BFH: Restschuldbefreiung trotz Steuerhinterziehung

1. Eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S. des § 302 Nr. 1 InsO.

2. § 370 AO ist kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB.

Gründe

Wie das FG zutreffend geurteilt hat, ist der angefochtene und auf § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 184 InsO gestützte Feststellungsbescheid bereits deshalb rechtswidrig, weil in ihm der vom FA geltend gemachte Steueranspruch als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S. von § 302 InsO qualifiziert wird, was der Erteilung einer Restschuldbefreiung entgegenstünde.

1. Nach § 302 Nr. 1 InsO werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht berührt, sofern der Gläubiger die von ihm geltend gemachte Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Eine nähere Begriffsbestimmung der unerlaubten Handlung oder eine ausdrückliche Bezugnahme z.B. auf die §§ 823 und 826 BGB enthält die Vorschrift nicht.

a) Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass Deliktsforderungen nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem entsprechenden Schutzgesetz und § 826 BGB als Verbindlichkeiten i.S. des § 302 Nr. 1 InsO anzusehen sind. Eine Steuerhinterziehung als solche begründet jedoch keinen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Wie der Senat bereits zum Begriff der Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S. von § 850f Abs. 2 ZPO entschieden hat, sind Steuer- und Haftungsansprüche eigenständige, dem öffentlichen Recht zugehörige Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), die sowohl nach ihrer Entstehung als auch nach ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung eigenen, von den zivilrechtlichen Deliktsansprüchen unterschiedlichen Regeln unterliegen und deshalb keine Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung darstellen (Senatsurteil in BFHE 181, 552, BStBl II 1997, 308). Selbst wenn der Steueranspruch auf eine vorsätzliche Nichtentrichtung der Steuer bzw. auf eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO zurückzuführen sein sollte, beruht er nicht auf einer unerlaubten Handlung des Steuerschuldners, sondern auf der Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestandes, an den das Gesetz eine Zahlungspflicht knüpft (§ 38 AO). Der Umstand, dass Steuerhinterziehung nicht erlaubt und insbesondere aus Präventions- und Sanktionsgründen mit Strafe bedroht ist, vermag an der rechtlichen Qualifizierung des Steueranspruchs als solchem nichts zu ändern. Auch das überwiegende insolvenzrechtliche Schrifttum schließt auf Steuerhinterziehung zurückzuführende Steuerforderungen vom Anwendungsbereich des § 302 Nr. 1 InSO aus (statt vieler Vallender in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 302 Rz 12, m.w.N.; Landfermann in Heidelberger Kommentar zur InsO, § 302 Rz 6; Wimmer in Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 302 Rz 11; a.A. Hess, Insolvenzrecht, § 302 Rz 17).

b) Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung kann auch nicht als Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB eingestuft werden. Auch das hat der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH in BFHE 181, 552, BStBl II 1997, 308 mit eingehender Begründung bereits entschieden. Ein Schutzgesetz erfordert danach die zumindest teilweise Ausrichtung auf den Schutz von Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art ihrer Verletzung (BGH-Urteile vom 13. Dezember 1988 VI ZR 235/87, Neue Juristische Wochenschrift 1989, 974, und vom 3. Februar 1987 VI ZR 32/86, BGHZ 100, 13). Indes wird von § 370 AO nicht ein Individualinteresse, das dem eines geschädigten und auf einen zivilrechtlichen Ausgleich bedachten Bürgers vergleichbar wäre, geschützt, sondern das öffentliche Interesse des Fiskus und damit des Staates am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen bestimmter einzelner Steuern (BGH-Urteile vom 23. März 1994 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, und vom 1. Februar 1989 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100). Damit dient § 370 AO der Sicherung des aus der Steuererhebung erwarteten Ertrages und den damit verbundenen Belangen des Gemeinwesens.

