Resolution: „Anwälte gegen Angriffe auf Bürgerrechte“

R E S O L U T I O N „Anwälte gegen Angriffe auf Bürgerrechte“ Anlässlich des Strafverteidiger-Kolloquiums 2001 der DAV-Arbeitsgemeinschaft Strafrecht am 9. November 2001 in Hamburg wurde in der aktuellen Veranstaltung des Deutschen Anwaltvereins, an der ca. 300 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus allen Teilen der Bundesrepublik teilgenommen haben, einstimmig die nachfolgende Resolution verabschiedet: 1. Auch in seiner modifizierten Form beinhaltet der Regierungsentwurf eines Terrorismusbekämpfungsgesetzes verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Regelungen, die teilweise zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet sind und schwerste Eingriffe in Grundrechte (Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Post– und Fernmeldegeheimnis) vorsehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass den Geheimdiensten erlaubt wird, Auskünfte zu sämtlichen Konten, Kontoinhabern und zu allen Geldbewegungen und Geldanlagen einzuholen, den Post– und Telekommunikationsverkehr umfassend zu überwachen (also beispielsweise aufgrund erhobener Mobil-Telefon-Daten auch Bewegungsprofile der Bürger zu erstellen). Ebenfalls inakzeptabel, weil es gegen das Prinzip der Trennung zwischen Polizeibehörden einerseits und Geheimdiensten andererseits verstößt, ist die geplante Neufassung des § 7 Abs.2 des Bundeskriminalamtsgesetzes, wenn dort vorgesehen ist, dem Bundeskriminalamt Zugriff zu den von den Geheimdiensten erhobenen Daten zu gewähren. Die vorgesehene Aufnahme biometrischer Daten in Personalausweis und Pass ist zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet und schon deshalb abzulehnen. Es wäre fatal, wenn der Terroranschlag vom 11.9.2001 zur Folge hätte, dass die Qualität unseres Gemeinwesens wesentlich mitbestimmende Bürgerrechte unterhöhlt und damit de facto abgeschafft würden. Diese Gefahr besteht angesichts des Entwurfs des Terrorismusbekämpfungsgesetzes nicht mehr nur theoretisch, sondern konkret. 2. Bürgerrechte werden darüber hinaus erheblich bedroht durch geplante Verschärfungen der Regelungen zur Geldwäsche ebenso wie durch aktuelle Rechtsprechung zur Geldwäsche. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, das Honorar des Strafverteidigers dem Straftatbestand der Geldwäsche zu unterwerfen, bedroht das mit Verfassungsrang ausgestattete Institut der Wahlverteidigung. Sie beeinträchtigt tiefgreifend das Recht des Bürgers, sich eines Verteidigers seiner Wahl zu bedienen. Sie zerstört das für jede Verteidigung elementare Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Verteidiger. Für den Verteidiger begründet diese Entscheidung - angesichts der niedrigen Schwelle des sogenannten „Anfangsverdachts“ - die ständige Gefahr, dass der Verteidiger selbst Beschuldigter eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wird und schwerwiegenden Eingriffen in seine Berufsausübung, wie etwa einer Durchsuchung seiner Kanzleiräume, ausgesetzt ist. 3. Das anwaltliche Selbstverständnis und das Mandatsgeheimnis werden durch den zwischen Europäischem Parlament und Kommission gefundenen Kompromiss über eine 2. EU-Geldwäsche-Richtlinie neu definiert und eingeschränkt. Rechtsanwälte werden zur Meldung von Geldwäsche-Verdachtsfällen ihrer Mandanten verpflichtet. Ausnahmen sind nur vorgesehen für die Vertretung vor Gericht und die Beratungstätigkeit, es sei denn, dass die Beratungstätigkeit sich gerade auf Geldwäschezwecke bezieht. Inakzeptabel ist, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht über eine Verdachtsmeldung unterrichten soll. 4. Die Steuerhinterziehung ist, ob man das billigt oder nicht, ein allgemein verbreitetes Delikt mit großer sozialer Breite und Tiefe. Es ist abzulehnen, in allen diesen Fällen die Sanktionen der Geldwäschebekämpfung greifen zu lassen ( dies würde dazu führen, dass den Hinterzieher niemand - kein Steuerberater, kein Anwalt mehr beraten kann, kein Handwerker ihn mehr beliefern kann - der nur den Verdacht hat, sein Gegenüber hinterziehe Steuern). Die Einschränkung auf eine wie immer abgegrenzte schwere Steuerhinterziehung funktioniert nicht, da die Strafverfolger, z.B. die Steuerfahndung, in der Regel mit dem weitesten Verdacht die Ermittlungen beginnen. Und allein der Verdacht der schweren Steuerhinterziehung reicht, die Folgen der Geldwäsche greifen zu lassen. 5. Der Deutsche Anwaltverein appelliert an den Gesetzgeber, die unser Gemeinwesen kennzeichnenden, existentiell notwendigen und für unser Zusammenleben unerlässlichen Bürgerrechte zu respektieren und unangetastet zu lassen. Maßnahmen zur Abwehr der Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat dürfen nicht selbst den Rechtsstaat gefährden. Deutscher Anwaltverein, Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 0 30 / 72 61 52 – 0, Fax: 0 30 / 72 61 52 - 190 www.dav.de

