BFH: Keine automatische Zurechnung von Fehlbeträgen aus einer Gaststättenkalkulation als verdeckte G

 

Werden in der Betriebsprüfung bei einer Gaststätte aufgrund einer Nachkalkulation Mehrumsätze geschätzt, neigen Finanzämter mangels Hinweisen auf weitere Betriebsausgaben (Schwarzlöhne, Schwarzeinkäufe, Personaldiebstahl o.ä.) dazu, kurzerhand eine entsprechende Entnahme des Betriebsinhabers anzunehmen. Wird die Gaststätte als GmbH geführt, kommt es dann häufig zur Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen und entsprechend zur Nachversteuerung von Kapitaleinnahmen beim Gesellschafter. Der Bundesfinanzhof stellt klar, dass letzteres nur zulässig ist, wenn das Finanzamt den Zufluss beim Gesellschafter auch tatsächlich nachweisen kann. Der diesbezügliche Leitsatz der Entscheidung lautet: 2. Betreibt eine GmbH eine Gaststätte, so können die bei einer Nachkalkulation festgestellten Fehlbeträge dem Gesellschafter der GmbH nur dann als vGA zugerechnet werden, wenn festgestellt wird, dass dieser oder ihm nahe stehende Personen das Geld erhalten haben. Aus den Gründen I. … Außerdem ermittelten die Prüfer bei der kalkulatorischen Einnahmeüberprüfung der Clubgaststätte für 1988 bis 1996 Fehlbeträge. Diese betrugen in den im Revisionsverfahren verbliebenen Streitjahren: 1993 119 588 DM 1994 134 980 DM 1995 173 896 DM 1996 157 679 DM Dazu vertraten die Prüfer die Auffassung, diese Beträge seien dem Kläger als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zuzurechnen, da er treugeberisch Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Es könne ausgeschlossen werden, dass Dritte über einen Zeitraum von acht Jahren 20 v.H. bis 87 v.H. der Umsätze veruntreut hätten, denn dies hätte der Kläger als ausgebildeter Diplom-Kaufmann bemerken müssen. Bei der Nachkalkulation berücksichtigten sie gewinnmindernd, dass nach ihrer Auffassung als Aufwand verbuchte Eingangsrechnungen der GmbH in geringem Umfange Kosten der privaten Lebensführung des Klägers enthalten hätten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1988 bis 1992 sowie am 2. Juni 2000 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1993 bis 1996. Die kalkulatorischen Fehlbeträge wurden --ohne anrechenbare Körperschaftsteuer-- als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt. Mit Bescheiden vom 8. August 2000 änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für 1990, 1991, 1993, 1994 und 1995 erneut zur Berücksichtigung höherer Kinderfreibeträge gemäß § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die gegen sämtliche Bescheide eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. II. Die Revision ist begründet. Die Einkommensteueränderungsbescheide für 1993 bis 1995 vom 8. August 2000 und für 1996 vom 2. Juni 2000 werden dahin geändert, dass die vGA wegen der kalkulatorischen Fehlbeträge und der 1994 erfasste Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 14 289 966 DM unberücksichtigt bleiben; die Berechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen. Dem Kläger sind die kalkulatorischen Fehlbeträge nicht als vGA zuzurechnen. Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Eine vGA kann auch anzunehmen sein, wenn der Vorteil einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person zugewendet wird; das "Nahestehen" in diesem Sinne kann auf familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen, schuldrechtlichen oder rein tatsächlichen Bindungen beruhen. Gehört die Beteiligung zum Betriebsvermögen, so ist die vGA nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern den gewerblichen Einkünften anzusetzen (§§ 20 Abs. 3, 15 EStG). Betreibt eine GmbH eine Gaststätte, so können bei einer Nachkalkulation festgestellte Fehlbeträge als vGA (§ 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) ihr Einkommen erhöhen. Sind diese Beträge ihren Gesellschaftern zugeflossen, so werden sie bei diesen --zuzüglich etwaiger anrechenbarer Körperschaftsteuer (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F.)-- als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) oder, wenn die Beteiligung in einem Betriebsvermögen gehalten wird, im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst (§§ 20 Abs. 3, 15 EStG). Die Erhöhung des Einkommens der GmbH und ihrer Gesellschafter sind dabei materiell- und verfahrensrechtlich voneinander unabhängig; zwischen den Bescheiden der Gesellschaft und der Gesellschafter besteht keine Bindungswirkung (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569; v. Beckerath in Kirchhof, EStG, § 20 Rn. 71). Das FG ist von der treugeberischen Gesellschafterstellung des Klägers ausgegangen, weil ihm als Diplom-Kaufmann die kalkulatorischen Fehlbeträge nicht hätten verborgen bleiben können. Es könne ausgeschlossen werden, dass fremde Dritte die Abrechnungen manipuliert hätten; die Abrechnungen durch den Kläger hätten zu den Differenzen geführt. Die durch Handlungen des Klägers verursachten Vermögensminderungen der GmbH seien dieser zuzurechnen und führten zu vGA an den Kläger. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dabei ist unerheblich, ob der Kläger über Treuhandabreden Gesellschafter der GmbH war. Denn seine --vom FG angenommene-- Gesellschaftereigenschaft und die Manipulation der Bücher durch ihn genügen allein nicht, um dem Kläger Einkünfte zuzurechnen. Die Fehlbeträge hätten ihm vielmehr nur dann zugerechnet werden dürfen, wenn er oder ihm nahe stehende Personen die Gelder an sich genommen hätten. Dies hat das FG aber nicht feststellen können. Sein Urteil lässt die Möglichkeit offen, dass nicht der Kläger, sondern Dritte die Mittel erhalten haben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist insbesondere offen geblieben, ob sich nicht das Bedienungspersonal aus den Bareinnahmen zu Lasten der GmbH bereichert hat oder die Fehlbeträge zu deren Entlohnung verwandt wurden. Da die Beschäftigten im Gaststättenbereich dem Kläger nicht nahe standen und er persönlich aus deren "zusätzlicher" Entlohnung auch keinen Vorteil gehabt hätte, könnte er in diesem Falle nicht Empfänger einer vGA sein. Die Vereinnahmung durch das Bedienungspersonal oder die Verwendung der Mittel zu deren Entlohnung ist eine nahe liegende Möglichkeit, die wegen der Verkürzung von Lohnsteuer und Sozialabgaben auch auf Anregung oder mit Duldung der Geschäftsführung, d.h. des Klägers, erfolgt sein könnte. Dies hat auch das LG in seinem Strafurteil vom 10. November 2005 betreffend Hinterziehung von Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer der GmbH durch den Kläger angenommen und ausgeführt, die im Restaurant tätigen Angestellten hätten einen großen Teil der über "Theke" und "Küche" erzielten Umsätze nicht verbucht; der Kläger habe dies nicht aufgeklärt, er habe nur mit bedingtem Vorsatz und nicht zu seinem persönlichen Vorteil gehandelt. Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Mai 2006 III R 25/05