2. Entgegen der Auffassung des FA ist aufgrund von Sinn und Zwecks des § 302 Nr. 1 InsO eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass von der Vorschrift von Gesetzes wegen unerlaubte Handlungen allgemein und damit auch Steuerstraftaten nach § 370 AO erfasst werden, nicht geboten.

a) Zwar hat der Gesetzgeber zur Begründung ausgeführt, dass es sachgerecht erscheine, Schadensersatzpflichten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sowie Geldstrafen und vergleichbare Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung auszunehmen, damit sich der Schuldner der Erfüllung solcher Verbindlichkeiten durch das neu geschaffene Verfahren nicht entziehen könne (BRDrucks 1/92, S. 194 zu § 251). Steueransprüche, selbst wenn sie im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung entstanden sind, lassen sich aber nicht als in diesem Sinne "vergleichbare Verbindlichkeiten" qualifizieren. Denn es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber damit an die Regelung in § 302 Nr. 2 InsO anknüpft, wonach "Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten" von der Restschuldbefreiung nicht berührt werden.

b) Der Senat hat in seiner o.g. Entscheidung zu § 850f ZPO auch bereits die von der Revision vertretene Auffassung, dass sich der Begriff der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht allein auf die Vorschriften der §§ 823 ff. BGB beziehe, vielmehr auch die Steuerhinterziehung nach § 370 AO erfasse, weil auch ein Steuerhinterzieher eine gesetzlich nicht erlaubte Handlung begehe, verworfen. Die Revision zeigt keine überzeugenden Gründe dafür auf, dass jene Ausführungen des Senats auf den Streitfall nicht übertragen werden können. Insbesondere ist das Argument nicht widerlegt, dass die Steuer, auch wenn sie hinterzogen worden ist, keine Verbindlichkeit aus einer unerlaubten Handlung ist, sondern aufgrund der Steuergesetze entsteht und deshalb schon nach dem Wortlaut der Regelung von der Restschuldbefreiung nicht ausgeschlossen ist.

c) Eine erweiternde analoge Anwendung des § 302 Nr. 1 InsO lässt sich ferner auch nicht damit begründen, dass ausweislich des § 1 Satz 2 InsO nur der redliche Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit werden solle. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Redlichkeit nicht nach Art einer Generalklausel, sondern stellt mit der Normierung von § 290 Abs. 1 InsO einen als abschließend zu betrachtenden Katalog von Gründen auf, die zur vollständigen Versagung der Restschuldbefreiung führen. Danach führt nicht jede Straftat zur Versagung. Ausdrücklich benannt sind lediglich Insolvenzstraftaten nach den §§ 283 bis 283c StGB, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben. Von einer Einbeziehung von anderen, auch Steuerstraftaten, in diesen Katalog hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen. Nach der Gesetzesbegründung wurde ausdrücklich aus Gründen der Rechtssicherheit auf die Aufnahme einer Generalklausel verzichtet (BTDrucks 12/2443, S. 190). Das Gesetz nimmt also im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit in Kauf, dass es Fälle geben kann, in denen selbst ein Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung kommt, dessen Verhalten unredlich erscheinen mag. Dieser gesetzgeberischen Abwägung liefe die vom FA vertretene Auslegung von § 302 Nr. 1 InsO zuwider, denn die Einbeziehung aller Forderungen, die auf irgendeine von Gesetzes wegen verbotene und unter Strafe gestellte vorsätzliche Handlung zurückzuführen sind, würde eine klare Grenzziehung zwischen von der Restschuldbefreiung ausgenommenen und nicht ausgenommenen Verbindlichkeiten unmöglich machen und im Ergebnis zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten allgemeinen Redlichkeitsprüfung führen (vgl. auch Pape, Die Geltendmachung und Durchsetzung von Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen im Insolvenzverfahren --Teil 1--, Insolvenz & Vollstreckung 2007, 303).

