FG Kassel: Standby-Zimmer führt nicht zu inländischem Wohnsitz

In dem zu entscheidenden Fall geht es um Flugpersonal mit Hauptwohnsitz im Ausland, das aufgrund dienstlicher Vorschriften dazu verpflichtet ist, im Einzugsbereich des Einsatzortes eine Unterkunft zu nehmen. Dies geschah durch die Anmietung einer "Standby-Wohnung" bzw. eines "Standby-Zimmers", die/das jeweils einer unterschiedlich großen Zahl von Nutzern zur Verfügung steht.

Tatbestand

Der Kl., ein schweizerischer Staatsbürger, ist seit Mai 2001 als Pilot bei D mit Einsatzflughafen F (Hessen) beschäftigt. Seinen Hauptwohnsitz hatte er im Streitzeitraum in Z (Schweiz), wo er seit November 2001 mit seiner Partnerin zusammen lebte. Im Herbst 2002 bezog er- zusammen mit zwei weiteren Piloten (den Zeugen J und A) - ein ca. 12 bis 15 m2 großes "Standby-Zimmer" im Haus der Familie D in M (Hessen), das er bei dienstlichen Aufenthalten in Deutschland aufsuchte. Das geschah vor dem Hintergrund, dass die D von ihren Besatzungsmitgliedern verlangt, den Flugdienst pünktlich und ausgeruht anzutreten. Zu diesem Zweck müssen die Besatzungsmitglieder im Einzugsbereich ihrer Einsatzorte, d. h. in einer maximalen Entfernung von 50 km zum Flughafen, über eine Unterkunft verfügen, wobei hierfür auch ein Hotel ausreichen würde.

Dusche, Toilette und Waschbecken sind in dem in der Kelleretage des Hauses befindlichen" Standby-Zimmer" nicht vorhanden. Dafür stand den drei Piloten ein separates Badezimmer (ebenfalls in der Kelleretage) zur Verfügung, das auch von den Angehörigen der Familie D genutzt wurde. Darüber hinaus sind im Keller-Geschoss Werkstatt Bastelraum, Bügelzimmer, Lagerraum und Heizungsraum der Familie D angesiedelt. Der Kellerbereich ist in sich nicht räumlich abgeschlossen, sondern mündet in das Treppenhaus, von dem aus drei weitere Wohnungen erreichbar sind. Das" Standby-Zimmer" ist mit einem doppelstöckigen Bett, einer Couch, einem Regal, einem Schrank und einem kleinen Tisch möbliert. Diese Einrichtungsgegenstände sind vom Kl. und den beiden anderen Piloten angeschafft worden und nach deren Auszug in dem Zimmer verblieben. Das Zimmer war mit einem Fernseher ausgestattet. Eine Kochgelegenheit sowie ein Kühlschrank waren nicht vor-handen. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht. Der Kl. und die beiden anderen Piloten verfügten jeweils über einen Haustürschlüssel; einen Schlüssel für das" Standby-Zimmer" besaß lediglich der Zeuge J. Sowohl die Tür zwischen Kellerbereich und Treppenhaus als auch die des "Standby-Zimmers" waren stets unverschlossen. Das Zimmer wurde gelegentlich auch für Familien- und Gästebesuche der Familie D genutzt. Als Miete zahlten der Kl. und die anderen beiden Piloten jeweils 50 € im Monat; wobei die Heiz- und sonstigen Nebenkosten vom Vermieter getragen wurden. Eine schriftliche Vereinbarung über die Nutzung gab es nicht. Der Kl. verwahrte in dem Zimmer keine persönlichen Gegenstände. Die Reinigung des Zimmers erfolgt durch die Vermieter. Der Kl. hatte das Zimmer gegenüber seinem Arbeitgeber angegeben und verbrachte dort monatlich im Durchschnitt bis zu drei Nächte. Aufgrund der Tatsache, dass für drei Personen nur zwei Betten zur Verfügung standen, mussten sich die Piloten vor der Nutzung des "Standby-Zimmers", um mögliche Überschneidungen zu vermeiden, untereinander abstimmen.

