§ 266a StGB: Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt
Wer als Arbeitgeber oder ihm gleichgestellte Person (Abs. 5) Sozialversicherungsbeiträge vorenthält, macht sich strafbar und zwar unabhängig davon, ob tatsächlich Arbeitsentgelt gezahlt wurde.
Für ein Vorenthalten im Sinne des § 266a StGB reicht es aus, wenn die Sozialversicherungsbeiträge nicht am Tag der Fälligkeit abgeführt werden.
Tatobjekt des § 266a Abs. 1 StGB sind allein die Arbeitnehmerbeiträge vom Gesamtsozialversicherungsbeitrag, der sich aus den Beiträgen zur Kranken, Pflege-, Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung zusammensetzt und regelmäßig zur Hälfte von Arbeitgeber und Arbeitnehmer getragen wird.
Unter der Voraussetzung, dass gegenüber der zuständigen Einzugsstelle über sozialversicherungsrechtlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben gemacht oder sie über solche Tatsachen in Unkenntnis gelassen wird, ist nach § 266a Abs. 2 StGB auch das Vorenthalten von Arbeitgeberbeiträgen mit Strafe bedroht.
Sonstige Teile des Arbeitsentgelts werden hingegen von § 266a Abs. 3 StGB erfasst.
Für Straftaten nach den Absätzen 1 und 2 des § 266a StGB droht eine Freiheitsstrafe bis zu 5 Jahren oder Geldstrafe, in besonders schweren Fällen (§ 266a Abs. 4 StGB) sogar eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren.
Taten nach § 266a StGB verjähren innerhalb von 5 Jahren nach Tatbeendigung, § 78 Abs. 3 Nr. 4 StGB.
Nach der bis vor Kurzem herrschenden Meinung war eine Tatbeendigung jedoch erst mit dem Wegfall der Beitragspflicht anzunehmen, was zu dem nicht nachvollziehbaren Ergebnis führte, dass die Beitragsvorenthaltung erst nach 35 Jahren, schlimmstenfalls sogar erst nach 40 Jahren verjährte. Erst mit Urteil vom 01.09.20 (1 StR 58/10) hat der Bundesgerichtshof seine bisherige verfehlte Rechtsauffassung aufgegeben und sich nun der von uns vertretenen Auffassung angeschlossen, wonach Straftaten der Beitragsvorenthaltung nicht erst mit Verjährung der Zahlungsansprüche, also nach 30 Jahren, sondern mit Verstreichen des gesetzlichen Fälligkeitstermins, also am 10. des Folgemonats, zu verjähren beginnen (s. Bachmann, Zur Strafverfolgungsverjährung der Beitragsvorenthaltung gemäß § 266a Abs. 1 StGB, Samson-Festschrift 2010, S. 233ff.).
Zwei wesentliche, in der Praxis häufig anzutreffende Fallkonstellation im Geltungsbereich des § 266a StGB sind die Beschäftigung von Scheinselbständigen und „Schwarzarbeitern“.
Während im Fall von Schwarzarbeit die Beschäftigung gegenüber den zuständigen Stellen bewusst verschwiegen oder nur unvollständige Angaben erteilt werden, liegen der Beschäftigung von Scheinselbständigen oft lediglich beitragsrechtliche Fehleinschätzungen zugrunde, die den für eine Strafbarkeit notwendigen Vorsatz vermissen lassen.
Leider zeigt sich in der Praxis, dass die Ermittlungsbehörden dazu neigen, auch bei beitragsrechtlichen Fehleinschätzungen mit der Einleitung eines Strafverfahrens zu reagieren und dem Arbeitgeber vorzuwerfen, er habe bewusst sozialversicherungsrechtlich abhängige Beschäftigte als vermeintlich Selbständige beauftragt, um sich seinen beitragsrechtlichen Pflichten zu entziehen.
Verteidigungshaushalt ergibt sich überdies oftmals im Hinblick auf die Höhe der vorgeworfenen Beitragsvorenthaltung, die regelmäßig auf der Grundlage der sog. „Zwei-Drittel-Rechtsprechung“ des Bundesgerichtshofs ermittelt wird, wobei den Ermittlungsbehörden häufig systematische und rechnerische Fehler unterlaufen, die zu einem überhöhten vermeintlichen Beitragsschaden führen.
Sieht sich der Beschuldigte Vorwürfen nach § 266a StGB ausgesetzt, ist es auch vor diesem Hintergrund wichtig, möglichst frühzeitig einen spezialisierten Verteidiger beizuziehen, der sich durch einen Blick in die Ermittlungsakten einen Überblick über den Vorwurf verschafft und von Anfang an eine Verteidigungsstrategie entwickelt, die auch die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Folgen, die regelmäßig von existenzbedrohender wirtschaftlicher Bedeutung sind, im Blick behält.