BFH: StraBEG: Sperrwirkung wegen Erscheinens eines Amtsträgers bei Prüfung an Amtsstelle

Leitsätze
Auch bei Prüfungen an Amtsstelle ist der Ausschluss der Strafbefreiung oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Der Amtsträger (hier: Prüfer) "erscheint" beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im FA ein persönlicher Kontakt stattfindet, der nach außen erkennbar macht, dass der Amtsträger mit der Außenprüfung beginnt .

Aus den Gründen

1. Gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG ist die mit Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit nach diesem Gesetz keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Das ist im Streitfall zu bejahen. Zwar hat der Kläger am 31. März 2004 eine strafbefreiende Erklärung eingereicht. Nach § 7 StraBEG tritt die Straf- oder Bußgeldfreiheit jedoch nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Norm oder einer Handlung i.S. des § 6 des Gesetzes bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Diese Regelung entspricht trotz des nicht vollständig übereinstimmenden Wortlauts derjenigen in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO zum Befreiungsausschluss bei Selbstanzeige, weshalb Rechtsprechungserkenntnisse und Literaturmeinungen zu jener Vorschrift bei der Auslegung des § 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG herangezogen werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Juni 2007 VIII R 99/04, BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, m.w.N.).

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass ein Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" eine entsprechende Prüfungsanordnung voraussetzt. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen. Die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG kann außerdem nur durch ein Erscheinen eines Betriebsprüfers herbeigeführt werden, wobei das Gesetz aus Gründen der Beweisklarheit als entscheidendes Kriterium auf das leicht feststellbare physische Erscheinen des Prüfers.

b) Nach Auffassung des Senats ist auch bei Prüfungen an Amtsstelle der Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Zwar tritt nach dem Wortlaut der Norm Straf- oder Bußgeldfreiheit nur dann nicht ein, "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6 bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ...". Daraus kann indes nicht gefolgert werden, die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG komme nur in Betracht, wenn ein Betriebsprüfer die Wohn- oder Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters aufsucht, nicht aber bei einer Prüfung an Amtsstelle. Eine solche Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck. Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2928) wollte der Gesetzgeber denjenigen, die in der Vergangenheit Steuern verkürzt haben, Gelegenheit geben, durch Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und Entrichtung einer pauschalen, als Einkommensteuer geltenden Abgabe Strafbefreiung oder Befreiung von Geldbußen erlangen zu können (sog. "Brücke in die Steuerehrlichkeit“). Gerade mit Blick auf das Institut der Selbstanzeige nach § 371 AO wurde die ursprünglich in § 7 des Gesetzentwurfs vorgesehene Sperrwirkungsregelung aber deutlich enger gefasst und hat letztlich die nunmehr gültige Fassung erhalten, die --ähnlich wie § 371 AO-- eine Sperrwirkung bei Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde vor Eingang der strafbefreienden Erklärung vorsieht.

Mit der Formulierung "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ... bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ..." macht der Gesetzgeber deutlich, dass Steuerpflichtige, die ihren steuerlichen Pflichten zuvor nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sind, nicht unbegrenzt Zeit haben sollen, die sog. "Brücke in die Steuerehrlichkeit" zu beschreiten. Vielmehr wird diese Möglichkeit genommen, wenn ein Prüfer sich anlässlich einer Außenprüfung im Einzelnen mit den steuerlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen befasst. Insoweit bestehen Parallelen zu § 371 AO, der Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung u.a. versagt, wenn vor Abgabe der Selbstanzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Zur steuerlichen Prüfung erscheint ein Amtsträger in der Regel beim Steuerpflichtigen, d.h. in dessen Wohn- oder Geschäftsräumen. Da der Prüfer die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer maßgebend sind, umfassend prüfen muss (vgl. § 199 Abs. 1 AO) und der Steuerpflichtige insoweit mitwirkungspflichtig ist und demgemäß die Pflicht hat, Bücher, Aufzeichnungen etc. zur Einsicht und Prüfung vorzulegen (vgl. § 200 Abs. 1 AO), hat der Gesetzgeber in § 200 Abs. 2 AO verfügt, dass diese Unterlagen grundsätzlich in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen vorzulegen sind, wobei dem Prüfer sogar ein geeigneter Raum und Arbeitsplatz unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist. Der Vorrang der Geschäftsräume folgt aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 AO und aus dem Zweck der Außenprüfung; daher kommt eine Prüfung in den Wohnräumen oder an Amtsstelle nur in Betracht, wenn die Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen nicht möglich ist (vgl. § 200 Abs. 2 AO).