Nachdem der Kl. zunächst als beschränkt steuerpflichtig behandelt worden war, vertrat der Bekl. (FA) im Anschluss an eine Steuerprüfung die Auffassung, dass er mit dem "Standby-Zimmer" einen Wohnsitz gern. § 8 AO begründet habe und daher in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei.

Gegen die Steuerbescheide, mit denen die entsprechenden Mehrsteuern festgesetzt wurden, hat der Kl. nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

Aus den Gründen:

Die Klage ist begründet.

KI. war in Deutschland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, denn er unterhielt in dem "Standby-Zimmer" keinen inländischen Wohnsitz
Der Wohnsitzbegriff wird in § 8 AO legal definiert. Danach besteht ein Wohnsitz dort, wo jemand eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff unterscheidet sich vom zivilrechtlichen dadurch, dass er nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Stpfl., sondern auf die tatsächliche Gestaltung abstellt und damit an äußere Merkmale anknüpft. Subjektive Momente sind dabei unbeachtlich. Maßgebend sind der objektive Zustand, das Innehaben einer Wohnung und die Umstände, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Ist dieser Zustand objektiv gegeben, ist ein entgegenstehender Wille des Stpfl. unbeachtlich (ständige BFH-Rspr., vgl. Urteile vom 24.4.1964 VI 236/62 U, BFHE 79, 626, BStBl III 1964, 462; vom 23.11.1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182; Beschluss vom 5.11.2001 VI B 219/00, BFH/NV 2002, 311). Das Anknüpfen an objektive Merkmale ist im Hinblick auf § 38 AO geboten. Nach dieser Vorschrift entsteht der Steueranspruch allein dadurch, dass der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird ohne Rücksicht auf subjektive Momente (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 8 AO Tz. 2). Der Steueranspruch entsteht ohne einen darauf gerichteten Willen des Stpfl. Damit sind auch bei Begründung, Beibehaltung oder Aufhebung des Wohnsitzes subjektive Momente unbeachtlich. Soweit in tatsächlicher Hinsicht Zweifel am Vorliegen bestimmter wohnsitzbegründender Umstände bestehen, trägt die Feststellungslast für alle wohnsitzbegründenden Umstände derjenige, der sich auf das Vorhandensein des Wohnsitzes beruft (Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 11, m. w. N.).

Wohnung

Darunter sind Räumlichkeiten zu verstehen, die objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet und bestimmt sind. Sie müssen eine selbständige Lebensführung ermöglichen, also so ausgestattet sein, dass sie ihren Bewohnern eine dauerhafte Bleibe bieten. Es genügt eine bescheidene Bleibe (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 20). Eine abgeschlossene Wohnung i. S. des BewG ist nicht erforderlich (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 23). Darauf, ob die Räumlichkeiten mit eigenen oder fremden Möbeln und Gerätschaften ausgestattet sind, kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 14.11. 1969 III R 95/68, BFHE 97, 425, BStBl II 1970, 153). Es ist nur eine gewisse Mindestausstattung und -größe zu fordern. Dass die zur Verfügung stehende Fläche ein Übernachten ermöglicht, ist nicht ausreichend. Es muss vielmehr möglich sein, in der Räumlichkeit tatsächlich zu wohnen, was ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit voraussetzt (vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 22, m. w. N.).

Die (Mindest-)Anforderungen, die das Gesetz und die dazu ergangene Rspr. an das Vorliegen einer Wohnung knüpfen, werden vorliegend gerade noch erfüllt. Das Zimmer ist mit einer Größe von 12 bis 15 m2 relativ klein bemessen; gleichwohl bietet der Raum ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit, die den Bewohnern ein über das bloße Übernachten hinausgehendes Verweilen ermöglicht. Auch das Fehlen eines eigenen Badezimmers sowie die einfache Ausstattung des Zimmers ändern nichts daran, dass es objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet war.

