BGH: Abgabe falscher Steuererklärung und Unterlassung der Berichtigung einer Steuererklärung

Der BGH hat den Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung aufgehoben, weil das Landgericht nicht geprüft hatte, ob der Beschuldigte, dem die vorsätzliche Abgabe einer falschen Steuererklärung nicht nachgewiesen worden war, dann nicht jedenfalls die Korrektur der falschen Erklärung vorsätzlich unterlassen hatte. Diese Verpflichtung hätte das LG allerdings nur, wenn die unterlassene Korrektur prozessual als dieselbe Tat wie das angeklagte Verhalten gilt. Dies bejaht der BGH: Aus den Gründen Der Freispruch in diesem Fall kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen aufgrund unterlassener Berichtigung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) – unter der Prämisse des Landgerichts, dass der Angeklagte nicht nachweislich vorsätzlich an der Steuerhinterziehung des R. mitgewirkt habe – mit einer noch deutlich kargeren Beweiswürdigung verneint hat (UA S. 37 f.), die aus denselben Gründen unzulänglich ist. Entgegen der gegenteiligen Neigung des Landgerichts (UA S. 39) umfasst der von der Anklage beschriebene Lebenssachverhalt auch den Umstand, dass der Angeklagte die von R. beim Finanzamt eingereichte Erbschaftsteuererklärung nicht nachträglich berichtigt hat. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (§ 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Die von R. beim Finanzamt eingereichte Steuererklärung war jedenfalls auch für den Angeklagten im Sinne des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG abgegeben. Denn als Erbe war er gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Steuerschuldner. Dem Umstand, dass das Finanzamt von der Möglichkeit, von dem Angeklagten eine Mitunterzeichnung der Steuererklärung zu verlangen (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG), keinen Gebrauch gemacht hat, kommt für die Frage der Berichtigungspflicht keine Bedeutung zu. Die Frage, ob der Angeklagte die von R. abgegebene Erbschaftsteuererklärung nachträglich hätte berichtigen müssen, bezieht sich unmittelbar auf den im Anklagesatz geschilderten Sachverhalt und betrifft daher ein- und dieselbe Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO); zu dem mit der Anklage dem Tatrichter unterbreiteten historischen Lebensvorgang gehört somit auch die unterlassene Berichtigung einer gegebenenfalls nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch den Eröffnungsbeschluss bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGHSt 45, 211, 212). Zwar ist die Pflicht zur Berichtigung von Erklärungen im Sinne von § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine von der Primärpflicht zur Abgabe einer inhaltlich zutreffenden Steuererklärung unabhängige eigenständige Pflicht, die erst dann entsteht, wenn ein Steuerpflichtiger nachträglich erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Der Umstand, dass es sich um unterschiedliche Pflichten handelt, steht aber hier der Zuordnung der unterlassenen Berichtigung zu dem von der Anklage geschilderten Geschehen als einem einheitlichen historischen Vorgang nicht entgegen. Freilich bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbständige Handlungen nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden wird (st. Rspr.; vgl. BGHSt 49, 359, 362; 29, 288, 292 f.). Insbesondere für das Verhältnis von Diebstahl und Hehlerei ist anerkannt, dass auch bei sich rechtlich oder tatsächlich wechselseitig ausschließenden Straftatbeständen die für die Annahme eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorgangs erforderliche innere Verknüpfung zweier zeitlich und räumlich getrennter Vorgänge vorliegen kann, wenn die in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Handlung konkretisierte Straftat Grundlage für die Verurteilung wegen der anderen Straftat bildet. Denn in einem solchen Fall hat der Tatrichter im Hinblick auf denselben Gegenstand die vorangegangene Tat zu erörtern und sie nach Ort, Zeit und anderen Umständen einzugrenzen (vgl. BGHSt 35, 172, 174; BGH NStZ 1999, 523, 524). Im Verhältnis von Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) wegen Nichtberichtigung der nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung gilt nichts anderes. Zum einen beziehen sich beide Tatvarianten auf denselben Steueranspruch; zum anderen kann der Tatrichter nur dann prüfen, ob eine Berichtigungspflicht gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestanden hat, wenn er geklärt hat, ob sich der Angeklagte wegen einer nach Ort, Zeit und konkretem Steueranspruch eingegrenzten Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Hierin liegt der innere Zusammenhang, der die zwei getrennten Vorgänge zu einem einheitlichen geschichtlichen Lebenssachverhalt verbindet. Der Umstand, dass beide Vorgänge zeitlich weit auseinander liegen können, steht der Annahme einer einheitlichen Tat im prozessualen Sinn nicht entgegen (vgl. auch BGHSt 38, 37, 40). Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.07– 5 StR 213/07