3. Schließlich zeigt auch die geplante Änderung der InsO in dem Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen (BTDrucks 16/7416 vom 5. Dezember 2007), dass der Gesetzgeber hinterzogene Steuern bisher nicht im Rahmen des § 302 Nr. 1 InsO berücksichtigt sieht. Denn nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO soll Nr. 1a eingefügt werden, wonach dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen ist, wenn er wegen einer zum Nachteil des antragstellenden Insolvenzgläubigers begangenen, dessen Vermögen beeinträchtigenden Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist, und dies gilt ausdrücklich auch für eine Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 und 374 AO. Aus der Begründung geht hervor, dass daran festgehalten wird, die Versagung der Restschuldbefreiung nicht durch eine Generalklausel, sondern durch einen abschließenden Katalog von Fallgruppen zu regeln, auch wenn dadurch nicht alle Fallkonstellationen, die im Interesse einer Missbrauchsverfolgung eine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen, erfasst werden. Damit ist klargestellt, dass weder vorgesehen war, die Restschuldbefreiung wegen Steuerhinterziehung vollständig zu versagen noch die hinterzogene Steuer von der Restschuldbefreiung auszunehmen. Vielmehr sollen mit der Neuregelung zwei neue Versagungsgründe kodifiziert werden (Wimmer, Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, jurisPR-InsR 19/2007 Anm. 6, 4d). Aus all diesen Gründen vermag der Senat die auf die Entscheidung des AG Siegen in ZInsO 2003, 478 gestützte Auffassung des FA nicht zu teilen, dass § 302 Nr. 1 InsO einer erweiternden Auslegung bedarf, die auch die Einbeziehung von auf Steuerhinterziehung zurückzuführenden Steuerforderungen zulässt.

4. Da sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids bereits aus der Einstufung der festgestellten Forderung als Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ergibt, ist durch den Streitfall keine abschließende Entscheidung darüber veranlasst, ob ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO ausschließlich auf eine solche Qualifizierung gestützt werden kann.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. August 2008 VII R 6/07

 

16.10.2008, Dr. Bachmann

1. Eine Steuerhinterziehung (§ 370 AO) ist keine vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung i.S. des § 302 Nr. 1 InsO.

2. § 370 AO ist kein Schutzgesetz i.S. des § 823 Abs. 2 BGB.

Gründe

Wie das FG zutreffend geurteilt hat, ist der angefochtene und auf § 251 Abs. 3 AO i.V.m. § 184 InsO gestützte Feststellungsbescheid bereits deshalb rechtswidrig, weil in ihm der vom FA geltend gemachte Steueranspruch als Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S. von § 302 InsO qualifiziert wird, was der Erteilung einer Restschuldbefreiung entgegenstünde.

1. Nach § 302 Nr. 1 InsO werden von der Erteilung der Restschuldbefreiung Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht berührt, sofern der Gläubiger die von ihm geltend gemachte Forderung unter Angabe dieses Rechtsgrundes nach § 174 Abs. 2 InsO angemeldet hatte. Eine nähere Begriffsbestimmung der unerlaubten Handlung oder eine ausdrückliche Bezugnahme z.B. auf die §§ 823 und 826 BGB enthält die Vorschrift nicht.

a) Es bedarf keiner weiteren Erörterung, dass Deliktsforderungen nach § 823 Abs. 1 BGB, § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einem entsprechenden Schutzgesetz und § 826 BGB als Verbindlichkeiten i.S. des § 302 Nr. 1 InsO anzusehen sind. Eine Steuerhinterziehung als solche begründet jedoch keinen deliktischen Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB. Wie der Senat bereits zum Begriff der Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung i.S. von § 850f Abs. 2 ZPO entschieden hat, sind Steuer- und Haftungsansprüche eigenständige, dem öffentlichen Recht zugehörige Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis (§ 37 Abs. 1 AO), die sowohl nach ihrer Entstehung als auch nach ihrem Inhalt und ihrer Durchsetzung eigenen, von den zivilrechtlichen Deliktsansprüchen unterschiedlichen Regeln unterliegen und deshalb keine Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung darstellen (Senatsurteil in BFHE 181, 552, BStBl II 1997, 308). Selbst wenn der Steueranspruch auf eine vorsätzliche Nichtentrichtung der Steuer bzw. auf eine Steuerhinterziehung nach § 370 AO zurückzuführen sein sollte, beruht er nicht auf einer unerlaubten Handlung des Steuerschuldners, sondern auf der Verwirklichung eines steuerrechtlichen Tatbestandes, an den das Gesetz eine Zahlungspflicht knüpft (§ 38 AO). Der Umstand, dass Steuerhinterziehung nicht erlaubt und insbesondere aus Präventions- und Sanktionsgründen mit Strafe bedroht ist, vermag an der rechtlichen Qualifizierung des Steueranspruchs als solchem nichts zu ändern. Auch das überwiegende insolvenzrechtliche Schrifttum schließt auf Steuerhinterziehung zurückzuführende Steuerforderungen vom Anwendungsbereich des § 302 Nr. 1 InSO aus (statt vieler Vallender in Uhlenbruck, Insolvenzordnung, 12. Aufl., § 302 Rz 12, m.w.N.; Landfermann in Heidelberger Kommentar zur InsO, § 302 Rz 6; Wimmer in Frankfurter Kommentar zur InsO, 4. Aufl., § 302 Rz 11; a.A. Hess, Insolvenzrecht, § 302 Rz 17).