Dieser Entscheidung des Gesetzgebers trägt auch § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG Rechnung, wenn dort angeordnet wird, die Straf- oder Bußgeldbefreiung komme nicht in Betracht, wenn beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde zwecks steuerlicher Prüfung erschienen ist. Das bedeutet aber nicht, dass in den Fällen, in denen ausnahmsweise die Prüfung an Amtsstelle stattfindet, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG keine Wirkung entfalten soll. Das würde eine Besserstellung derjenigen Steuerpflichtigen bedeuten, bei denen --entgegen der Grundregel in § 200 Abs. 2 AO-- keine Prüfung in ihren Räumlichkeiten vorgenommen wird oder werden kann. Der Gesetzgeber kann nicht die Absicht gehabt haben, diejenigen besser zu stellen, die ihrer in § 200 Abs. 2 AO geregelten Mitwirkungspflicht bewusst nicht nachkommen oder dies aus objektiven Gründen nicht können. Andernfalls hätten Steuerpflichtige es nämlich in der Hand, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG gezielt dadurch zu umgehen, dass sie vorgeben, eine Prüfung in ihren Räumlichkeiten sei nicht möglich, die Prüfung möge daher an Amtsstelle stattfinden. Mit dem Zweck des Gesetzes wäre das nicht vereinbar, weil § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ähnlich wie § 371 AO darauf zielt, den Vorteil einer strafbefreienden Erklärung (bei § 371 AO: Selbstanzeige) zu versagen, wenn im Rahmen einer Außenprüfung mit der Aufdeckung unrichtiger Angaben, die zu einer Steuerverkürzung und einem steuerlichen Vorteil geführt haben, gerechnet werden muss.

c) Die Auffassung des FG, die Formulierung "Erscheinen" in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG sei nicht lokal zu verstehen, sondern personenbezogen, und der Prüfer erscheine beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im Finanzamt ein persönlicher Kontakt stattfinde, der nach außen erkennbar mache, dass der Prüfer mit der Außenprüfung beginne, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung demnach stand. Der Prüfer hat die im Rahmen der Außenprüfung zunächst angeforderten Geschäftsunterlagen in den Räumlichkeiten des FA vom Kläger bzw. seinem Vertreter am 4. Februar 2003 persönlich empfangen. Damit war erkennbar, dass die Außenprüfung begonnen hat. Da vor dem 31. März 2004, dem Datum des Eingangs der strafbefreienden Erklärung beim FA, weitere Unterlagen vom Prüfer angefordert worden sind und Gespräche zwischen dem Prüfer, dem Kläger und seinem Bevollmächtigten stattgefunden haben, war aus der Sicht des Klägers deutlich, dass die Prüfung jedenfalls am 31. März 2004 bereits seit längerem im Gange war. Der Tatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist damit erfüllt. Die Frage, ob bereits das bloße erstmalige Erscheinen des Klägers auf Vorladung des FA mit den vom Prüfer angeforderten Unterlagen geeignet ist, die Sperrwirkung des § 7 StraBEG herbeizuführen, kann daher offen bleiben.

2. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht so zu verstehen, dass das Erscheinen eines Betriebsprüfers im Rahmen einer regulären Außenprüfung nach § 193 ff. AO keine Sperrwirkung zeitigen kann, weil der Prüfer nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beim Steuerpflichtigen erschienen ist. Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die strafbefreiende Erklärung bezweckt die Korrektur vormaliger unrichtiger oder unvollständiger Angaben, die zu Steuerverkürzungen oder steuerlichen Vorteilen geführt haben (vgl. §§ 1, 6 StraBEG). Bei einer "normalen" Außenprüfung erscheint der Prüfer beim Steuerpflichtigen indes nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit. Vielmehr geht es um die umfassende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Prüfungsanordnung, nicht aber konkret um ein Verhalten des Steuerpflichtigen, das eine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beinhaltet, zumal dem Prüfer ein solches bei seinem erstmaligen Erscheinen gar nicht bekannt sein kann. Daher ist die Gesetzesformulierung "wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6" auf die strafbefreiende Erklärung zu beziehen (a.A. Stahl, a.a.O., Rz 681). Wegen des klar erkennbaren Gesetzeszwecks und des Wortlauts des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ("zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat ...") wird durch diese Auslegung das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht verletzt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9.3.2010, VIII R 50/07
www.bundesfinanzhof.de


 

 

24.05.2010, Dr. Jochen Bachmann

Leitsätze
Auch bei Prüfungen an Amtsstelle ist der Ausschluss der Strafbefreiung oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Der Amtsträger (hier: Prüfer) "erscheint" beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im FA ein persönlicher Kontakt stattfindet, der nach außen erkennbar macht, dass der Amtsträger mit der Außenprüfung beginnt .