29.10.2007, Dr. Bachmann

Der BGH hat den Freispruch vom Vorwurf der Steuerhinterziehung aufgehoben, weil das Landgericht nicht geprüft hatte, ob der Beschuldigte, dem die vorsätzliche Abgabe einer falschen Steuererklärung nicht nachgewiesen worden war, dann nicht jedenfalls die Korrektur der falschen Erklärung vorsätzlich unterlassen hatte. Diese Verpflichtung hätte das LG allerdings nur, wenn die unterlassene Korrektur prozessual als dieselbe Tat wie das angeklagte Verhalten gilt. Dies bejaht der BGH: Aus den Gründen Der Freispruch in diesem Fall kann auch deshalb keinen Bestand haben, weil das Landgericht eine Strafbarkeit des Angeklagten wegen Steuerhinterziehung durch Unterlassen aufgrund unterlassener Berichtigung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO) – unter der Prämisse des Landgerichts, dass der Angeklagte nicht nachweislich vorsätzlich an der Steuerhinterziehung des R. mitgewirkt habe – mit einer noch deutlich kargeren Beweiswürdigung verneint hat (UA S. 37 f.), die aus denselben Gründen unzulänglich ist. Entgegen der gegenteiligen Neigung des Landgerichts (UA S. 39) umfasst der von der Anklage beschriebene Lebenssachverhalt auch den Umstand, dass der Angeklagte die von R. beim Finanzamt eingereichte Erbschaftsteuererklärung nicht nachträglich berichtigt hat. Erkennt ein Steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Steuererklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen (§ 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO). Die von R. beim Finanzamt eingereichte Steuererklärung war jedenfalls auch für den Angeklagten im Sinne des § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO i.V.m. § 31 Abs. 5 Satz 1 ErbStG abgegeben. Denn als Erbe war er gemäß § 20 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 3 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG Steuerschuldner. Dem Umstand, dass das Finanzamt von der Möglichkeit, von dem Angeklagten eine Mitunterzeichnung der Steuererklärung zu verlangen (§ 31 Abs. 5 Satz 2 ErbStG), keinen Gebrauch gemacht hat, kommt für die Frage der Berichtigungspflicht keine Bedeutung zu. Die Frage, ob der Angeklagte die von R. abgegebene Erbschaftsteuererklärung nachträglich hätte berichtigen müssen, bezieht sich unmittelbar auf den im Anklagesatz geschilderten Sachverhalt und betrifft daher ein- und dieselbe Tat im prozessualen Sinn (§ 264 StPO); zu dem mit der Anklage dem Tatrichter unterbreiteten historischen Lebensvorgang gehört somit auch die unterlassene Berichtigung einer gegebenenfalls nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO). Der verfahrensrechtliche Tatbegriff umfasst das gesamte Verhalten des Angeklagten, soweit es mit dem durch den Eröffnungsbeschluss bezeichneten geschichtlichen Vorkommnis nach der Auffassung des Lebens einen einheitlichen Vorgang bildet (BGHSt 45, 211, 212). Zwar ist die Pflicht zur Berichtigung von Erklärungen im Sinne von § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO eine von der Primärpflicht zur Abgabe einer inhaltlich zutreffenden Steuererklärung unabhängige eigenständige Pflicht, die erst dann entsteht, wenn ein Steuerpflichtiger nachträglich erkennt, dass eine von ihm oder für ihn abgegebene Erklärung unrichtig oder unvollständig ist und dass es dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist. Der Umstand, dass es sich um unterschiedliche Pflichten handelt, steht aber hier der Zuordnung der unterlassenen Berichtigung zu dem von der Anklage geschilderten Geschehen als einem einheitlichen historischen Vorgang nicht entgegen. Freilich bilden mehrere im Sinne von § 53 StGB sachlichrechtlich selbständige Handlungen nur dann eine einheitliche prozessuale Tat, wenn die einzelnen Handlungen nicht nur äußerlich ineinander übergehen, sondern wegen der ihnen zugrunde liegenden Vorkommnisse unter Berücksichtigung ihrer strafrechtlichen Bedeutung auch innerlich derart miteinander verknüpft sind, dass der Unrechts- und Schuldgehalt der einen Handlung nicht ohne die Umstände, die zu der anderen Handlung geführt haben, richtig gewürdigt werden kann und ihre getrennte Würdigung und Aburteilung als unnatürliche Aufspaltung eines einheitlichen Lebensvorgangs empfunden wird (st. Rspr.; vgl. BGHSt 49, 359, 362; 29, 288, 292 f.). Insbesondere für das Verhältnis von Diebstahl und Hehlerei ist anerkannt, dass auch bei sich rechtlich oder tatsächlich wechselseitig ausschließenden Straftatbeständen die für die Annahme eines einheitlichen geschichtlichen Lebensvorgangs erforderliche innere Verknüpfung zweier zeitlich und räumlich getrennter Vorgänge vorliegen kann, wenn die in der Anklage nach Objekt, Ort und Zeit der Handlung konkretisierte Straftat Grundlage für die Verurteilung wegen der anderen Straftat bildet. Denn in einem solchen Fall hat der Tatrichter im Hinblick auf denselben Gegenstand die vorangegangene Tat zu erörtern und sie nach Ort, Zeit und anderen Umständen einzugrenzen (vgl. BGHSt 35, 172, 174; BGH NStZ 1999, 523, 524). Im Verhältnis von Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) durch Abgabe einer unrichtigen Steuererklärung zu einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) wegen Nichtberichtigung der nachträglich als unrichtig erkannten Steuererklärung gilt nichts anderes. Zum einen beziehen sich beide Tatvarianten auf denselben Steueranspruch; zum anderen kann der Tatrichter nur dann prüfen, ob eine Berichtigungspflicht gemäß § 153 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO bestanden hat, wenn er geklärt hat, ob sich der Angeklagte wegen einer nach Ort, Zeit und konkretem Steueranspruch eingegrenzten Steuerhinterziehung strafbar gemacht hat. Hierin liegt der innere Zusammenhang, der die zwei getrennten Vorgänge zu einem einheitlichen geschichtlichen Lebenssachverhalt verbindet. Der Umstand, dass beide Vorgänge zeitlich weit auseinander liegen können, steht der Annahme einer einheitlichen Tat im prozessualen Sinn nicht entgegen (vgl. auch BGHSt 38, 37, 40). Bundesgerichtshof, Urteil vom 11.09.07– 5 StR 213/07

29.10.2007, Dr. Bachmann

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