Wer gegenüber der Finanzbehörde zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart in vollem Umfang die unrichtigen Angaben berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachholt, wird wegen dieser Steuerstraftaten nicht wegen Steuerhinterziehung bestraft.
Die Angaben müssen zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre erfolgen.
Zu beachten ist, dass Straffreiheit dann nicht eintritt, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung eine der Steuerstraftaten ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste (Sperrgrund der Tatentdeckung) oder die nach § 370 Absatz 1 AO verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000 Euro je Tat übersteigt.
Sind Steuerverkürzungen bereits eingetreten oder Steuervorteile erlangt, so tritt für den an der Tat Beteiligten Straffreiheit nur ein, wenn er die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern innerhalb der ihm bestimmten angemessenen Frist entrichtet.
In Fällen, in denen Straffreiheit nur deswegen nicht eintritt, weil der Hinterziehungsbetrag 25.000 Euro übersteigt, wird von der Verfolgung einer Steuerstraftat abgesehen, wenn der an der Tat Beteiligte innerhalb einer ihm bestimmten angemessenen Frist die aus der Tat zu seinen Gunsten hinterzogenen Steuern, die Hinterziehungszinsen nach § 235 und die Zinsen nach § 233a, soweit sie auf die Hinterziehungszinsen nach § 235 Absatz 4 angerechnet werden, entrichtet und einen Geldbetrag in Höhe von 10 bis 20 Prozent der hinterzogenen Steuer zugunsten der Staatskasse zahlt.
Die Finanzverwaltung vertritt in den Anweisungen für das Straf- und Bußgeldverfahren (Steuer) – AStBV (St)2019 die Auffassung, dass jeder an der Tat Beteiligte den Zuschlag in voller Höhe entrichten muss, damit von der strafrechtlichen Verfolgung gegen ihn abgesehen wird.
Der Zuschlag fällt bei mehreren Tätern also auch mehrfach an.
Bei fremdnützigen Hinterziehungen durch Mitarbeiter eines Unternehmens zugunsten
einer juristischen Person, ist die vollständige Nachzahlung keine Voraussetzung für den Eintritt der strafbefreienden Rechtsfolgen. § 371 Abs. 3 und § 398a Abs. 1 Nr. 1 AO verlangen nur die Nachzahlung der zu Gunsten des Tatbeteiligten hinterzogenen Steuern.
Zu beachten ist aber gleichwohl, dass jeder Tatbeteiligte nach den steuerlichen Haftungsvorschriften der §§ 69, 71 AO für den gesamten hinterzogenen Betrag in Anspruch genommen werden kann.
Die (steuerliche) Nachzahlungspflicht des Unternehmens bleibt daneben bestehen und ist im Bedarfsfall (Nichtzahlung trotz Fälligkeit) mit Zwangsmitteln durchsetzbar.
Straffreiheit tritt nicht ein, wenn bei einer der zur Selbstanzeige gebrachten unverjährten Steuerstraftaten vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung eine Prüfungsanordnung nach bekannt gegeben worden ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der angekündigten Außenprüfung, oder die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens bekannt gegeben worden ist.
Selbiges gilt für den Fall, dass ein Amtsträger der Finanzbehörde zur Prüfung erschienen ist, beschränkt auf den sachlichen und zeitlichen Umfang der Außenprüfung, oder
Die Sperrwirkung tritt auch ein, wenn Amtsträger zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder ein Amtsträger der Finanzbehörde zu einer Umsatzsteuer-Nachschau nach § 27b des Umsatzsteuergesetzes, einer Lohnsteuer-Nachschau nach § 42g des Einkommensteuergesetzes oder einer Nachschau nach anderen steuerrechtlichen Vorschriften erschienen ist und sich ausgewiesen hat oder eine der Steuerstraftaten im Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste, die nach § 370 Absatz 1 verkürzte Steuer oder der für sich oder einen anderen erlangte nicht gerechtfertigte Steuervorteil einen Betrag von 25.000 Euro je Tat übersteigt, oder ein in § 370 Absatz 3 Satz 2 Nummer 2 bis 5 genannter besonders schwerer Fall vorliegt.