Aus den Gründen

1. Gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG ist die mit Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben oder zu ändern, soweit nach diesem Gesetz keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Das ist im Streitfall zu bejahen. Zwar hat der Kläger am 31. März 2004 eine strafbefreiende Erklärung eingereicht. Nach § 7 StraBEG tritt die Straf- oder Bußgeldfreiheit jedoch nicht ein, soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 der Norm oder einer Handlung i.S. des § 6 des Gesetzes bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist. Diese Regelung entspricht trotz des nicht vollständig übereinstimmenden Wortlauts derjenigen in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO zum Befreiungsausschluss bei Selbstanzeige, weshalb Rechtsprechungserkenntnisse und Literaturmeinungen zu jener Vorschrift bei der Auslegung des § 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG herangezogen werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Juni 2007 VIII R 99/04, BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, m.w.N.).

a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass ein Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" eine entsprechende Prüfungsanordnung voraussetzt. Nur soweit die Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen. Die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG kann außerdem nur durch ein Erscheinen eines Betriebsprüfers herbeigeführt werden, wobei das Gesetz aus Gründen der Beweisklarheit als entscheidendes Kriterium auf das leicht feststellbare physische Erscheinen des Prüfers.

b) Nach Auffassung des Senats ist auch bei Prüfungen an Amtsstelle der Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Zwar tritt nach dem Wortlaut der Norm Straf- oder Bußgeldfreiheit nur dann nicht ein, "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6 bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ...". Daraus kann indes nicht gefolgert werden, die Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG komme nur in Betracht, wenn ein Betriebsprüfer die Wohn- oder Geschäftsräume des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters aufsucht, nicht aber bei einer Prüfung an Amtsstelle. Eine solche Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck. Mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2928) wollte der Gesetzgeber denjenigen, die in der Vergangenheit Steuern verkürzt haben, Gelegenheit geben, durch Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und Entrichtung einer pauschalen, als Einkommensteuer geltenden Abgabe Strafbefreiung oder Befreiung von Geldbußen erlangen zu können (sog. "Brücke in die Steuerehrlichkeit“). Gerade mit Blick auf das Institut der Selbstanzeige nach § 371 AO wurde die ursprünglich in § 7 des Gesetzentwurfs vorgesehene Sperrwirkungsregelung aber deutlich enger gefasst und hat letztlich die nunmehr gültige Fassung erhalten, die --ähnlich wie § 371 AO-- eine Sperrwirkung bei Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde vor Eingang der strafbefreienden Erklärung vorsieht.

Mit der Formulierung "soweit vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ... bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist ..." macht der Gesetzgeber deutlich, dass Steuerpflichtige, die ihren steuerlichen Pflichten zuvor nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen sind, nicht unbegrenzt Zeit haben sollen, die sog. "Brücke in die Steuerehrlichkeit" zu beschreiten. Vielmehr wird diese Möglichkeit genommen, wenn ein Prüfer sich anlässlich einer Außenprüfung im Einzelnen mit den steuerlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen befasst. Insoweit bestehen Parallelen zu § 371 AO, der Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung u.a. versagt, wenn vor Abgabe der Selbstanzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Zur steuerlichen Prüfung erscheint ein Amtsträger in der Regel beim Steuerpflichtigen, d.h. in dessen Wohn- oder Geschäftsräumen. Da der Prüfer die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und die Bemessung der Steuer maßgebend sind, umfassend prüfen muss (vgl. § 199 Abs. 1 AO) und der Steuerpflichtige insoweit mitwirkungspflichtig ist und demgemäß die Pflicht hat, Bücher, Aufzeichnungen etc. zur Einsicht und Prüfung vorzulegen (vgl. § 200 Abs. 1 AO), hat der Gesetzgeber in § 200 Abs. 2 AO verfügt, dass diese Unterlagen grundsätzlich in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen vorzulegen sind, wobei dem Prüfer sogar ein geeigneter Raum und Arbeitsplatz unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist. Der Vorrang der Geschäftsräume folgt aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 AO und aus dem Zweck der Außenprüfung; daher kommt eine Prüfung in den Wohnräumen oder an Amtsstelle nur in Betracht, wenn die Prüfung in den Geschäftsräumen des Steuerpflichtigen nicht möglich ist (vgl. § 200 Abs. 2 AO).

