der Umsätze mit ermäßigten Steuersatz von 40 v.H. vorgenommen werden, ergibt sich ein durchschnittlicher Rohgewinnaufschlagsatz von ca. 232 v.H. Dieser entspricht fast dem aufgrund der Verprobung anhand der Auswertung des GT-Speichers ermittelten durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatzes von 227 v.H. Zudem entspricht er den Erfahrungswerten des Gerichtsprüfers und des Senats bei griechischen Gaststätten. Diese Erkenntnis wird auch durch eine Zusammenstellung der niedersächsischen Finanzverwaltung diesbezüglich gedeckt, die von einem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz von 230 v.H. ausgeht. Aufgrund dieser Berechnungen ergeben sich die folgenden Umsätze…

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 29.06.05 – 3 K 92/04 u. 3 K 05/05, rechtskräftig
(Nichtzulassungsbeschwerde des Finanzamts zurückgewiesen, BFH, Beschluss vom 4.07.06 – X B 111/06)

Hinweis: Soweit das Finanzgericht die Videoüberwachung als rechtswidrig einstuft, weil diese nicht von der Staatsanwaltschaft, sondern von der Bußgeld- und Strafsachenstelle, "d.h. von Ermittlungspersonen" angeordnet worden sei, wurden wohl § 399 Abs. 1, § 386 Abs. 2 AO übersehen, denn die Videoüberwachung war angeordnet worden, bevor ein Haftbefehl erlassen wurde, so dass die BuStra die erforderlichen Kompetenzen hatte. Die Anordnung war gleichwohl rechtswidrig, weil die Monatsfrist des § 163f Abs. 4 Satz 1 StPO überschritten wurde, wie das Finanzgericht zu Recht ausführt.

 

22.08.2006, Dr. Bachmann

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