OLG Celle zu den notwendigen Feststellungen bei Beitragsvorenthaltung
Der Tatrichter muss bei einem Schuldspruch nach § 266a Abs. 1 StGB die der Sozialversicherung geschuldeten Beiträge feststellen, um die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils zu ermöglichen. Festzustellen sind diese nach Anzahl, Beschäftigungszeiten und Löhnen der Arbeiternehmer und nach der Höhe des Beitragssatzes des jeweiligen Sozialversicherungsträgers (vgl. BGH, Urt. vom 20.3.1996 – 2 StR 4/96 = NStZ 1996, 543; Beschl. vom 28.2.2007 – 5 StR 544/ 06 = wistra 2007, 220; Fischer, StGB, 63.Aufl., 2016, § 266a Rn. 9d).
Die bloße Feststellung der Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile, der durch das Vorenthalten geschädigten Krankenkasse sowie der Beitragsmonate genügt demgegenüber nur dann, wenn das Urteil auf Beitragsnachweisen (§ 28f Abs. 3 S. 1 SGB IV) beruht, also Berechnungen der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber, hier also die Angeklagten. Dies muss das Tatgericht in seinem Urteil bei der Beweiswürdigung darlegen (vgl. BGH, Beschl. vom 7.10.2010 – 1 StR 424/10 = NStZ 2011, 161; OLG Braunschweig, Beschl. vom 27.5.2015 – 1 Ss 14/15, juris).
Diesen Anforderungen wird das Urteil des Landgerichts nicht gerecht. Zum einen hat das Landgericht keine Feststellungen zur Höhe des jeweiligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge getroffen, sondern ausschließlich zur Höhe der vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile, zudem auch nicht zu den jeweiligen Beitragssätzen der Krankenkassen und es hat auch nicht die Löhne der drei Arbeitnehmer in den betreffenden Zeiträumen mitgeteilt. Dies wäre indes erforderlich gewesen, wenn Beitragsnachweise nicht vorlagen. Dazu stellt das Landgericht nichts fest.
- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- Täter des Sonderdelikts nach § 266a StGB kann nur der Arbeitgeber oder eine diesem gleichgestellte Person sein. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die von den Angeklagten gemeinsam geführte Gesellschaft bürgerlichen Rechts Arbeitgeber. Die Insolvenzanträge der Krankenkassen richteten sich nicht gegen die beiden Angeklagten, sondern gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dies belegt, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Arbeitgeberin der in ihrem Geschäftsbetrieb tätigen Arbeitnehmer war.
Bei einer rechtsfähigen Personengesellschaft wird das die Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB begründende besondere persönliche Merkmal der Arbeitgebereigenschaft (vgl. BGH, Beschl. vom 14.6.2011 – 1 StR 90/11, wistra 2011, 344) nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf die für diese handelnden vertretungsberechtigten Gesellschafter erstreckt (vgl. Fischer, a.a.O., § 266a Rn. 5). Den Feststellungen des Landgerichts lässt sich entnehmen, dass auch der Angeklagte S. P. F. vertretungsberechtigter Gesellschafter war. Im Verhältnis zum Angeklagten R. F. kam ihm im Geschäftsbetrieb der Gesellschaft keine untergeordnete Rolle zu. Vielmehr nahm er im Rahmen einer von den Angeklagten gewählten Aufgabenzuweisung eine gleichberechtigte Position innerhalb des Betriebs wahr.
Trotz der von den Angeklagten getroffenen Aufgabenverteilung, wonach der Angeklagte R. F. vorrangig die Buchhaltung übernahm und die Löhne überwies, war auch der Angeklagte S. P. F. Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB. Durch eine Zuständigkeitsverteilung innerhalb einer mehrgliedrigen Geschäftsleitung kann sich einer der Beteiligten nicht der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten entledigen. Jedoch kann sich seine Handlungspflicht in solchen Fällen auf eine Pflicht zur Überwachung des Handelns der übrigen Beteiligten reduzieren, die ihn zum Eingreifen veranlassen muss, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben nicht mehr gewährleistet ist (vgl. BGH, Urt. vom 20.3.1986 – II ZR 114/85 – ZIP 1987, 1050 (1051); BGH, Urt. vom 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – wistra 1990, 342, (346 f.); OLG Düsseldorf NStZ 1981, 265; Möhrenschlager in LK-StGB, 12. Aufl., 2012, § 266a Rn. 21). Dies gilt insbesondere für das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. BGH, Urt. vom 29.2.1972 – VI ZR 199/70 = VersR 1972, 554, 556; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 289). In solchen Fällen kann aber häufig der Vorsatz des Überwachungspflichtigen fraglich sein (vgl. Fischer, a.a.O, § 266a Rn. 5). Feststellungen dazu, ob dem Angeklagten S. P. F. bekannt war, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden sind, hat das Landgericht aber nicht getroffen.
OLG Celle, Beschl. vom 12. Januar 2016 – 2 Ss 188/15
wistra 2016, 334
29.08.16, Dr. Jochen Bachmann
Der Tatrichter muss bei einem Schuldspruch nach § 266a Abs. 1 StGB die der Sozialversicherung geschuldeten Beiträge feststellen, um die revisionsrechtliche Überprüfung des Urteils zu ermöglichen. Festzustellen sind diese nach Anzahl, Beschäftigungszeiten und Löhnen der Arbeiternehmer und nach der Höhe des Beitragssatzes des jeweiligen Sozialversicherungsträgers (vgl. BGH, Urt. vom 20.3.1996 – 2 StR 4/96 = NStZ 1996, 543; Beschl. vom 28.2.2007 – 5 StR 544/ 06 = wistra 2007, 220; Fischer, StGB, 63.Aufl., 2016, § 266a Rn. 9d).