b) Der Straftatbestand der Steuerhinterziehung kann auch nicht als Schutzgesetz i.S. von § 823 Abs. 2 BGB eingestuft werden. Auch das hat der Senat in Anlehnung an die Rechtsprechung des BGH in BFHE 181, 552, BStBl II 1997, 308 mit eingehender Begründung bereits entschieden. Ein Schutzgesetz erfordert danach die zumindest teilweise Ausrichtung auf den Schutz von Individualinteressen vor einer näher bestimmten Art ihrer Verletzung (BGH-Urteile vom 13. Dezember 1988 VI ZR 235/87, Neue Juristische Wochenschrift 1989, 974, und vom 3. Februar 1987 VI ZR 32/86, BGHZ 100, 13). Indes wird von § 370 AO nicht ein Individualinteresse, das dem eines geschädigten und auf einen zivilrechtlichen Ausgleich bedachten Bürgers vergleichbar wäre, geschützt, sondern das öffentliche Interesse des Fiskus und damit des Staates am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen bestimmter einzelner Steuern (BGH-Urteile vom 23. März 1994 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, und vom 1. Februar 1989 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100). Damit dient § 370 AO der Sicherung des aus der Steuererhebung erwarteten Ertrages und den damit verbundenen Belangen des Gemeinwesens.

2. Entgegen der Auffassung des FA ist aufgrund von Sinn und Zwecks des § 302 Nr. 1 InsO eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass von der Vorschrift von Gesetzes wegen unerlaubte Handlungen allgemein und damit auch Steuerstraftaten nach § 370 AO erfasst werden, nicht geboten.

a) Zwar hat der Gesetzgeber zur Begründung ausgeführt, dass es sachgerecht erscheine, Schadensersatzpflichten aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen sowie Geldstrafen und vergleichbare Verbindlichkeiten von der Restschuldbefreiung auszunehmen, damit sich der Schuldner der Erfüllung solcher Verbindlichkeiten durch das neu geschaffene Verfahren nicht entziehen könne (BRDrucks 1/92, S. 194 zu § 251). Steueransprüche, selbst wenn sie im Zusammenhang mit einer Steuerhinterziehung entstanden sind, lassen sich aber nicht als in diesem Sinne "vergleichbare Verbindlichkeiten" qualifizieren. Denn es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber damit an die Regelung in § 302 Nr. 2 InsO anknüpft, wonach "Geldstrafen und die diesen in § 39 Abs. 1 Nr. 3 gleichgestellten Verbindlichkeiten" von der Restschuldbefreiung nicht berührt werden.

b) Der Senat hat in seiner o.g. Entscheidung zu § 850f ZPO auch bereits die von der Revision vertretene Auffassung, dass sich der Begriff der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung nicht allein auf die Vorschriften der §§ 823 ff. BGB beziehe, vielmehr auch die Steuerhinterziehung nach § 370 AO erfasse, weil auch ein Steuerhinterzieher eine gesetzlich nicht erlaubte Handlung begehe, verworfen. Die Revision zeigt keine überzeugenden Gründe dafür auf, dass jene Ausführungen des Senats auf den Streitfall nicht übertragen werden können. Insbesondere ist das Argument nicht widerlegt, dass die Steuer, auch wenn sie hinterzogen worden ist, keine Verbindlichkeit aus einer unerlaubten Handlung ist, sondern aufgrund der Steuergesetze entsteht und deshalb schon nach dem Wortlaut der Regelung von der Restschuldbefreiung nicht ausgeschlossen ist.