Tatentdeckung
An den Sperrgrund der Tatentdeckung werden keine besonders hohen Anforderungen gestellt. In der Regel ist eine Tatentdeckung bereits dann anzunehmen, wenn unter Berücksichtigung der Steuerquelle oder der zum Auffinden der Steuerquelle bekannten weiteren Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit naheliegt.
Die Tat wird stets als entdeckt angesehen, wenn der Abgleich mit Steuererklärungen des Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde. Entdeckung ist aber auch schon vor einem Abgleich denkbar, etwa bei Aussagen von Zeugen, die zum Inhalt der Steuererklärungen Angaben machen können, oder bei verschleierten Steuerquellen, wenn die Art und Weise der Verschleierung nach kriminalistischer Erfahrung ein deutliches Indiz für unvollständige oder unrichtige Angaben ist.
Die Person des Täters braucht nicht namentlich bekannt zu sein. Entdeckt sein muss die Tat, nicht der Täter.
Entdecker der Tat kann grundsätzlich jeder sein. Hier kommen in erster Linie Finanzbehörden und Staatsanwaltschaften, allerdings auch Privatpersonen und andere Behörden in Betracht.
Die Sperrwirkung setzt jedoch voraus, dass damit zu rechnen ist, dass der Entdecker seine Kenntnis an die zuständige Behörde weiterleitet. In Fällen internationaler Rechtshilfe kann sich eine solche Lage nicht erst zu dem Zeitpunkt ergeben, in dem sich die ausländischen Behörden zur Bewilligung der Rechtshilfe entschließen. Sie kann auch schon mit dem Auffinden der Unterlagen gegeben sein. Hierbei soll es dann insbesondere auf die Wahrscheinlichkeit der Rechtshilfegewährung ankommen.
Der Täter hat Kenntnis von der Entdeckung der Tat, wenn er aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss gezogen hat, eine Behörde oder ein anzeigewilliger Dritter habe von seiner Tat so viel erfahren, dass seine Verurteilung bei vorläufiger Beurteilung wahrscheinlich sei. Eine von ihm lediglich vermutete Entdeckung, die tatsächlich aber nicht stattgefunden hat, schließt die Straffreiheit nicht aus.
„Mit der Entdeckung rechnen müssen“ bedeutet, dass der Täter aus den ihm bekannten Tatsachen den Schluss hätte ziehen müssen (es sich ihm also aufdrängen musste), dass eine bereits erfolgte Entdeckung der Tat nicht unwahrscheinlich ist. An die Tatsachengrundlage für diesen Schluss sind dabei keine hohen Anforderungen zu stellen. Mit einem Umstand rechnen zu müssen, bedeutet nicht, ihn kennen zu müssen im Sinne von sicher auf eine Tatentdeckung schließen zu können. Mit einer Tatentdeckung rechnen muss der Täter auch dann, wenn für ihn noch eine Unsicherheit besteht, dass die Entdeckung der Tat tatsächlich stattgefunden hat. Denn nach dem Wortlaut genügt, dass der Täter aufgrund der ihm bekannten Tatsachen konkrete Anhaltspunkte dafür hat, dass seine Tat jedenfalls zum Teil entdeckt sein könnte. Es ist dabei nicht erforderlich, dass er die Entdeckung für wahrscheinlich hält. Die Entdeckung darf nach seinem Kenntnisstand nur nicht äußerst unwahrscheinlich sein. Maßgebend für die „verständige Würdigung der Sachlage“ ist die individuelle Erkenntnis- und Urteilsfähigkeit des Täters.
In allen Fällen muss die Tat aber tatsächlich bereits entdeckt worden sein.
Tatsächliche Zweifel, ob dem Täter Umstände bekannt waren, aus denen er auf die Möglichkeit der Tatentdeckung schließen konnte, wirken nach dem Grundsatz in dubio pro reo zu Gunsten des Täters.
Kreis der Selbstanzeigeerstatter
Selbstanzeige erstatten kann zunächst jeder Tatbeteiligte, also jeder (Allein-, Mit-, Neben-, unmittelbare/mittelbare) Täter (§ 25 StGB) oder Teilnehmer (§§ 26, 27 StGB). Der Selbstanzeigeerstatter muss nicht (kann aber) der Steuerschuldner oder Haftungsschuldner sein.