Die bloße Feststellung der Höhe der vorenthaltenen Gesamtsozialversicherungsbeiträge und der darin enthaltenen Arbeitnehmeranteile, der durch das Vorenthalten geschädigten Krankenkasse sowie der Beitragsmonate genügt demgegenüber nur dann, wenn das Urteil auf Beitragsnachweisen (§ 28f Abs. 3 S. 1 SGB IV) beruht, also Berechnungen der geschuldeten Sozialversicherungsbeiträge durch den Arbeitgeber, hier also die Angeklagten. Dies muss das Tatgericht in seinem Urteil bei der Beweiswürdigung darlegen (vgl. BGH, Beschl. vom 7.10.2010 – 1 StR 424/10 = NStZ 2011, 161; OLG Braunschweig, Beschl. vom 27.5.2015 – 1 Ss 14/15, juris).
Diesen Anforderungen wird das Urteil des Landgerichts nicht gerecht. Zum einen hat das Landgericht keine Feststellungen zur Höhe des jeweiligen Gesamtsozialversicherungsbeiträge getroffen, sondern ausschließlich zur Höhe der vorenthaltenen Arbeitnehmeranteile, zudem auch nicht zu den jeweiligen Beitragssätzen der Krankenkassen und es hat auch nicht die Löhne der drei Arbeitnehmer in den betreffenden Zeiträumen mitgeteilt. Dies wäre indes erforderlich gewesen, wenn Beitragsnachweise nicht vorlagen. Dazu stellt das Landgericht nichts fest.
- Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
- Täter des Sonderdelikts nach § 266a StGB kann nur der Arbeitgeber oder eine diesem gleichgestellte Person sein. Nach den Feststellungen des Landgerichts war die von den Angeklagten gemeinsam geführte Gesellschaft bürgerlichen Rechts Arbeitgeber. Die Insolvenzanträge der Krankenkassen richteten sich nicht gegen die beiden Angeklagten, sondern gegen die Gesellschaft bürgerlichen Rechts. Dies belegt, dass die Gesellschaft bürgerlichen Rechts Arbeitgeberin der in ihrem Geschäftsbetrieb tätigen Arbeitnehmer war.
Bei einer rechtsfähigen Personengesellschaft wird das die Strafbarkeit nach § 266a Abs. 1 StGB begründende besondere persönliche Merkmal der Arbeitgebereigenschaft (vgl. BGH, Beschl. vom 14.6.2011 – 1 StR 90/11, wistra 2011, 344) nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf die für diese handelnden vertretungsberechtigten Gesellschafter erstreckt (vgl. Fischer, a.a.O., § 266a Rn. 5). Den Feststellungen des Landgerichts lässt sich entnehmen, dass auch der Angeklagte S. P. F. vertretungsberechtigter Gesellschafter war. Im Verhältnis zum Angeklagten R. F. kam ihm im Geschäftsbetrieb der Gesellschaft keine untergeordnete Rolle zu. Vielmehr nahm er im Rahmen einer von den Angeklagten gewählten Aufgabenzuweisung eine gleichberechtigte Position innerhalb des Betriebs wahr.
Trotz der von den Angeklagten getroffenen Aufgabenverteilung, wonach der Angeklagte R. F. vorrangig die Buchhaltung übernahm und die Löhne überwies, war auch der Angeklagte S. P. F. Arbeitgeber im Sinne des § 266a StGB. Durch eine Zuständigkeitsverteilung innerhalb einer mehrgliedrigen Geschäftsleitung kann sich einer der Beteiligten nicht der Erfüllung öffentlich-rechtlicher Pflichten entledigen. Jedoch kann sich seine Handlungspflicht in solchen Fällen auf eine Pflicht zur Überwachung des Handelns der übrigen Beteiligten reduzieren, die ihn zum Eingreifen veranlassen muss, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass die Erfüllung der der Gesellschaft obliegenden Aufgaben nicht mehr gewährleistet ist (vgl. BGH, Urt. vom 20.3.1986 – II ZR 114/85 – ZIP 1987, 1050 (1051); BGH, Urt. vom 6.7.1990 – 2 StR 549/89 – wistra 1990, 342, (346 f.); OLG Düsseldorf NStZ 1981, 265; Möhrenschlager in LK-StGB, 12. Aufl., 2012, § 266a Rn. 21). Dies gilt insbesondere für das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen (vgl. BGH, Urt. vom 29.2.1972 – VI ZR 199/70 = VersR 1972, 554, 556; OLG Düsseldorf NJW-RR 1996, 289). In solchen Fällen kann aber häufig der Vorsatz des Überwachungspflichtigen fraglich sein (vgl. Fischer, a.a.O, § 266a Rn. 5). Feststellungen dazu, ob dem Angeklagten S. P. F. bekannt war, dass die Sozialversicherungsbeiträge nicht abgeführt worden sind, hat das Landgericht aber nicht getroffen.
OLG Celle, Beschl. vom 12. Januar 2016 – 2 Ss 188/15
wistra 2016, 334
29.08.16, Dr. Jochen Bachmann