FG Köln zum Zeitreihenvergleich bei der Gaststättenkalkulation

Die Entscheidung des FG Köln verdeutlicht die Fehler, die ein Zeitreihenvergleich enthalten kann. Folgerichtig konnte der vom Finanzamt angestrengte Zeitreihenvergleich eine ordnungsgemäße Buchführung nicht erschüttern. Aus den Gründen:

II. Der vom Beklagten durchgeführte Zeitreihenvergleich ist kein Anlass, im Sinne des § 158 AO die sachliche Richtigkeit der Buchführung des Klägers zu beanstanden.

1. In der Rechtsprechung ist der Zeitreihenvergleich bisher nur als Schätzungsmethode in Fällen angewendet worden, in denen die Buchführung nach § 158 AO aus anderen Gründen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden konnte (FG Münster, Urteile vom 17. Februar 1999 10 K 3407/98, bei juris; vom 20. Oktober 1999 10 K 3902/98, bei juris; vom 19. Januar 2000 10 K 3901/98, bei juris; Beschluss vom 11. Februar 2000 9 V 5542/99, DStRE 2000, 549; vom 10. November 2003 6 V 4562/03, EFG 2004, 236 mit Anm. von Kerssenbrock, ZSteu 2008, 185; vom 13. April 2004 11 V 632/04, bei juris; FG Düsseldorf, Beschluss vom 6. September 2006 11 V 2919/06, n.v.). In zwei Entscheidungen des FG Düsseldorf (Beschluss vom 15. Februar 2007 16 V 4691/06, EFG 2007, 814 und Urteil vom 20. März 2008 16 K 4689/06, EFG 2008, 1256) deutet sich allerdings die Bereitschaft an, den Zeitreihenvergleich weitergehend einsetzen: „Der Zeitreihenvergleich als Methode des inneren Betriebsvergleichs … lässt kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse und Wareneinsatz nicht zutreffend verbucht wurden.“
In der Literatur wollen einige Stimmen den Zeitreihenvergleich auf die Funktion als Schätzungsmethode beschränken (van Meegen, Stbg 2003, 488 [491]; Krömker, AO-StB 2004, 184 [185]; Brinkmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 162 AO Rn. 138). Andere meinen, der Zeitreihenvergleich sei bedingt geeignet, eine formell ordnungsmäßige Buchführung zu erschüttern (Carlé in KÖSDI 2005, 14717 [14720] und Meyer, DStR 2005, 2114 [2116]; ähnlich Vogelsang, BP-Handbuch, 2008 I Rn. 14 ff. und 33 ff.) beziehungsweise halten es für möglich, dass der Steuerpflichtige selbst bei einer ordnungsgemäßen Buchführung einen Zeitreihenvergleich der Finanzbehörde widerlegen müsse und sich darauf schon während des laufenden Veranlagungszeitraums durch Zwischeninventuren, eigene Zeitreihenvergleiche oder gar simulierte Betriebsprüfungen vorbereiten solle (Högemann, INF 2000, 585 [589]; Bettker/Knorr, sj 2006, 29 [30 f.]; Brettmeier, MBP 2007, 67 und 86). Einige schließlich bejahen eindeutig die Möglichkeit, mit dem Zeitreihenvergleich die Vermutung nach § 158 AO zu entkräften (Huber, StBp 2002, 199 [205]; Moritz, LSW 2005, 277 [S. 8 und 12 f.]; Burkhard, StBp 2006, 61 [62]; Pfützenreuter, EFG 2007, 816; ausführlich Wiggen, StBp 2008, 168).

2. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung aus § 158 AO nicht erschüttert. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BFH, dass die Vermutung durch einen inneren Betriebsvergleich mit einer so genannten qualifizierten Nachkalkulation widerlegt werden kann (Urteile vom 25. Juni 1970 IV 17/65, BStBl II 1970, 838; vom 22. August 1985 IV R 29 und 30/84, BFH/NV 1986, 719). An eine solche Nachkalkulation sind allerdings wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als an die Begründung einer Schätzung, die wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin durchgeführt werden muss. Es muss der Nachweis erbracht werden, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann. Ohne einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit würde der Zweck des § 158 AO konterkariert (Carlé in KÖSDI 2005, 14717 [14718]).
Richtig ist, dass der Zeitreihenvergleich einen inneren Betriebsvergleich darstellt, mit dem Umsatz und Gewinn eines Betriebs nachkalkuliert werden können (FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004 8 V 3055/04, EFG 2004, 1810 mit zustimmender Anmerkung von Büchter-Hole, EFG 2004, 1812). Im Streitfall kann aber nicht davon gesprochen werden, dass nach dem Ergebnis des Zeitreihenvergleichs die Buchführung des Klägers schlechterdings nicht zutreffen kann.
Der Beklagte sieht mit dem Zeitreihenvergleich als festgestellt an, dass die Rohgewinnaufschlagsätze im Betrieb des Klägers ohne nachvollziehbaren Grund erheblich schwanken, der höchste durchschnittliche Rohaufschlagsatz für einen Zeitraum von 10 Wochen 241 % netto/brutto bzw. 194% netto/netto betrage und angesichts dessen der aus dem Jahresabschluss für 2003 folgende Rohgewinnaufschlagsatz von 161 % unrichtig sei. Dem kann der Senat nicht folgen.

3. Entgegen der Darstellung des Beklagten trifft es nicht zu, dass das Ergebnis des Zeitreihenvergleichs nur aufgrund der betriebsinternen Daten des Klägers gewonnen worden ist. Betriebsinterne Daten sind nur die Aufwendungen für den Wareneinkauf und die Erlöse in einer bestimmten Zeitperiode, wie hier die Kalenderwoche. Zur Berechnung der Rohgewinnaufschläge wird aber der Wareneinsatz benötigt, also der Aufwand für speziell diejenigen Waren, die in der betreffenden Periode tatsächlich veräußert bzw. verbraucht worden sind. Er ist nicht identisch mit dem Wareneinkauf. Zu Abweichungen kommt es, wenn Waren veräußert oder verbraucht werden, die in einer früheren Zeitperiode zu anderen Preisen eingekauft und zwischenzeitlich gelagert wurden. Zu den Warenbeständen gibt es in der Regel keine betriebsinternen Daten des Steuerpflichtigen. Dieser ist nicht verpflichtet, solche aufzuzeichnen. Aufzeichnen muss er lediglich den Wareneingang (§ 143 AO). Den Warenbestand hat er nur für den jährlichen Bilanzstichtag ausgehend von einer Inventur zu ermitteln, wobei verschiedene Wahlrechte bestehen. Nach §§ 240 Abs. 4, 256 Satz 2 HGB können gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden. Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann nach § 256 Satz 1 HGB für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind (vgl. auch § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG). Lediglich bei der so genannten permanenten Inventur (§ 241 Abs. 2 HGB) wird der buchmäßige Warenbestand des Lagers durch ein Warenwirtschaftssystem ständig fortgeschrieben. Es besteht aber keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, dieses aufwändige Verfahren anzuwenden.