17.11.2001, Dr. Bachmann

R E S O L U T I O N „Anwälte gegen Angriffe auf Bürgerrechte“ Anlässlich des Strafverteidiger-Kolloquiums 2001 der DAV-Arbeitsgemeinschaft Strafrecht am 9. November 2001 in Hamburg wurde in der aktuellen Veranstaltung des Deutschen Anwaltvereins, an der ca. 300 Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte aus allen Teilen der Bundesrepublik teilgenommen haben, einstimmig die nachfolgende Resolution verabschiedet: 1. Auch in seiner modifizierten Form beinhaltet der Regierungsentwurf eines Terrorismusbekämpfungsgesetzes verfassungsrechtlich höchst bedenkliche Regelungen, die teilweise zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet sind und schwerste Eingriffe in Grundrechte (Recht auf informationelle Selbstbestimmung als Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, Post– und Fernmeldegeheimnis) vorsehen. Es ist nicht hinnehmbar, dass den Geheimdiensten erlaubt wird, Auskünfte zu sämtlichen Konten, Kontoinhabern und zu allen Geldbewegungen und Geldanlagen einzuholen, den Post– und Telekommunikationsverkehr umfassend zu überwachen (also beispielsweise aufgrund erhobener Mobil-Telefon-Daten auch Bewegungsprofile der Bürger zu erstellen). Ebenfalls inakzeptabel, weil es gegen das Prinzip der Trennung zwischen Polizeibehörden einerseits und Geheimdiensten andererseits verstößt, ist die geplante Neufassung des § 7 Abs.2 des Bundeskriminalamtsgesetzes, wenn dort vorgesehen ist, dem Bundeskriminalamt Zugriff zu den von den Geheimdiensten erhobenen Daten zu gewähren. Die vorgesehene Aufnahme biometrischer Daten in Personalausweis und Pass ist zur Terrorismusbekämpfung ungeeignet und schon deshalb abzulehnen. Es wäre fatal, wenn der Terroranschlag vom 11.9.2001 zur Folge hätte, dass die Qualität unseres Gemeinwesens wesentlich mitbestimmende Bürgerrechte unterhöhlt und damit de facto abgeschafft würden. Diese Gefahr besteht angesichts des Entwurfs des Terrorismusbekämpfungsgesetzes nicht mehr nur theoretisch, sondern konkret. 2. Bürgerrechte werden darüber hinaus erheblich bedroht durch geplante Verschärfungen der Regelungen zur Geldwäsche ebenso wie durch aktuelle Rechtsprechung zur Geldwäsche. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, das Honorar des Strafverteidigers dem Straftatbestand der Geldwäsche zu unterwerfen, bedroht das mit Verfassungsrang ausgestattete Institut der Wahlverteidigung. Sie beeinträchtigt tiefgreifend das Recht des Bürgers, sich eines Verteidigers seiner Wahl zu bedienen. Sie zerstört das für jede Verteidigung elementare Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Verteidiger. Für den Verteidiger begründet diese Entscheidung - angesichts der niedrigen Schwelle des sogenannten „Anfangsverdachts“ - die ständige Gefahr, dass der Verteidiger selbst Beschuldigter eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens wird und schwerwiegenden Eingriffen in seine Berufsausübung, wie etwa einer Durchsuchung seiner Kanzleiräume, ausgesetzt ist. 3. Das anwaltliche Selbstverständnis und das Mandatsgeheimnis werden durch den zwischen Europäischem Parlament und Kommission gefundenen Kompromiss über eine 2. EU-Geldwäsche-Richtlinie neu definiert und eingeschränkt. Rechtsanwälte werden zur Meldung von Geldwäsche-Verdachtsfällen ihrer Mandanten verpflichtet. Ausnahmen sind nur vorgesehen für die Vertretung vor Gericht und die Beratungstätigkeit, es sei denn, dass die Beratungstätigkeit sich gerade auf Geldwäschezwecke bezieht. Inakzeptabel ist, dass der Rechtsanwalt seinen Mandanten nicht über eine Verdachtsmeldung unterrichten soll. 4. Die Steuerhinterziehung ist, ob man das billigt oder nicht, ein allgemein verbreitetes Delikt mit großer sozialer Breite und Tiefe. Es ist abzulehnen, in allen diesen Fällen die Sanktionen der Geldwäschebekämpfung greifen zu lassen ( dies würde dazu führen, dass den Hinterzieher niemand - kein Steuerberater, kein Anwalt mehr beraten kann, kein Handwerker ihn mehr beliefern kann - der nur den Verdacht hat, sein Gegenüber hinterziehe Steuern). Die Einschränkung auf eine wie immer abgegrenzte schwere Steuerhinterziehung funktioniert nicht, da die Strafverfolger, z.B. die Steuerfahndung, in der Regel mit dem weitesten Verdacht die Ermittlungen beginnen. Und allein der Verdacht der schweren Steuerhinterziehung reicht, die Folgen der Geldwäsche greifen zu lassen. 5. Der Deutsche Anwaltverein appelliert an den Gesetzgeber, die unser Gemeinwesen kennzeichnenden, existentiell notwendigen und für unser Zusammenleben unerlässlichen Bürgerrechte zu respektieren und unangetastet zu lassen. Maßnahmen zur Abwehr der Angriffe auf den demokratischen Rechtsstaat dürfen nicht selbst den Rechtsstaat gefährden. Deutscher Anwaltverein, Littenstr. 11, 10179 Berlin, Telefon: 0 30 / 72 61 52 – 0, Fax: 0 30 / 72 61 52 - 190 www.dav.de

17.11.2001, Dr. Bachmann

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