BVerfG: Durchsuchung der Geschäftsräume einer GmbH

BVerfG, Beschluss vom 10.01.18, 2 BvR 2993/14: Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen ohne hinreichenden Tatverdacht verletzt Art 13 Abs 1 GG - Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme bei unzureichender Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen von Ermittlungen wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung - Verfassungsbeschwerde teils mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

 

Orientierungssatz

1a. Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG) zum Zwecke der Strafverfolgung ist der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl BVerfG, 09.02.2005, 2 BvR 1108/03, BVerfGK 5, 84 <88>). Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind (vgl BVerfG, 29.04.2007, 2 BvR 2601/06, BVerfGK 11, 88 <92>). (Rn.24)

1b. Der Erheblichkeit des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht des Weiteren ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE 115, 166 <197>). Hieran fehlt es, wenn nahe liegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts steht (BVerfGK 11, 88 <92>). (Rn.25)

1c. Vorliegend war der Grad des Verdachts einer Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs 4 InsO) so schwach, dass sich die Anordnung einer Durchsuchung als unverhältnismäßig darstellt. Insb fehlten nähere Erkenntnisse zu den finanziellen Verhältnissen der betroffenen GmbH. Insoweit standen grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen zahlreich zur Verfügung und waren ohne großen Aufwand zu bewerkstelligen (wird unter Hinweis ua auf Möglichkeit der Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis und in publizierte Jahresabschlüsse ausgeführt). (Rn.26) (Rn.29) (Rn.31)

2. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis teilweise unzulässig, soweit die Durchsuchung nicht nur die Privatwohnung und das persönliche Büro des beschwerdeführenden GmbH-Geschäftsführers betraf, sondern auch die übrigen Räume der GmbH. Der Verfassungsbeschwerde ist nicht zu entnehmen, dass sie auch im Namen der GmbH erhoben werden soll. Eine Beschwerdeberechtigung von Privatpersonen bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen einer juristischen Person besteht nur, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (vgl BVerfG, 20.02.2001, 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142 <150>; BVerfG, 16.04.2015, 2 BvR 2279/13 <Rn 14>). (Rn.20) (Rn.21)

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 10.01.18, 2 BvR 2993/14, juris

BVerfG, Beschluss vom 10.01.18, 2 BvR 2993/14: Durchsuchung von Wohn- und Geschäftsräumen ohne hinreichenden Tatverdacht verletzt Art 13 Abs 1 GG - Unverhältnismäßigkeit der Maßnahme bei unzureichender Aufklärung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Rahmen von Ermittlungen wegen Verdachts auf Insolvenzverschleppung - Verfassungsbeschwerde teils mangels Beschwerdebefugnis unzulässig.

 

Orientierungssatz

1a. Zur Rechtfertigung eines Eingriffs in die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art 13 GG) zum Zwecke der Strafverfolgung ist der Verdacht erforderlich, dass eine Straftat begangen wurde. Dieser Anfangsverdacht muss auf konkreten Tatsachen beruhen; vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen reichen nicht aus (vgl BVerfG, 09.02.2005, 2 BvR 1108/03, BVerfGK 5, 84 <88>). Eine Durchsuchung darf somit nicht der Ermittlung von Tatsachen dienen, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erst erforderlich sind (vgl BVerfG, 29.04.2007, 2 BvR 2601/06, BVerfGK 11, 88 <92>). (Rn.24)

1b. Der Erheblichkeit des Eingriffs in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Betroffenen entspricht des Weiteren ein besonderes Rechtfertigungsbedürfnis nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl BVerfGE 115, 166 <197>). Hieran fehlt es, wenn nahe liegende grundrechtsschonende Ermittlungsmaßnahmen ohne greifbare Gründe unterbleiben oder zurückgestellt werden und die vorgenommene Maßnahme außer Verhältnis zur Stärke des in diesem Verfahrensabschnitt vorliegenden Tatverdachts steht (BVerfGK 11, 88 <92>). (Rn.25)

1c. Vorliegend war der Grad des Verdachts einer Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs 4 InsO) so schwach, dass sich die Anordnung einer Durchsuchung als unverhältnismäßig darstellt. Insb fehlten nähere Erkenntnisse zu den finanziellen Verhältnissen der betroffenen GmbH. Insoweit standen grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen zahlreich zur Verfügung und waren ohne großen Aufwand zu bewerkstelligen (wird unter Hinweis ua auf Möglichkeit der Einsichtnahme in das Schuldnerverzeichnis und in publizierte Jahresabschlüsse ausgeführt). (Rn.26) (Rn.29) (Rn.31)

2. Die Verfassungsbeschwerde ist mangels Beschwerdebefugnis teilweise unzulässig, soweit die Durchsuchung nicht nur die Privatwohnung und das persönliche Büro des beschwerdeführenden GmbH-Geschäftsführers betraf, sondern auch die übrigen Räume der GmbH. Der Verfassungsbeschwerde ist nicht zu entnehmen, dass sie auch im Namen der GmbH erhoben werden soll. Eine Beschwerdeberechtigung von Privatpersonen bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen einer juristischen Person besteht nur, wenn und soweit die Räumlichkeiten der Privatsphäre der natürlichen Person zuzuordnen sind (vgl BVerfG, 20.02.2001, 2 BvR 1444/00, BVerfGE 103, 142 <150>; BVerfG, 16.04.2015, 2 BvR 2279/13 <Rn 14>). (Rn.20) (Rn.21)

Quelle: BVerfG, Beschluss vom 10.01.18, 2 BvR 2993/14, juris

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