4. Da keine konkreten Angaben des Steuerpflichtigen vorliegen, stellt die Ermittlung des wöchentlichen Wareneinsatzes durch den Beklagten im Ergebnis eine Schätzung dar. Denn er geht davon aus, dass der Kläger seine Waren durchgehend erst vollständig verbraucht, bis er neue Waren einkauft und damit also streng das so genannte fifo-Verfahren anwendet (first in – first out).
Diese Annahme ist insbesondere für die 9. und 10. Kalenderwoche des Jahres 2003, also von Montag, 24. Februar bis Sonntag, 2. März und von Montag, 3. März bis Sonntag, 9. März nicht haltbar. In diesem Zeitraum fand der Karneval statt. Am Donnerstag, dem 27. Februar 2003 war Weiberfastnacht, am Montag, dem 3. März 2003 war Rosenmontag. An beiden Tagen erzielte der Kläger hohe Einnahmen (4.431 € bzw. 4.004 € brutto). Die Wocheneinnahmen waren in etwa gleich hoch (13.688 € bzw. 13.255 € brutto). Im Zeitreihenvergleich hat der Beklagte für die 9. Kalenderwoche einen Rohgewinnaufschlagsatz von rund 111% und für die 10. Kalenderwoche von rund 1.755 % (jeweils netto/brutto) berechnet. Dieser Sprung beruht darauf, dass der Wareneinkauf in der 9. Kalenderwoche mit 6.613,68 € netto erheblich höher war als der in der 10. Kalenderwoche mit 837,74 € netto. Gleichwohl hat der Beklagte unterstellt, dass der Kläger die Waren aus der 9. Kalenderwoche bis Sonntag, den 2. März vollständig verbrauchte, so dass nichts davon mehr in der 10. Kalenderwoche eingesetzt worden ist. Tatsächlich hat der Kläger in der 9. Kalenderwoche bereits einen Vorrat für die 10. Kalenderwoche gekauft, um für die Zeit bis Aschermittwoch ausgerüstet zu sein. Aus der Buchführung ergibt sich, dass der Kläger am 25. Februar und am 1. März zusammen 2.500 Liter Kölsch für 4.425 € gekauft hat, während in der 10. Kalenderwoche kein Kölsch bezogen wurde.
Eine Schätzung des Beklagten ist ferner die Behandlung der im Kalenderjahr 2003 zu verzeichnenden Warenbestandserhöhung um 1.391,98 € (4.839,56 € zum 1. Januar und 6.231,54 € zum 31. Dezember). Fest steht nur, dass sie den Wareneinsatz im Kalenderjahr gemindert hat. Es gibt keine betriebsinternen Daten dazu, wie der Vorrat in zeitlicher Hinsicht im Einzelnen zustande gekommen ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der Vorrat gerade in den Wochen mit den geringsten Rohgewinnaufschlägen gebildet und in den zehn Wochen mit dem durchschnittlich höchsten Rohgewinnaufschlag dagegen die eingekaufte Ware vollständig verkauft wurde. Die gleichmäßige Verteilung auf 52 Kalenderwochen mit je 26,77 € ist nur eine Annahme des Beklagten, die den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag in allen Wochen zum Nachteil des Klägers erhöht.
Das Gleiche gilt für Eigenverbrauch, Personalbeköstigung und Warenverderb. Es mag zutreffen, dass die Jahreswerte auf den eigenen Angaben des Klägers beziehungsweise auf den Pauschbeträgen der Finanzverwaltung für unentgeltliche Wertabgaben (vgl. Richtsatzsammlung 2003, BStBl I 2004, 487) beruhen. Das schließt aber nicht aus, dass gerade in den zehn Wochen mit dem durchschnittlich höchsten Rohgewinnaufschlag der Wareneinsatz überhaupt nicht um Eigenverbrauch, Personalbeköstigung und Warenverderb gemindert worden ist. Betriebsinterne Daten dazu liegen nicht vor und brauchten vom Kläger nicht erhoben zu werden.

5. Das vorstehende Problem der Schätzung des Wareneinsatzes durch den Beklagten wird dadurch, dass der Beklagte im Zeitreihenvergleich für die Rohgewinnaufschläge Durchschnittswerte für jeweils zehn Wochen gebildet hat, nicht vollständig ausgeräumt. Das zeigt gerade der vom Beklagten berechnete höchste durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz von 241% (netto/brutto) deutlich. Dies ist der gewogene Durchschnitt aus den Rohgewinnaufschlägen der Wochen 10 bis 19. In diesen Durchschnitt ist der nachweislich unzutreffende Wert der Woche 10 (1.755 % Rohgewinnaufschlagsatz) eingeflossen; der Fehler wirkt zum Nachteil des Klägers fort. Gleichgültig, ob man diesen Wert - wie vom Prüfer des Finanzgerichts im Erörterungstermin vorgeschlagen - „glättet“, in dem 2.700 € Wareneinkauf von der 9. in die 10. Kalenderwoche übertragen werden, oder ob man alle durchschnittlichen Rohgewinnaufschläge, in denen der „Ausreißer“ für die 10. Kalenderwoche enthalten ist, außer Betrag lässt: In beiden Fällen läge der höchste durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz über 10 Wochen deutlich unter den vom Beklagten berechneten 194 % (netto/netto). Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Beklagte für die Schätzung einen geringeren Rohgewinnaufschlagsatz von 180% angesetzt hat. Denn ein noch deutlich niedrigerer durchschnittlicher Aufschlag als die 194 % ergäbe sich zwangsläufig, wenn man die anteiligen Werte für Eigenverbrauch, Personalbeköstigung, Warenverderb sowie die Bestandsveränderung beim Zeitreihenvergleich insgesamt wegließe.

