FG Düsseldorf: In dubio pro reo gilt auch im Besteuerungsverfahren

Muss das Finanzamt im Besteuerungsverfahren eine Steuerhinterziehung beweisen oder darf es die Beweislast wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht auf den Steuerpflichtigen überwälzen? Das Finanzgericht Düsseldorf stellt klar, dass der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" auch im Besteuerungsverfahren gilt: Aus den Gründen: Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte die Änderungsbescheide nur erlassen durfte, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerhinterziehung i. S. der §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 370 AO bzw. einer leichtfertigen Steuerverkürzung i. S. der §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 378 AO vorlagen. Diese Tatbestandsvoraussetzungen konnte der Senat nicht feststellen. Der Beklagte hat zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass für die Streitjahre der strafrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ auch im Steuerfestsetzungsverfahren zu beachten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten – auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h. auf ein reduziertes Beweismaß zu stützen und an der oberen Grenze des für den Einzelfall zu beachtenden Schätzungsrahmens auszurichten. Erforderlich ist vielmehr, dass das Finanzamt und das Finanzgericht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt sind. Nicht behebbare tatsächliche Zweifel dürfen deshalb selbst dann nicht im Rahmen der grundsätzlich zulässigen Schätzung des Hinterziehungsbetrages zu Lasten des Steuerpflichten gewürdigt werden, wenn die Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten auf der unterbliebenen Mitwirkung des Steuerpflichtigen beruht (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749). Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass auch bezüglich hinterzogener Kapitaleinkünfte bei Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 90 2 AO von der Existenz bestimmter Tatsachen unter Zugrundelegung eines geringeren als des sonst üblichen Grades an Überzeugung auszugehen sei, erfolgt keine Auseinandersetzung mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“. Die Reduzierung des Beweismaßes auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit steht ebenso wie bei der Schätzung i. S. des § 162 AO auch beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 AO in Widerspruch zu dem Grundsatz „in dubio pro reo“. Für die Annahme einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung ist es erforderlich, dass dem Betroffenen nach den Regeln des Strafverfahrens nachgewiesen wird, dass er die Tat begangen hat. Zu den Regeln des Strafverfahrens gehört zwingend, dass der Beschuldigte die Aussage und jegliche Form von Mitwirkung verweigern darf. Niemand ist verpflichtet, an seiner eigenen Verurteilung mitzuwirken (nemo tenetur se ipsum accusare). FG Düsseldorf: Urteil vom 04.11.2004 - 11 K 2702/02 E

08.03.2005, Dr. Bachmann

Muss das Finanzamt im Besteuerungsverfahren eine Steuerhinterziehung beweisen oder darf es die Beweislast wegen Verletzung der Mitwirkungspflicht auf den Steuerpflichtigen überwälzen? Das Finanzgericht Düsseldorf stellt klar, dass der Grundsatz "Im Zweifel für den Angeklagten" auch im Besteuerungsverfahren gilt: Aus den Gründen: Die Beteiligten gehen zu Recht übereinstimmend davon aus, dass der Beklagte die Änderungsbescheide nur erlassen durfte, wenn die Tatbestandsvoraussetzungen einer Steuerhinterziehung i. S. der §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 370 AO bzw. einer leichtfertigen Steuerverkürzung i. S. der §§ 169 Abs. 2 Satz 2, 378 AO vorlagen. Diese Tatbestandsvoraussetzungen konnte der Senat nicht feststellen. Der Beklagte hat zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass für die Streitjahre der strafrechtliche Grundsatz „in dubio pro reo“ zu beachten ist. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der sich der Senat anschließt, ist der Grundsatz „in dubio pro reo“ auch im Steuerfestsetzungsverfahren zu beachten. Dieser Grundsatz schließt es aus, die Schätzung der hinterzogenen Steuern – entsprechend den allgemeinen Grundsätzen im Falle der Verletzung von Mitwirkungspflichten – auf Wahrscheinlichkeitserwägungen, d. h. auf ein reduziertes Beweismaß zu stützen und an der oberen Grenze des für den Einzelfall zu beachtenden Schätzungsrahmens auszurichten. Erforderlich ist vielmehr, dass das Finanzamt und das Finanzgericht auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe der Steuerhinterziehung überzeugt sind. Nicht behebbare tatsächliche Zweifel dürfen deshalb selbst dann nicht im Rahmen der grundsätzlich zulässigen Schätzung des Hinterziehungsbetrages zu Lasten des Steuerpflichten gewürdigt werden, wenn die Unsicherheit hinsichtlich der tatsächlichen Gegebenheiten auf der unterbliebenen Mitwirkung des Steuerpflichtigen beruht (vgl. BFH-Urteil vom 29. Januar 2002 VIII B 91/01, BFH/NV 2002, 749). Soweit in der finanzgerichtlichen Rechtsprechung davon ausgegangen wird, dass auch bezüglich hinterzogener Kapitaleinkünfte bei Verletzung der Mitwirkungspflicht gemäß § 90 2 AO von der Existenz bestimmter Tatsachen unter Zugrundelegung eines geringeren als des sonst üblichen Grades an Überzeugung auszugehen sei, erfolgt keine Auseinandersetzung mit dem Grundsatz „in dubio pro reo“. Die Reduzierung des Beweismaßes auf eine gewisse Wahrscheinlichkeit steht ebenso wie bei der Schätzung i. S. des § 162 AO auch beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 90 Abs. 2 AO in Widerspruch zu dem Grundsatz „in dubio pro reo“. Für die Annahme einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung ist es erforderlich, dass dem Betroffenen nach den Regeln des Strafverfahrens nachgewiesen wird, dass er die Tat begangen hat. Zu den Regeln des Strafverfahrens gehört zwingend, dass der Beschuldigte die Aussage und jegliche Form von Mitwirkung verweigern darf. Niemand ist verpflichtet, an seiner eigenen Verurteilung mitzuwirken (nemo tenetur se ipsum accusare). FG Düsseldorf: Urteil vom 04.11.2004 - 11 K 2702/02 E

08.03.2005, Dr. Bachmann

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