Entsprechendes gilt für das Fehlen einer Küche bzw. Kochgelegenheit. Zwar wird teilweise in Rspr. (BFH-Urteil vom 2.4. 1997 X R 141/94, BFHE 183, 104, BStBl II 1997, 611; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.5.1985 II (III) 271/82, EFG 1985, 483) und Literatur (Koenig in Pahlke/Koenig, AO, § 8 Rz. 9; Gersch in Klein, AO, § 8 Rz. 2) vertreten, eine Küche bzw. eine Kochgelegenheit sei für das Vorliegen einer Wohnung erforderlich. Insoweit folgt der Senat aber der h. M. (Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 15; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 23; Schwarz, AO, § 8 Rz. 6), die davon ausgeht, dass eine Wohnung i. S. von § 8 AO das Vorhandensein von Küche/Kochgelegenheit nicht zwingend voraussetzt. Zum einen hält der Senat das Merkmal "Kochgelegenheit" für die Bestimmung des Wohnungsbegriffs für ungeeignet. Es ist ohne großen Aufwand kurzfristig möglich - z. B. durch die Aufstellung einer Herdplatte, die an das herkömmliche Stromnetz angeschlossen werden kann oder eines Mikrowellengeräts - eine Kochgelegenheit zu schaffen. Somit hat es der Stpfl. selber in der Hand, für eine Kochgelegenheit zu sorgen oder das nicht zu tun. Von dieser subjektiven Entscheidung darf aber die nach objektiven Kriterien vorzunehmende Beurteilung, ob Räumlichkeiten den Wohnungsbegriff erfüllen, nicht abhängen. Zum anderen ist ein Wohnen auch ohne das eigene Zubereiten von Speisen in der Wohnung denkbar (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 15; Schwarz, AO, § 8 Rz. 6). So kann die Nahrungsaufnahme - wie im Streitfall - auch außer Haus, z. B. im Restaurant, erfolgen. Die (abstrakte) Eignung des Zimmers zu Wohnzwecken zeigt sich auch daran, dass es nunmehr an eine Auszubildende vermietet ist, die den Raum dauerhaft zu Wohnzwecken nutzt. Jedenfalls genügte das Zimmer den Anforderungen an eine bescheidene Bleibe i. S. der o. g. Rspr. Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand des Kl., das "Standby-Zimmer" sei von seiner Art her weit unter dem Niveau, das ein Pilot als Wohnung wählen würde, ins Leere.

Innehaben der Wohnung

Das Innehaben setzt voraus, dass der Stpfl. über die Wohnung jederzeit tatsächlich verfügen kann und er sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch in größeren Zeitabständen, aufsucht (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m. w. N.). Eine Mindestzahl an Aufenthaltstagen im Jahr ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 28.1.2004, IR 56/02, BFH/NV 2004,917); die Nutzung der Wohnung muss jedoch zu Wohnzwecken erfolgen und sie muss in Umfang und Regelmäßigkeit über gewöhnliche Ferien- und Erholungsaufenthalte hinausgehen (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO, § 8 Rz. 27, m. w. N.). Das Innehaben muss unter Umständen geschehen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Maßgebend ist der objektive Zustand, das Innehaben der Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass ihr Inhaber diese Wohnung für seine eigenen Zwecke beibehalten und benutzen wird (BFH-Urteil vom 23.11.2000, VI R 107199, BFHE 193,558, BStBI II 2001, 294). Bei der hiernach erforderlichen Prognoseentscheidung müssen aus den äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten gezogen werden (Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 8 AO Tz. 9).


Im Streitfall fehlt es an einem Innehaben der Wohnung durch den Kl. (…)

Hessisches FG, Urteil vom 12.4.2012 3 K 1061/09 - Revision eingelegt
(Az. des BFH: IR 50/12).
 

 

06.11.2012, Katja Kastaun

In dem zu entscheidenden Fall geht es um Flugpersonal mit Hauptwohnsitz im Ausland, das aufgrund dienstlicher Vorschriften dazu verpflichtet ist, im Einzugsbereich des Einsatzortes eine Unterkunft zu nehmen. Dies geschah durch die Anmietung einer "Standby-Wohnung" bzw. eines "Standby-Zimmers", die/das jeweils einer unterschiedlich großen Zahl von Nutzern zur Verfügung steht.