Bei unternehmensbezogenen Steuerhinterziehungen kommen insbesondere die geschäftsführenden Gesellschafter (GbR, OHG, KG), die aktuellen und früheren Geschäftsführer bzw. Vorstände (GmbH, AG), die Leiter der Finanz-, Steuer- und Rechtsabteilung sowie weitere fachkundige Mitarbeiter als unmittelbarer oder mittelbarer Täter, als Mittäter oder Teilnehmer (Anstifter, Gehilfe) in Betracht.
Eine Selbstanzeige kann auch unter bestimmten Voraussetzungen auch „vorsorglich“ im Namen von Personen abgegeben werden, bei denen unklar ist, ob die Ermittlungsbehörden sie als Tatbeteiligte behandeln werden. Auch sie profitieren im Bedarfsfall von der Abschirmwirkung.
Sofern ein Dritter Selbstanzeige für einen Tatbeteiligten erstatten, ist eine vorherige Auftragserteilung und Bevollmächtigung erforderlich. Wird kein Auftrag und keine Vollmacht zur Selbstanzeigeerstattung erteilt, ist die Selbstanzeige allein schon deshalb unwirksam.
Allein die Abgabe einer Selbstanzeige für mehrere Vertretene stellt keinen Verstoß gegen das Verbot der Mehrfachvertretung (§ 146 StPO) dar, da sie keine Strafverteidigung ist.
Abwendung von Unternehmensbußen
Steuerstraftaten und Steuerordnungswidrigkeiten von Leitungspersonen können neben der Ahndung des Täters auch zur Verhängung von Verbandsgeldbußen in Höhe von bis zu 10 Mio. Euro gegen das Unternehmen führen.
Sofern allerdings eine wirksame Selbstanzeige aller Leitungspersonen, deren Tatbeteiligung in Rede steht, vorliegt, scheidet die Verhängung einer Verbandsgeldbuße im Ergebnis aus, § 30 Abs. 4 S. 3 OWiG.
Sämtliche Leitungspersonen i.S.d. § 30 Abs. 1 OWiG, deren Straftat oder Ordnungswidrigkeit das Unternehmen sich zurechnen lassen muss, sind hierfür in die Selbstanzeige einzubeziehen. (Nur) in diesem Fall kann die Selbstanzeige als Schutzschirm auch für das Unternehmen wirken.
Schätzung
Soweit dem Steuerpflichtigen wegen fehlender oder ungeeigneter Belege eine genau bezifferte Selbstanzeige nicht möglich ist, sind alle erforderlichen Angaben über die steuerlich erheblichen Tatsachen, notfalls auf der Basis einer Schätzung anhand der ihm bekannten Informationen, zu berichtigen, zu ergänzen oder nachzuholen.
Diese Angaben müssen in jedem Fall so geartet sein, dass die Finanzbehörde in der Lage ist, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollends aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen. Genügen die Angaben - bei Anwendung eines strengen Maßstabs - diesen Anforderungen nicht, liegt eine wirksame Selbstanzeige nicht vor. Vielmehr ist dann lediglich die Ankündigung einer Selbstanzeige gegeben.
Strafbefreiung tritt auch dann nicht ein, wenn erkennbar unzureichende Angaben als Berichtigung von den für die Entscheidung über die Strafbefreiung zuständigen Stellen hingenommen werden, ohne dass rechtlich gebotene Nachforschungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts angestellt werden.
Die Schätzung darf nicht zu niedrig sein. Nach der neuen Gesetzesfassung des § 371 Abs. 1 AO, die für die Wirksamkeit einer Selbstanzeige eine Berichtigung bzw. Nacherklärung "in vollem Umfang" verlangt, ist nach Auffassung des Bundesgerichtshofs jedenfalls eine Abweichung mit einer Auswirkung von mehr als fünf Prozent vom Verkürzungsbetrag i.S.d. § 370 Abs. 4 AO nicht mehr geringfügig ist. Wurden damit z.B. im Rahmen einer Steuerhinterziehung Steuern im Umfang von 100.000 Euro verkürzt, so wären die Abweichungen in einer sich auf diese Tat beziehenden Selbstanzeige jedenfalls dann nicht mehr geringfügig, wenn durch die Selbstanzeige lediglich eine vorsätzliche Verkürzung von weniger als 95.000 Euro aufgedeckt würde.