6. Der Senat sieht davon ab, den Zeitreihenvergleich des Beklagten zu berichtigen. Es ist durchaus möglich, dass eine neue Berechnung für das Jahr 2003 an anderer Stelle einen Zeitraum von 10 Wochen aufzeigen würde, in dem der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz über den 161 % lt. Jahresabschluss liegt und der Kläger diese Abweichung nicht erklären kann. Das wäre jedenfalls bei einer – wie hier - ordnungsgemäßen Buchführung trotzdem kein Grund, der eine Hinzuschätzung durch den Beklagten rechtfertigen würde. Denn der Steuerpflichtige ist nur verpflichtet, seine im Kalenderjahr tatsächlich erzielten Einnahmen korrekt zu ermitteln. Er muss hingegen nicht rechtfertigen, warum die Einnahmen - insgesamt oder in einzelnen Zeitabschnitten des Jahres - nicht höher gewesen sind.
III. Im Fall des § 158 AO trifft die Finanzbehörde die Feststellungslast dafür, dass das Buchführungsergebnis sachlich unrichtig ist (BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55 und vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51). Der Steuergläubiger hat im Allgemeinen die objektive Feststellungslast für Tatsachen, die den Steueranspruch begründen oder ihn – wie hier bei einer Schätzung - erhöhen. Nach § 96 Abs.1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen „Überzeugung". Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Buchführungsergebnisses können deshalb nicht ausreichen. Die Unrichtigkeit muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Das ist nicht der Fall.

FG Köln, Urteil vom 27.01.2009 - 6 K 3954/07, Juris
 

 

07.06.2009, Dr. Jochen Bachmann

Die Entscheidung des FG Köln verdeutlicht die Fehler, die ein Zeitreihenvergleich enthalten kann. Folgerichtig konnte der vom Finanzamt angestrengte Zeitreihenvergleich eine ordnungsgemäße Buchführung nicht erschüttern. Aus den Gründen:

II. Der vom Beklagten durchgeführte Zeitreihenvergleich ist kein Anlass, im Sinne des § 158 AO die sachliche Richtigkeit der Buchführung des Klägers zu beanstanden.

1. In der Rechtsprechung ist der Zeitreihenvergleich bisher nur als Schätzungsmethode in Fällen angewendet worden, in denen die Buchführung nach § 158 AO aus anderen Gründen nicht der Besteuerung zugrunde gelegt werden konnte (FG Münster, Urteile vom 17. Februar 1999 10 K 3407/98, bei juris; vom 20. Oktober 1999 10 K 3902/98, bei juris; vom 19. Januar 2000 10 K 3901/98, bei juris; Beschluss vom 11. Februar 2000 9 V 5542/99, DStRE 2000, 549; vom 10. November 2003 6 V 4562/03, EFG 2004, 236 mit Anm. von Kerssenbrock, ZSteu 2008, 185; vom 13. April 2004 11 V 632/04, bei juris; FG Düsseldorf, Beschluss vom 6. September 2006 11 V 2919/06, n.v.). In zwei Entscheidungen des FG Düsseldorf (Beschluss vom 15. Februar 2007 16 V 4691/06, EFG 2007, 814 und Urteil vom 20. März 2008 16 K 4689/06, EFG 2008, 1256) deutet sich allerdings die Bereitschaft an, den Zeitreihenvergleich weitergehend einsetzen: „Der Zeitreihenvergleich als Methode des inneren Betriebsvergleichs … lässt kaum Raum für Zweifel daran, dass Erlöse und Wareneinsatz nicht zutreffend verbucht wurden.“
In der Literatur wollen einige Stimmen den Zeitreihenvergleich auf die Funktion als Schätzungsmethode beschränken (van Meegen, Stbg 2003, 488 [491]; Krömker, AO-StB 2004, 184 [185]; Brinkmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 162 AO Rn. 138). Andere meinen, der Zeitreihenvergleich sei bedingt geeignet, eine formell ordnungsmäßige Buchführung zu erschüttern (Carlé in KÖSDI 2005, 14717 [14720] und Meyer, DStR 2005, 2114 [2116]; ähnlich Vogelsang, BP-Handbuch, 2008 I Rn. 14 ff. und 33 ff.) beziehungsweise halten es für möglich, dass der Steuerpflichtige selbst bei einer ordnungsgemäßen Buchführung einen Zeitreihenvergleich der Finanzbehörde widerlegen müsse und sich darauf schon während des laufenden Veranlagungszeitraums durch Zwischeninventuren, eigene Zeitreihenvergleiche oder gar simulierte Betriebsprüfungen vorbereiten solle (Högemann, INF 2000, 585 [589]; Bettker/Knorr, sj 2006, 29 [30 f.]; Brettmeier, MBP 2007, 67 und 86). Einige schließlich bejahen eindeutig die Möglichkeit, mit dem Zeitreihenvergleich die Vermutung nach § 158 AO zu entkräften (Huber, StBp 2002, 199 [205]; Moritz, LSW 2005, 277 [S. 8 und 12 f.]; Burkhard, StBp 2006, 61 [62]; Pfützenreuter, EFG 2007, 816; ausführlich Wiggen, StBp 2008, 168).