Tatbestand

Der Kl., ein schweizerischer Staatsbürger, ist seit Mai 2001 als Pilot bei D mit Einsatzflughafen F (Hessen) beschäftigt. Seinen Hauptwohnsitz hatte er im Streitzeitraum in Z (Schweiz), wo er seit November 2001 mit seiner Partnerin zusammen lebte. Im Herbst 2002 bezog er- zusammen mit zwei weiteren Piloten (den Zeugen J und A) - ein ca. 12 bis 15 m2 großes "Standby-Zimmer" im Haus der Familie D in M (Hessen), das er bei dienstlichen Aufenthalten in Deutschland aufsuchte. Das geschah vor dem Hintergrund, dass die D von ihren Besatzungsmitgliedern verlangt, den Flugdienst pünktlich und ausgeruht anzutreten. Zu diesem Zweck müssen die Besatzungsmitglieder im Einzugsbereich ihrer Einsatzorte, d. h. in einer maximalen Entfernung von 50 km zum Flughafen, über eine Unterkunft verfügen, wobei hierfür auch ein Hotel ausreichen würde.

Dusche, Toilette und Waschbecken sind in dem in der Kelleretage des Hauses befindlichen" Standby-Zimmer" nicht vorhanden. Dafür stand den drei Piloten ein separates Badezimmer (ebenfalls in der Kelleretage) zur Verfügung, das auch von den Angehörigen der Familie D genutzt wurde. Darüber hinaus sind im Keller-Geschoss Werkstatt Bastelraum, Bügelzimmer, Lagerraum und Heizungsraum der Familie D angesiedelt. Der Kellerbereich ist in sich nicht räumlich abgeschlossen, sondern mündet in das Treppenhaus, von dem aus drei weitere Wohnungen erreichbar sind. Das" Standby-Zimmer" ist mit einem doppelstöckigen Bett, einer Couch, einem Regal, einem Schrank und einem kleinen Tisch möbliert. Diese Einrichtungsgegenstände sind vom Kl. und den beiden anderen Piloten angeschafft worden und nach deren Auszug in dem Zimmer verblieben. Das Zimmer war mit einem Fernseher ausgestattet. Eine Kochgelegenheit sowie ein Kühlschrank waren nicht vor-handen. Ein schriftlicher Mietvertrag existiert nicht. Der Kl. und die beiden anderen Piloten verfügten jeweils über einen Haustürschlüssel; einen Schlüssel für das" Standby-Zimmer" besaß lediglich der Zeuge J. Sowohl die Tür zwischen Kellerbereich und Treppenhaus als auch die des "Standby-Zimmers" waren stets unverschlossen. Das Zimmer wurde gelegentlich auch für Familien- und Gästebesuche der Familie D genutzt. Als Miete zahlten der Kl. und die anderen beiden Piloten jeweils 50 € im Monat; wobei die Heiz- und sonstigen Nebenkosten vom Vermieter getragen wurden. Eine schriftliche Vereinbarung über die Nutzung gab es nicht. Der Kl. verwahrte in dem Zimmer keine persönlichen Gegenstände. Die Reinigung des Zimmers erfolgt durch die Vermieter. Der Kl. hatte das Zimmer gegenüber seinem Arbeitgeber angegeben und verbrachte dort monatlich im Durchschnitt bis zu drei Nächte. Aufgrund der Tatsache, dass für drei Personen nur zwei Betten zur Verfügung standen, mussten sich die Piloten vor der Nutzung des "Standby-Zimmers", um mögliche Überschneidungen zu vermeiden, untereinander abstimmen.

Nachdem der Kl. zunächst als beschränkt steuerpflichtig behandelt worden war, vertrat der Bekl. (FA) im Anschluss an eine Steuerprüfung die Auffassung, dass er mit dem "Standby-Zimmer" einen Wohnsitz gern. § 8 AO begründet habe und daher in Deutschland unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sei.

Gegen die Steuerbescheide, mit denen die entsprechenden Mehrsteuern festgesetzt wurden, hat der Kl. nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben.

Aus den Gründen:

Die Klage ist begründet.