c) Eine erweiternde analoge Anwendung des § 302 Nr. 1 InsO lässt sich ferner auch nicht damit begründen, dass ausweislich des § 1 Satz 2 InsO nur der redliche Schuldner von seinen Verbindlichkeiten befreit werden solle. Der Gesetzgeber verwendet den Begriff der Redlichkeit nicht nach Art einer Generalklausel, sondern stellt mit der Normierung von § 290 Abs. 1 InsO einen als abschließend zu betrachtenden Katalog von Gründen auf, die zur vollständigen Versagung der Restschuldbefreiung führen. Danach führt nicht jede Straftat zur Versagung. Ausdrücklich benannt sind lediglich Insolvenzstraftaten nach den §§ 283 bis 283c StGB, die zu einer rechtskräftigen Verurteilung geführt haben. Von einer Einbeziehung von anderen, auch Steuerstraftaten, in diesen Katalog hat der Gesetzgeber bewusst abgesehen. Nach der Gesetzesbegründung wurde ausdrücklich aus Gründen der Rechtssicherheit auf die Aufnahme einer Generalklausel verzichtet (BTDrucks 12/2443, S. 190). Das Gesetz nimmt also im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit in Kauf, dass es Fälle geben kann, in denen selbst ein Schuldner in den Genuss der Restschuldbefreiung kommt, dessen Verhalten unredlich erscheinen mag. Dieser gesetzgeberischen Abwägung liefe die vom FA vertretene Auslegung von § 302 Nr. 1 InsO zuwider, denn die Einbeziehung aller Forderungen, die auf irgendeine von Gesetzes wegen verbotene und unter Strafe gestellte vorsätzliche Handlung zurückzuführen sind, würde eine klare Grenzziehung zwischen von der Restschuldbefreiung ausgenommenen und nicht ausgenommenen Verbindlichkeiten unmöglich machen und im Ergebnis zu einer vom Gesetzgeber nicht gewollten allgemeinen Redlichkeitsprüfung führen (vgl. auch Pape, Die Geltendmachung und Durchsetzung von Forderungen aus vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlungen im Insolvenzverfahren --Teil 1--, Insolvenz & Vollstreckung 2007, 303).

3. Schließlich zeigt auch die geplante Änderung der InsO in dem Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen (BTDrucks 16/7416 vom 5. Dezember 2007), dass der Gesetzgeber hinterzogene Steuern bisher nicht im Rahmen des § 302 Nr. 1 InsO berücksichtigt sieht. Denn nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO soll Nr. 1a eingefügt werden, wonach dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen ist, wenn er wegen einer zum Nachteil des antragstellenden Insolvenzgläubigers begangenen, dessen Vermögen beeinträchtigenden Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist, und dies gilt ausdrücklich auch für eine Steuerstraftat nach den §§ 370, 373 und 374 AO. Aus der Begründung geht hervor, dass daran festgehalten wird, die Versagung der Restschuldbefreiung nicht durch eine Generalklausel, sondern durch einen abschließenden Katalog von Fallgruppen zu regeln, auch wenn dadurch nicht alle Fallkonstellationen, die im Interesse einer Missbrauchsverfolgung eine Versagung der Restschuldbefreiung rechtfertigen, erfasst werden. Damit ist klargestellt, dass weder vorgesehen war, die Restschuldbefreiung wegen Steuerhinterziehung vollständig zu versagen noch die hinterzogene Steuer von der Restschuldbefreiung auszunehmen. Vielmehr sollen mit der Neuregelung zwei neue Versagungsgründe kodifiziert werden (Wimmer, Entwurf eines Gesetzes zur Entschuldung mittelloser Personen, zur Stärkung der Gläubigerrechte sowie zur Regelung der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen, jurisPR-InsR 19/2007 Anm. 6, 4d). Aus all diesen Gründen vermag der Senat die auf die Entscheidung des AG Siegen in ZInsO 2003, 478 gestützte Auffassung des FA nicht zu teilen, dass § 302 Nr. 1 InsO einer erweiternden Auslegung bedarf, die auch die Einbeziehung von auf Steuerhinterziehung zurückzuführenden Steuerforderungen zulässt.

4. Da sich die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids bereits aus der Einstufung der festgestellten Forderung als Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung ergibt, ist durch den Streitfall keine abschließende Entscheidung darüber veranlasst, ob ein Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO ausschließlich auf eine solche Qualifizierung gestützt werden kann.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 19. August 2008 VII R 6/07

 

16.10.2008, Dr. Bachmann

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