2. Im vorliegenden Fall ist die Vermutung aus § 158 AO nicht erschüttert. Der Senat folgt der Rechtsprechung des BFH, dass die Vermutung durch einen inneren Betriebsvergleich mit einer so genannten qualifizierten Nachkalkulation widerlegt werden kann (Urteile vom 25. Juni 1970 IV 17/65, BStBl II 1970, 838; vom 22. August 1985 IV R 29 und 30/84, BFH/NV 1986, 719). An eine solche Nachkalkulation sind allerdings wesentlich strengere Anforderungen zu stellen als an die Begründung einer Schätzung, die wegen festgestellter Buchführungsmängel ohnehin durchgeführt werden muss. Es muss der Nachweis erbracht werden, dass das Buchführungsergebnis sachlich schlechterdings nicht zutreffen kann. Ohne einen so hohen Grad an Wahrscheinlichkeit würde der Zweck des § 158 AO konterkariert (Carlé in KÖSDI 2005, 14717 [14718]).
Richtig ist, dass der Zeitreihenvergleich einen inneren Betriebsvergleich darstellt, mit dem Umsatz und Gewinn eines Betriebs nachkalkuliert werden können (FG Münster, Beschluss vom 19. August 2004 8 V 3055/04, EFG 2004, 1810 mit zustimmender Anmerkung von Büchter-Hole, EFG 2004, 1812). Im Streitfall kann aber nicht davon gesprochen werden, dass nach dem Ergebnis des Zeitreihenvergleichs die Buchführung des Klägers schlechterdings nicht zutreffen kann.
Der Beklagte sieht mit dem Zeitreihenvergleich als festgestellt an, dass die Rohgewinnaufschlagsätze im Betrieb des Klägers ohne nachvollziehbaren Grund erheblich schwanken, der höchste durchschnittliche Rohaufschlagsatz für einen Zeitraum von 10 Wochen 241 % netto/brutto bzw. 194% netto/netto betrage und angesichts dessen der aus dem Jahresabschluss für 2003 folgende Rohgewinnaufschlagsatz von 161 % unrichtig sei. Dem kann der Senat nicht folgen.

3. Entgegen der Darstellung des Beklagten trifft es nicht zu, dass das Ergebnis des Zeitreihenvergleichs nur aufgrund der betriebsinternen Daten des Klägers gewonnen worden ist. Betriebsinterne Daten sind nur die Aufwendungen für den Wareneinkauf und die Erlöse in einer bestimmten Zeitperiode, wie hier die Kalenderwoche. Zur Berechnung der Rohgewinnaufschläge wird aber der Wareneinsatz benötigt, also der Aufwand für speziell diejenigen Waren, die in der betreffenden Periode tatsächlich veräußert bzw. verbraucht worden sind. Er ist nicht identisch mit dem Wareneinkauf. Zu Abweichungen kommt es, wenn Waren veräußert oder verbraucht werden, die in einer früheren Zeitperiode zu anderen Preisen eingekauft und zwischenzeitlich gelagert wurden. Zu den Warenbeständen gibt es in der Regel keine betriebsinternen Daten des Steuerpflichtigen. Dieser ist nicht verpflichtet, solche aufzuzeichnen. Aufzeichnen muss er lediglich den Wareneingang (§ 143 AO). Den Warenbestand hat er nur für den jährlichen Bilanzstichtag ausgehend von einer Inventur zu ermitteln, wobei verschiedene Wahlrechte bestehen. Nach §§ 240 Abs. 4, 256 Satz 2 HGB können gleichartige Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens jeweils zu einer Gruppe zusammengefasst und mit dem gewogenen Durchschnittswert angesetzt werden. Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann nach § 256 Satz 1 HGB für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, dass die zuerst oder dass die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst oder in einer sonstigen bestimmten Folge verbraucht oder veräußert worden sind (vgl. auch § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a EStG). Lediglich bei der so genannten permanenten Inventur (§ 241 Abs. 2 HGB) wird der buchmäßige Warenbestand des Lagers durch ein Warenwirtschaftssystem ständig fortgeschrieben. Es besteht aber keine Verpflichtung des Steuerpflichtigen, dieses aufwändige Verfahren anzuwenden.