KI. war in Deutschland nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig, denn er unterhielt in dem "Standby-Zimmer" keinen inländischen Wohnsitz
Der Wohnsitzbegriff wird in § 8 AO legal definiert. Danach besteht ein Wohnsitz dort, wo jemand eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Der steuerrechtliche Wohnsitzbegriff unterscheidet sich vom zivilrechtlichen dadurch, dass er nicht auf den rechtsgeschäftlichen Willen des Stpfl., sondern auf die tatsächliche Gestaltung abstellt und damit an äußere Merkmale anknüpft. Subjektive Momente sind dabei unbeachtlich. Maßgebend sind der objektive Zustand, das Innehaben einer Wohnung und die Umstände, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Ist dieser Zustand objektiv gegeben, ist ein entgegenstehender Wille des Stpfl. unbeachtlich (ständige BFH-Rspr., vgl. Urteile vom 24.4.1964 VI 236/62 U, BFHE 79, 626, BStBl III 1964, 462; vom 23.11.1988 II R 139/87, BFHE 155, 29, BStBl II 1989, 182; Beschluss vom 5.11.2001 VI B 219/00, BFH/NV 2002, 311). Das Anknüpfen an objektive Merkmale ist im Hinblick auf § 38 AO geboten. Nach dieser Vorschrift entsteht der Steueranspruch allein dadurch, dass der gesetzliche Tatbestand verwirklicht wird ohne Rücksicht auf subjektive Momente (vgl. Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 8 AO Tz. 2). Der Steueranspruch entsteht ohne einen darauf gerichteten Willen des Stpfl. Damit sind auch bei Begründung, Beibehaltung oder Aufhebung des Wohnsitzes subjektive Momente unbeachtlich. Soweit in tatsächlicher Hinsicht Zweifel am Vorliegen bestimmter wohnsitzbegründender Umstände bestehen, trägt die Feststellungslast für alle wohnsitzbegründenden Umstände derjenige, der sich auf das Vorhandensein des Wohnsitzes beruft (Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 11, m. w. N.).

Wohnung

Darunter sind Räumlichkeiten zu verstehen, die objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet und bestimmt sind. Sie müssen eine selbständige Lebensführung ermöglichen, also so ausgestattet sein, dass sie ihren Bewohnern eine dauerhafte Bleibe bieten. Es genügt eine bescheidene Bleibe (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 20). Eine abgeschlossene Wohnung i. S. des BewG ist nicht erforderlich (Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 23). Darauf, ob die Räumlichkeiten mit eigenen oder fremden Möbeln und Gerätschaften ausgestattet sind, kommt es nicht an (vgl. BFH-Urteil vom 14.11. 1969 III R 95/68, BFHE 97, 425, BStBl II 1970, 153). Es ist nur eine gewisse Mindestausstattung und -größe zu fordern. Dass die zur Verfügung stehende Fläche ein Übernachten ermöglicht, ist nicht ausreichend. Es muss vielmehr möglich sein, in der Räumlichkeit tatsächlich zu wohnen, was ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit voraussetzt (vgl. Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 22, m. w. N.).

Die (Mindest-)Anforderungen, die das Gesetz und die dazu ergangene Rspr. an das Vorliegen einer Wohnung knüpfen, werden vorliegend gerade noch erfüllt. Das Zimmer ist mit einer Größe von 12 bis 15 m2 relativ klein bemessen; gleichwohl bietet der Raum ein Mindestmaß an Bewegungsfreiheit, die den Bewohnern ein über das bloße Übernachten hinausgehendes Verweilen ermöglicht. Auch das Fehlen eines eigenen Badezimmers sowie die einfache Ausstattung des Zimmers ändern nichts daran, dass es objektiv zum dauerhaften Wohnen geeignet war.