Abweichungen mit einer Auswirkung von mehr als 5 % vom Verkürzungsbetrag sind demnach nicht mehr geringfügig und führen damit zur Unwirksamkeit der Selbstanzeige. Bei Abweichungen unter 5 % entscheidet die Gesamtwürdigung. Es kommt insbesondere auf die Umstände an, die zu der Abweichung geführt haben. Nicht strafbefreiend ist die bewusste Abweichung. Dagegen kann beispielsweise bei Schätzungen auf der Grundlage unvollständiger Unterlagen Strafbefreiung eintreten.
Folge einer Schätzung kann sein, dass das Finanzamt Steuerbescheide schon auf Grundlage der geschätzten Erträge erlässt. Zur Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen kann die für die Steuerfestsetzung zuständige Finanzbehörde zudem den Arrest in das bewegliche oder unbewegliche Vermögen anordnen, wenn zu befürchten ist, dass sonst die Beitreibung vereitelt oder wesentlich erschwert wird. Die festgesetzten Steuern wären dann auch zu zahlen.
In der Folge kann in derartigen Fällen über das Einspruchsverfahren versucht werden, die Beträge zu reduzieren. Dies gelingt dann, wenn in der Folge aussagekräftige Bankunterlagen, sonstige benötigte Belege und vollständige bzw. ergänzte Steuererklärungen im Rahmen des Einspruchsverfahrens beigebracht werden. Lässt sich die Schätzung nicht zweifelsfrei durch geeignete Unterlagen korrigieren, besteht die Gefahr, dass die objektiv zu hohe Schätzung bestehen bleibt. Dies gilt auch für die Frage der unbeschränkten Steuerpflicht, der Zuordnung von Einkünften zu bestimmten Einkunftsarten sowie der Zuordnung des Besteuerungsrechts.
Folgen einer unwirksamen Selbstanzeige
Die Abgabe einer unwirksamen Selbstanzeige kann empfindliche strafrechtliche Konsequenzen haben. Zu bedenken ist insbesondere, dass der Bundesgerichtshof im Jahr 2008 geäußert hat, dass eine Steuerhinterziehung von mehr als 1 Mio. Euro in der Regel zu einer Freiheitsstrafe ohne Bewährung führen soll. Steht eine solche Tat / solche Taten in Frage, sieht der BGH keinen Raum mehr für einen Strafbefehl, sondern geht von der Notwendigkeit aus, eine ordentliche - öffentliche - Hauptverhandlung durchzuführen.
Die Grenze von 1 Mio. Euro ist nicht starr. Vielmehr können auch schon bei geringeren Hinterziehungsbeträgen Freiheitsstrafen ohne Bewährung verhängt werden.
Sofern die Selbstanzeige für unwirksam befunden wird, kann im Ergebnis trotz Mitwirkung und Schadenswiedergutmachung eine Verurteilung auch zu einer Freiheitsstrafe nicht ausgeschlossen werden. Geldstrafen können hinzukommen.
Auch zu Durchsuchungen kann es im Einzelfall nach Abgabe einer Selbstanzeige kommen.
Einziehung
Hat der Steuerhinterzieher durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so hat das Gericht zwingend die Einziehung des „Taterlangten“ anzuordnen (§ 73 Abs. 1 StGB). Das Erlangte entspricht regelmäßig den ersparten Steuern oder den zu Unrecht erlangten Steuervorteilen. Insoweit wird die Einziehung von Wertersatz angeordnet.
Das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 AO steht einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nicht entgegen, § 375a AO. Seit dem 01.07.2020 unterliegen demnach auch steuerrechtlich verjährte Steueransprüche der Einziehung. Nach Art. 97 § 34 EGAO gilt dies für alle am 1. Juli 2020 noch nicht verjährten Steueransprüche.
Wir erstellen für unsere Mandanten die Selbstanzeige und betreuen das Verfahren bis zum Abschluss: Erlangung der Straffreiheit.
Unsere Mandanten vertrauen auf unsere jahrzehntelange Erfahrung aus der Erstellung von Selbstanzeigen.
Das Recht der Selbstanzeige ist komplex. Die Möglichkeit und die Anforderungen an die Selbstanzeige müssen sorgfältig geprüft werden. Vor der Fertigung der Selbstanzeige steht daher die eingehende Beratung des Mandanten unter dem Schutz der anwaltlichen Verschwiegenheit.