4. Da keine konkreten Angaben des Steuerpflichtigen vorliegen, stellt die Ermittlung des wöchentlichen Wareneinsatzes durch den Beklagten im Ergebnis eine Schätzung dar. Denn er geht davon aus, dass der Kläger seine Waren durchgehend erst vollständig verbraucht, bis er neue Waren einkauft und damit also streng das so genannte fifo-Verfahren anwendet (first in – first out).
Diese Annahme ist insbesondere für die 9. und 10. Kalenderwoche des Jahres 2003, also von Montag, 24. Februar bis Sonntag, 2. März und von Montag, 3. März bis Sonntag, 9. März nicht haltbar. In diesem Zeitraum fand der Karneval statt. Am Donnerstag, dem 27. Februar 2003 war Weiberfastnacht, am Montag, dem 3. März 2003 war Rosenmontag. An beiden Tagen erzielte der Kläger hohe Einnahmen (4.431 € bzw. 4.004 € brutto). Die Wocheneinnahmen waren in etwa gleich hoch (13.688 € bzw. 13.255 € brutto). Im Zeitreihenvergleich hat der Beklagte für die 9. Kalenderwoche einen Rohgewinnaufschlagsatz von rund 111% und für die 10. Kalenderwoche von rund 1.755 % (jeweils netto/brutto) berechnet. Dieser Sprung beruht darauf, dass der Wareneinkauf in der 9. Kalenderwoche mit 6.613,68 € netto erheblich höher war als der in der 10. Kalenderwoche mit 837,74 € netto. Gleichwohl hat der Beklagte unterstellt, dass der Kläger die Waren aus der 9. Kalenderwoche bis Sonntag, den 2. März vollständig verbrauchte, so dass nichts davon mehr in der 10. Kalenderwoche eingesetzt worden ist. Tatsächlich hat der Kläger in der 9. Kalenderwoche bereits einen Vorrat für die 10. Kalenderwoche gekauft, um für die Zeit bis Aschermittwoch ausgerüstet zu sein. Aus der Buchführung ergibt sich, dass der Kläger am 25. Februar und am 1. März zusammen 2.500 Liter Kölsch für 4.425 € gekauft hat, während in der 10. Kalenderwoche kein Kölsch bezogen wurde.
Eine Schätzung des Beklagten ist ferner die Behandlung der im Kalenderjahr 2003 zu verzeichnenden Warenbestandserhöhung um 1.391,98 € (4.839,56 € zum 1. Januar und 6.231,54 € zum 31. Dezember). Fest steht nur, dass sie den Wareneinsatz im Kalenderjahr gemindert hat. Es gibt keine betriebsinternen Daten dazu, wie der Vorrat in zeitlicher Hinsicht im Einzelnen zustande gekommen ist. Es ist nicht auszuschließen, dass der Vorrat gerade in den Wochen mit den geringsten Rohgewinnaufschlägen gebildet und in den zehn Wochen mit dem durchschnittlich höchsten Rohgewinnaufschlag dagegen die eingekaufte Ware vollständig verkauft wurde. Die gleichmäßige Verteilung auf 52 Kalenderwochen mit je 26,77 € ist nur eine Annahme des Beklagten, die den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlag in allen Wochen zum Nachteil des Klägers erhöht.
Das Gleiche gilt für Eigenverbrauch, Personalbeköstigung und Warenverderb. Es mag zutreffen, dass die Jahreswerte auf den eigenen Angaben des Klägers beziehungsweise auf den Pauschbeträgen der Finanzverwaltung für unentgeltliche Wertabgaben (vgl. Richtsatzsammlung 2003, BStBl I 2004, 487) beruhen. Das schließt aber nicht aus, dass gerade in den zehn Wochen mit dem durchschnittlich höchsten Rohgewinnaufschlag der Wareneinsatz überhaupt nicht um Eigenverbrauch, Personalbeköstigung und Warenverderb gemindert worden ist. Betriebsinterne Daten dazu liegen nicht vor und brauchten vom Kläger nicht erhoben zu werden.