Dieser Entscheidung des Gesetzgebers trägt auch § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG Rechnung, wenn dort angeordnet wird, die Straf- oder Bußgeldbefreiung komme nicht in Betracht, wenn beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bereits vor Eingang der strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde zwecks steuerlicher Prüfung erschienen ist. Das bedeutet aber nicht, dass in den Fällen, in denen ausnahmsweise die Prüfung an Amtsstelle stattfindet, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG keine Wirkung entfalten soll. Das würde eine Besserstellung derjenigen Steuerpflichtigen bedeuten, bei denen --entgegen der Grundregel in § 200 Abs. 2 AO-- keine Prüfung in ihren Räumlichkeiten vorgenommen wird oder werden kann. Der Gesetzgeber kann nicht die Absicht gehabt haben, diejenigen besser zu stellen, die ihrer in § 200 Abs. 2 AO geregelten Mitwirkungspflicht bewusst nicht nachkommen oder dies aus objektiven Gründen nicht können. Andernfalls hätten Steuerpflichtige es nämlich in der Hand, die Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG gezielt dadurch zu umgehen, dass sie vorgeben, eine Prüfung in ihren Räumlichkeiten sei nicht möglich, die Prüfung möge daher an Amtsstelle stattfinden. Mit dem Zweck des Gesetzes wäre das nicht vereinbar, weil § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ähnlich wie § 371 AO darauf zielt, den Vorteil einer strafbefreienden Erklärung (bei § 371 AO: Selbstanzeige) zu versagen, wenn im Rahmen einer Außenprüfung mit der Aufdeckung unrichtiger Angaben, die zu einer Steuerverkürzung und einem steuerlichen Vorteil geführt haben, gerechnet werden muss.

c) Die Auffassung des FG, die Formulierung "Erscheinen" in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG sei nicht lokal zu verstehen, sondern personenbezogen, und der Prüfer erscheine beim Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im Finanzamt ein persönlicher Kontakt stattfinde, der nach außen erkennbar mache, dass der Prüfer mit der Außenprüfung beginne, hält der revisionsrechtlichen Überprüfung demnach stand. Der Prüfer hat die im Rahmen der Außenprüfung zunächst angeforderten Geschäftsunterlagen in den Räumlichkeiten des FA vom Kläger bzw. seinem Vertreter am 4. Februar 2003 persönlich empfangen. Damit war erkennbar, dass die Außenprüfung begonnen hat. Da vor dem 31. März 2004, dem Datum des Eingangs der strafbefreienden Erklärung beim FA, weitere Unterlagen vom Prüfer angefordert worden sind und Gespräche zwischen dem Prüfer, dem Kläger und seinem Bevollmächtigten stattgefunden haben, war aus der Sicht des Klägers deutlich, dass die Prüfung jedenfalls am 31. März 2004 bereits seit längerem im Gange war. Der Tatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist damit erfüllt. Die Frage, ob bereits das bloße erstmalige Erscheinen des Klägers auf Vorladung des FA mit den vom Prüfer angeforderten Unterlagen geeignet ist, die Sperrwirkung des § 7 StraBEG herbeizuführen, kann daher offen bleiben.

2. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist --entgegen der Auffassung des Klägers-- nicht so zu verstehen, dass das Erscheinen eines Betriebsprüfers im Rahmen einer regulären Außenprüfung nach § 193 ff. AO keine Sperrwirkung zeitigen kann, weil der Prüfer nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beim Steuerpflichtigen erschienen ist. Dieser Argumentation vermag der Senat nicht zu folgen. Die strafbefreiende Erklärung bezweckt die Korrektur vormaliger unrichtiger oder unvollständiger Angaben, die zu Steuerverkürzungen oder steuerlichen Vorteilen geführt haben (vgl. §§ 1, 6 StraBEG). Bei einer "normalen" Außenprüfung erscheint der Prüfer beim Steuerpflichtigen indes nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit. Vielmehr geht es um die umfassende Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Prüfungsanordnung, nicht aber konkret um ein Verhalten des Steuerpflichtigen, das eine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beinhaltet, zumal dem Prüfer ein solches bei seinem erstmaligen Erscheinen gar nicht bekannt sein kann. Daher ist die Gesetzesformulierung "wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder einer Handlung im Sinne des § 6" auf die strafbefreiende Erklärung zu beziehen (a.A. Stahl, a.a.O., Rz 681). Wegen des klar erkennbaren Gesetzeszwecks und des Wortlauts des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ("zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat ...") wird durch diese Auslegung das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot nicht verletzt.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 9.3.2010, VIII R 50/07
www.bundesfinanzhof.de


 

 

24.05.2010, Dr. Jochen Bachmann

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