18.08.2006, Dr. Bachmann

 

 

Werden in der Betriebsprüfung bei einer Gaststätte aufgrund einer Nachkalkulation Mehrumsätze geschätzt, neigen Finanzämter mangels Hinweisen auf weitere Betriebsausgaben (Schwarzlöhne, Schwarzeinkäufe, Personaldiebstahl o.ä.) dazu, kurzerhand eine entsprechende Entnahme des Betriebsinhabers anzunehmen. Wird die Gaststätte als GmbH geführt, kommt es dann häufig zur Annahme von verdeckten Gewinnausschüttungen und entsprechend zur Nachversteuerung von Kapitaleinnahmen beim Gesellschafter. Der Bundesfinanzhof stellt klar, dass letzteres nur zulässig ist, wenn das Finanzamt den Zufluss beim Gesellschafter auch tatsächlich nachweisen kann. Der diesbezügliche Leitsatz der Entscheidung lautet: 2. Betreibt eine GmbH eine Gaststätte, so können die bei einer Nachkalkulation festgestellten Fehlbeträge dem Gesellschafter der GmbH nur dann als vGA zugerechnet werden, wenn festgestellt wird, dass dieser oder ihm nahe stehende Personen das Geld erhalten haben. Aus den Gründen I. … Außerdem ermittelten die Prüfer bei der kalkulatorischen Einnahmeüberprüfung der Clubgaststätte für 1988 bis 1996 Fehlbeträge. Diese betrugen in den im Revisionsverfahren verbliebenen Streitjahren: 1993 119 588 DM 1994 134 980 DM 1995 173 896 DM 1996 157 679 DM Dazu vertraten die Prüfer die Auffassung, diese Beträge seien dem Kläger als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zuzurechnen, da er treugeberisch Gesellschafter der GmbH gewesen sei. Es könne ausgeschlossen werden, dass Dritte über einen Zeitraum von acht Jahren 20 v.H. bis 87 v.H. der Umsätze veruntreut hätten, denn dies hätte der Kläger als ausgebildeter Diplom-Kaufmann bemerken müssen. Bei der Nachkalkulation berücksichtigten sie gewinnmindernd, dass nach ihrer Auffassung als Aufwand verbuchte Eingangsrechnungen der GmbH in geringem Umfange Kosten der privaten Lebensführung des Klägers enthalten hätten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) folgte den Prüfungsfeststellungen und erließ nach § 173 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1988 bis 1992 sowie am 2. Juni 2000 gemäß § 164 Abs. 2 AO 1977 geänderte Einkommensteuerbescheide für 1993 bis 1996. Die kalkulatorischen Fehlbeträge wurden --ohne anrechenbare Körperschaftsteuer-- als Einnahmen aus Kapitalvermögen angesetzt. Mit Bescheiden vom 8. August 2000 änderte das FA die Einkommensteuerbescheide für 1990, 1991, 1993, 1994 und 1995 erneut zur Berücksichtigung höherer Kinderfreibeträge gemäß § 53 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Die gegen sämtliche Bescheide eingelegten Einsprüche wies das FA als unbegründet zurück. II. Die Revision ist begründet. Die Einkommensteueränderungsbescheide für 1993 bis 1995 vom 8. August 2000 und für 1996 vom 2. Juni 2000 werden dahin geändert, dass die vGA wegen der kalkulatorischen Fehlbeträge und der 1994 erfasste Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks in Höhe von 14 289 966 DM unberücksichtigt bleiben; die Berechnung wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen. Dem Kläger sind die kalkulatorischen Fehlbeträge nicht als vGA zuzurechnen. Eine vGA i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG ist gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass im Gesellschaftsverhältnis hat. Eine vGA kann auch anzunehmen sein, wenn der Vorteil einer dem Gesellschafter nahe stehenden Person zugewendet wird; das "Nahestehen" in diesem Sinne kann auf familienrechtlichen, gesellschaftsrechtlichen, schuldrechtlichen oder rein tatsächlichen Bindungen beruhen. Gehört