5. Das vorstehende Problem der Schätzung des Wareneinsatzes durch den Beklagten wird dadurch, dass der Beklagte im Zeitreihenvergleich für die Rohgewinnaufschläge Durchschnittswerte für jeweils zehn Wochen gebildet hat, nicht vollständig ausgeräumt. Das zeigt gerade der vom Beklagten berechnete höchste durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz von 241% (netto/brutto) deutlich. Dies ist der gewogene Durchschnitt aus den Rohgewinnaufschlägen der Wochen 10 bis 19. In diesen Durchschnitt ist der nachweislich unzutreffende Wert der Woche 10 (1.755 % Rohgewinnaufschlagsatz) eingeflossen; der Fehler wirkt zum Nachteil des Klägers fort. Gleichgültig, ob man diesen Wert - wie vom Prüfer des Finanzgerichts im Erörterungstermin vorgeschlagen - „glättet“, in dem 2.700 € Wareneinkauf von der 9. in die 10. Kalenderwoche übertragen werden, oder ob man alle durchschnittlichen Rohgewinnaufschläge, in denen der „Ausreißer“ für die 10. Kalenderwoche enthalten ist, außer Betrag lässt: In beiden Fällen läge der höchste durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz über 10 Wochen deutlich unter den vom Beklagten berechneten 194 % (netto/netto). Dabei ist es ohne Bedeutung, dass der Beklagte für die Schätzung einen geringeren Rohgewinnaufschlagsatz von 180% angesetzt hat. Denn ein noch deutlich niedrigerer durchschnittlicher Aufschlag als die 194 % ergäbe sich zwangsläufig, wenn man die anteiligen Werte für Eigenverbrauch, Personalbeköstigung, Warenverderb sowie die Bestandsveränderung beim Zeitreihenvergleich insgesamt wegließe.

6. Der Senat sieht davon ab, den Zeitreihenvergleich des Beklagten zu berichtigen. Es ist durchaus möglich, dass eine neue Berechnung für das Jahr 2003 an anderer Stelle einen Zeitraum von 10 Wochen aufzeigen würde, in dem der durchschnittliche Rohgewinnaufschlagsatz über den 161 % lt. Jahresabschluss liegt und der Kläger diese Abweichung nicht erklären kann. Das wäre jedenfalls bei einer – wie hier - ordnungsgemäßen Buchführung trotzdem kein Grund, der eine Hinzuschätzung durch den Beklagten rechtfertigen würde. Denn der Steuerpflichtige ist nur verpflichtet, seine im Kalenderjahr tatsächlich erzielten Einnahmen korrekt zu ermitteln. Er muss hingegen nicht rechtfertigen, warum die Einnahmen - insgesamt oder in einzelnen Zeitabschnitten des Jahres - nicht höher gewesen sind.
III. Im Fall des § 158 AO trifft die Finanzbehörde die Feststellungslast dafür, dass das Buchführungsergebnis sachlich unrichtig ist (BFH-Urteile vom 9. August 1991 III R 129/85, BStBl II 1992, 55 und vom 24. Juni 1997 VIII R 9/96, BStBl II 1998, 51). Der Steuergläubiger hat im Allgemeinen die objektive Feststellungslast für Tatsachen, die den Steueranspruch begründen oder ihn – wie hier bei einer Schätzung - erhöhen. Nach § 96 Abs.1 Satz 1 FGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen „Überzeugung". Bloße Zweifel an der Richtigkeit des Buchführungsergebnisses können deshalb nicht ausreichen. Die Unrichtigkeit muss mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit feststehen. Das ist nicht der Fall.

FG Köln, Urteil vom 27.01.2009 - 6 K 3954/07, Juris
 

 

07.06.2009, Dr. Jochen Bachmann

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