BFH: Zahlungen aufgrund einer Haftungsinanspruchnahme als Werbungskosten

Zahlungen aufgrund einer Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Dritter können bei einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer zu Erwerbsaufwendungen führen. Aus den Gründen: Zahlungen aufgrund einer Haftung (§ 71 i.V.m. § 191 AO 1977) wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Dritter können bei einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer als Erwerbsaufwendungen anzuerkennen sein. Entgegen der Ansicht des FG sind Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, nicht ohne weiteres der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen. Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, zu Unfallkosten bei einem bewussten und leichtfertigen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften) können auch schuldhaft verursachte Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen sein. In diesen Fällen ist nicht stets die private Lebensführung des Steuerpflichtigen betroffen. Nach Ansicht des Großen Senats sind - für die Einordnung von Aufwendungen diesseits oder jenseits der Grenze des § 12 Nr. 1 EStG - auf das Verschulden, die Strafbarkeit oder das moralische Verhalten des Steuerpflichtigen abzielende Wertungen ungeeignet, weil die Besteuerung sich grundsätzlich wertungsindifferent nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richtet. Dementsprechend können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten oder Betriebsausgaben sowie Betriebsschulden bzw. Rückstellungen i.S. der § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 des Handelsgesetzbuchs (HGB) führen. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die - die Aufwendungen auslösenden - schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze können auch auf Haftungsbescheide nach § 71 i.V.m. § 191 AO 1977 geleistete Zahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH als Erwerbsaufwendungen abziehbar sein, wenn sich die deliktische Pflichtverletzung (noch) innerhalb der einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre bewegt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach den Feststellungen des Strafurteils, auf das in der Vorentscheidung ausdrücklich Bezug genommen wird, ist die Initiative zu den Schwarzeinkäufen regelmäßig von den Einzelhändlern (Wiederverkäufern) ausgegangen. Der Kläger ist deren rechtswidrigen Ansinnen, sog. Barverkaufsrechnungen zu erteilen, deshalb nachgekommen, um Umsatzeinbußen zu Lasten der GmbH zu vermeiden bzw. der bestehenden Konkurrenzsituation zwischen der GmbH und den übrigen Großhandelsbetrieben standzuhalten. Zugunsten des Klägers hat das LG zum einen berücksichtigt, dass dieser zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit die bezeichnete rechtswidrige Handhabung sowohl im Betrieb der GmbH selbst als auch als übliche Praxis in der Lebensmittelbranche vorgefunden hat. Zum anderen wurde dem Kläger zugute gehalten, dass er aus seinem unrechtmäßigen Verhalten selbst keinen eigenen Vorteil gezogen hatte; vielmehr wurden die Schwarzumsätze bei der GmbH ordnungsgemäß versteuert. Nach den tatsächlichen Feststellungen des in Bezug genommenen Strafurteils erstreckten sich die wirtschaftlichen Vorteile ausschließlich auf den Erhalt und Ausbau des Kundenstammes der GmbH. Das FG hat im Übrigen verkannt, dass ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht nach § 144 AO 1977 - für deren Erfüllung der Geschäftsführer einer GmbH nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu sorgen hat - sich regelmäßig innerhalb des Einkunftserzielungsbereichs vollzieht. Die private Lebensführung kann in einem solchen Fall ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht betroffen sein. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann nicht angenommen werden, die Zahlungen des Klägers stünden mit seiner privaten Lebensführung im wirtschaftlichen Zusammenhang. Die strafbaren, die Haftungsinanspruchnahme auslösenden Handlungen des Klägers lagen vielmehr eindeutig im Rahmen seiner betrieblichen/beruflichen Zielvorstellungen. Einer Berücksichtigung der Zahlungen als Erwerbsaufwendungen stehen auch Sinn und Zweck der Haftung nach § 71 AO 1977 nicht entgegen. Eine derartige Haftung stellt keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten dar, sondern soll allein den durch die Hinterziehungshandlung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen. Entgegen der Ansicht des FA unterscheidet sich § 71 AO 1977 insoweit nicht von der Haftungsnorm des § 69 AO 1977, die ebenfalls Schadensersatzcharakter hat. Gesetzliche Abzugsverbote für die vorliegenden erwerbsbedingten Aufwendungen greifen nicht ein. Im Streitfall ist weder die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG noch die der Nr. 8a EStG einschlägig. Diese beiden - aufgrund § 9 Abs. 5 EStG mit Wirkung ab 1992 auch bei den Überschusseinkünften anzuwendenden - Abzugsverbote erstrecken sich nicht auf Haftungen für fremde Steuerschulden und zwar auch nicht, soweit sich die Haftung auf Hinterziehungszinsen bezieht. Bundesfinanzhof, Urteil v. 09.12.2003, VI R 35/96, Betriebsberater 2004, 1149