Entsprechendes gilt für das Fehlen einer Küche bzw. Kochgelegenheit. Zwar wird teilweise in Rspr. (BFH-Urteil vom 2.4. 1997 X R 141/94, BFHE 183, 104, BStBl II 1997, 611; FG Baden-Württemberg, Urteil vom 3.5.1985 II (III) 271/82, EFG 1985, 483) und Literatur (Koenig in Pahlke/Koenig, AO, § 8 Rz. 9; Gersch in Klein, AO, § 8 Rz. 2) vertreten, eine Küche bzw. eine Kochgelegenheit sei für das Vorliegen einer Wohnung erforderlich. Insoweit folgt der Senat aber der h. M. (Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 15; Musil in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 8 AO Rz. 23; Schwarz, AO, § 8 Rz. 6), die davon ausgeht, dass eine Wohnung i. S. von § 8 AO das Vorhandensein von Küche/Kochgelegenheit nicht zwingend voraussetzt. Zum einen hält der Senat das Merkmal "Kochgelegenheit" für die Bestimmung des Wohnungsbegriffs für ungeeignet. Es ist ohne großen Aufwand kurzfristig möglich - z. B. durch die Aufstellung einer Herdplatte, die an das herkömmliche Stromnetz angeschlossen werden kann oder eines Mikrowellengeräts - eine Kochgelegenheit zu schaffen. Somit hat es der Stpfl. selber in der Hand, für eine Kochgelegenheit zu sorgen oder das nicht zu tun. Von dieser subjektiven Entscheidung darf aber die nach objektiven Kriterien vorzunehmende Beurteilung, ob Räumlichkeiten den Wohnungsbegriff erfüllen, nicht abhängen. Zum anderen ist ein Wohnen auch ohne das eigene Zubereiten von Speisen in der Wohnung denkbar (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO/FGO, § 8 AO Rz. 15; Schwarz, AO, § 8 Rz. 6). So kann die Nahrungsaufnahme - wie im Streitfall - auch außer Haus, z. B. im Restaurant, erfolgen. Die (abstrakte) Eignung des Zimmers zu Wohnzwecken zeigt sich auch daran, dass es nunmehr an eine Auszubildende vermietet ist, die den Raum dauerhaft zu Wohnzwecken nutzt. Jedenfalls genügte das Zimmer den Anforderungen an eine bescheidene Bleibe i. S. der o. g. Rspr. Vor diesem Hintergrund geht auch der Einwand des Kl., das "Standby-Zimmer" sei von seiner Art her weit unter dem Niveau, das ein Pilot als Wohnung wählen würde, ins Leere.

Innehaben der Wohnung

Das Innehaben setzt voraus, dass der Stpfl. über die Wohnung jederzeit tatsächlich verfügen kann und er sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit, wenn auch in größeren Zeitabständen, aufsucht (BFH-Urteil vom 23.11.2000 VI R 107/99, BFHE 193, 558, BStBl II 2001, 294, m. w. N.). Eine Mindestzahl an Aufenthaltstagen im Jahr ist insoweit nicht erforderlich (vgl. BFH-Urteil vom 28.1.2004, IR 56/02, BFH/NV 2004,917); die Nutzung der Wohnung muss jedoch zu Wohnzwecken erfolgen und sie muss in Umfang und Regelmäßigkeit über gewöhnliche Ferien- und Erholungsaufenthalte hinausgehen (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO, § 8 Rz. 27, m. w. N.). Das Innehaben muss unter Umständen geschehen, die darauf schließen lassen, dass die Wohnung beibehalten und benutzt wird. Maßgebend ist der objektive Zustand, das Innehaben der Wohnung unter Umständen, die den Schluss rechtfertigen, dass ihr Inhaber diese Wohnung für seine eigenen Zwecke beibehalten und benutzen wird (BFH-Urteil vom 23.11.2000, VI R 107199, BFHE 193,558, BStBI II 2001, 294). Bei der hiernach erforderlichen Prognoseentscheidung müssen aus den äußeren objektiven Tatsachen Schlüsse auf das künftige Verhalten gezogen werden (Kruse in Tipke/Kruse, AO/FGO, § 8 AO Tz. 9).


Im Streitfall fehlt es an einem Innehaben der Wohnung durch den Kl. (…)

Hessisches FG, Urteil vom 12.4.2012 3 K 1061/09 - Revision eingelegt
(Az. des BFH: IR 50/12).
 

 

06.11.2012, Katja Kastaun

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