die Beteiligung zum Betriebsvermögen, so ist die vGA nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen, sondern den gewerblichen Einkünften anzusetzen (§§ 20 Abs. 3, 15 EStG). Betreibt eine GmbH eine Gaststätte, so können bei einer Nachkalkulation festgestellte Fehlbeträge als vGA (§ 8 Abs. 3 des Körperschaftsteuergesetzes --KStG--) ihr Einkommen erhöhen. Sind diese Beträge ihren Gesellschaftern zugeflossen, so werden sie bei diesen --zuzüglich etwaiger anrechenbarer Körperschaftsteuer (§ 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG a.F.)-- als Einnahmen aus Kapitalvermögen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG) oder, wenn die Beteiligung in einem Betriebsvermögen gehalten wird, im Rahmen der Einkünfte aus Gewerbebetrieb erfasst (§§ 20 Abs. 3, 15 EStG). Die Erhöhung des Einkommens der GmbH und ihrer Gesellschafter sind dabei materiell- und verfahrensrechtlich voneinander unabhängig; zwischen den Bescheiden der Gesellschaft und der Gesellschafter besteht keine Bindungswirkung (BFH-Urteil vom 27. Oktober 1992 VIII R 41/89, BFHE 170, 1, BStBl II 1993, 569; v. Beckerath in Kirchhof, EStG, § 20 Rn. 71). Das FG ist von der treugeberischen Gesellschafterstellung des Klägers ausgegangen, weil ihm als Diplom-Kaufmann die kalkulatorischen Fehlbeträge nicht hätten verborgen bleiben können. Es könne ausgeschlossen werden, dass fremde Dritte die Abrechnungen manipuliert hätten; die Abrechnungen durch den Kläger hätten zu den Differenzen geführt. Die durch Handlungen des Klägers verursachten Vermögensminderungen der GmbH seien dieser zuzurechnen und führten zu vGA an den Kläger. Dies hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Dabei ist unerheblich, ob der Kläger über Treuhandabreden Gesellschafter der GmbH war. Denn seine --vom FG angenommene-- Gesellschaftereigenschaft und die Manipulation der Bücher durch ihn genügen allein nicht, um dem Kläger Einkünfte zuzurechnen. Die Fehlbeträge hätten ihm vielmehr nur dann zugerechnet werden dürfen, wenn er oder ihm nahe stehende Personen die Gelder an sich genommen hätten. Dies hat das FG aber nicht feststellen können. Sein Urteil lässt die Möglichkeit offen, dass nicht der Kläger, sondern Dritte die Mittel erhalten haben. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG ist insbesondere offen geblieben, ob sich nicht das Bedienungspersonal aus den Bareinnahmen zu Lasten der GmbH bereichert hat oder die Fehlbeträge zu deren Entlohnung verwandt wurden. Da die Beschäftigten im Gaststättenbereich dem Kläger nicht nahe standen und er persönlich aus deren "zusätzlicher" Entlohnung auch keinen Vorteil gehabt hätte, könnte er in diesem Falle nicht Empfänger einer vGA sein. Die Vereinnahmung durch das Bedienungspersonal oder die Verwendung der Mittel zu deren Entlohnung ist eine nahe liegende Möglichkeit, die wegen der Verkürzung von Lohnsteuer und Sozialabgaben auch auf Anregung oder mit Duldung der Geschäftsführung, d.h. des Klägers, erfolgt sein könnte. Dies hat auch das LG in seinem Strafurteil vom 10. November 2005 betreffend Hinterziehung von Körperschaft-, Umsatz- und Gewerbesteuer der GmbH durch den Kläger angenommen und ausgeführt, die im Restaurant tätigen Angestellten hätten einen großen Teil der über "Theke" und "Küche" erzielten Umsätze nicht verbucht; der Kläger habe dies nicht aufgeklärt, er habe nur mit bedingtem Vorsatz und nicht zu seinem persönlichen Vorteil gehandelt. Bundesfinanzhof, Urteil vom 18. Mai 2006 III R 25/05

18.08.2006, Dr. Bachmann

 

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