29.06.2004, Kastaun

Zahlungen aufgrund einer Haftung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Dritter können bei einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer zu Erwerbsaufwendungen führen. Aus den Gründen: Zahlungen aufgrund einer Haftung (§ 71 i.V.m. § 191 AO 1977) wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung Dritter können bei einem GmbH-Gesellschafter-Geschäftsführer als Erwerbsaufwendungen anzuerkennen sein. Entgegen der Ansicht des FG sind Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, nicht ohne weiteres der privaten Lebensführung i.S. des § 12 Nr. 1 EStG zuzuordnen. Nach der Entscheidung des Großen Senats des BFH vom 28. November 1977 GrS 2-3/77 (BFHE 124, 43, BStBl II 1978, 105, zu Unfallkosten bei einem bewussten und leichtfertigen Verstoß gegen Verkehrsvorschriften) können auch schuldhaft verursachte Aufwendungen als Erwerbsaufwendungen zu berücksichtigen sein. In diesen Fällen ist nicht stets die private Lebensführung des Steuerpflichtigen betroffen. Nach Ansicht des Großen Senats sind - für die Einordnung von Aufwendungen diesseits oder jenseits der Grenze des § 12 Nr. 1 EStG - auf das Verschulden, die Strafbarkeit oder das moralische Verhalten des Steuerpflichtigen abzielende Wertungen ungeeignet, weil die Besteuerung sich grundsätzlich wertungsindifferent nur nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit richtet. Dementsprechend können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer betrieblichen oder beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten oder Betriebsausgaben sowie Betriebsschulden bzw. Rückstellungen i.S. der § 5 Abs. 1 EStG i.V.m. § 249 des Handelsgesetzbuchs (HGB) führen. Die Annahme von Erwerbsaufwendungen setzt in diesen Fällen allerdings voraus, dass die - die Aufwendungen auslösenden - schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der betrieblichen oder beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den betrieblichen oder beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat. Unter Berücksichtigung dieser Rechtsgrundsätze können auch auf Haftungsbescheide nach § 71 i.V.m. § 191 AO 1977 geleistete Zahlungen eines Gesellschafter-Geschäftsführers einer GmbH als Erwerbsaufwendungen abziehbar sein, wenn sich die deliktische Pflichtverletzung (noch) innerhalb der einkommensteuerlich relevanten Erwerbssphäre bewegt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Nach den Feststellungen des Strafurteils, auf das in der Vorentscheidung ausdrücklich Bezug genommen wird, ist die Initiative zu den Schwarzeinkäufen regelmäßig von den Einzelhändlern (Wiederverkäufern) ausgegangen. Der Kläger ist deren rechtswidrigen Ansinnen, sog. Barverkaufsrechnungen zu erteilen, deshalb nachgekommen, um Umsatzeinbußen zu Lasten der GmbH zu vermeiden bzw. der bestehenden Konkurrenzsituation zwischen der GmbH und den übrigen Großhandelsbetrieben standzuhalten. Zugunsten des Klägers hat das LG zum einen berücksichtigt, dass dieser zu Beginn seiner beruflichen Tätigkeit die bezeichnete rechtswidrige Handhabung sowohl im Betrieb der GmbH selbst als auch als übliche Praxis in der Lebensmittelbranche vorgefunden hat. Zum anderen wurde dem Kläger zugute gehalten, dass er aus seinem unrechtmäßigen Verhalten selbst keinen eigenen Vorteil gezogen hatte; vielmehr wurden die Schwarzumsätze bei der GmbH ordnungsgemäß versteuert. Nach den tatsächlichen Feststellungen des in Bezug genommenen Strafurteils erstreckten sich die wirtschaftlichen Vorteile ausschließlich auf den Erhalt und Ausbau des Kundenstammes der GmbH. Das FG hat im Übrigen verkannt, dass ein Verstoß gegen die Aufzeichnungspflicht nach § 144 AO 1977 - für deren Erfüllung der Geschäftsführer einer GmbH nach § 34 Abs. 1 AO 1977 i.V.m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) zu sorgen hat - sich regelmäßig innerhalb des Einkunftserzielungsbereichs vollzieht. Die private Lebensführung kann in einem solchen Fall ohne das Hinzutreten weiterer Umstände nicht betroffen sein. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann nicht angenommen werden, die Zahlungen des Klägers stünden mit seiner privaten Lebensführung im wirtschaftlichen Zusammenhang. Die strafbaren, die Haftungsinanspruchnahme auslösenden Handlungen des Klägers lagen vielmehr eindeutig im Rahmen seiner betrieblichen/beruflichen Zielvorstellungen. Einer Berücksichtigung der Zahlungen als Erwerbsaufwendungen stehen auch Sinn und Zweck der Haftung nach § 71 AO 1977 nicht entgegen. Eine derartige Haftung stellt keine zusätzliche Strafsanktion für steuerunehrliches Verhalten dar, sondern soll allein den durch die Hinterziehungshandlung verursachten Vermögensschaden des Fiskus ausgleichen. Entgegen der Ansicht des FA unterscheidet sich § 71 AO 1977 insoweit nicht von der Haftungsnorm des § 69 AO 1977, die ebenfalls Schadensersatzcharakter hat. Gesetzliche Abzugsverbote für die vorliegenden erwerbsbedingten Aufwendungen greifen nicht ein. Im Streitfall ist weder die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Nr. 8 EStG noch die der Nr. 8a EStG einschlägig. Diese beiden - aufgrund § 9 Abs. 5 EStG mit Wirkung ab 1992 auch bei den Überschusseinkünften anzuwendenden - Abzugsverbote erstrecken sich nicht auf Haftungen für fremde Steuerschulden und zwar auch nicht, soweit sich die Haftung auf Hinterziehungszinsen bezieht. Bundesfinanzhof, Urteil v. 09.12.2003, VI R 35/96, Betriebsberater 2004, 1149

29.06.2004, Kastaun

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