LG Nürnberg-Fürth: Inhaltliche Anforderungen an einen Durchsuchungsbeschluss wegen Steuerhinterziehung
LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 07.06.23, 12 Qs 24/23
Leitsatz
Ein Durchsuchungsbeschluss wegen Steuerhinterziehung ist rechtswidrig, wenn er keine Angaben zur tatbestandsmäßigen Erklärungshandlung enthält, also dazu, durch welches Handeln oder pflichtwidriges Unterlassen die Hinterziehung begangen worden sein soll.
Aus den Gründen
a) Der Durchsuchungsbeschluss dient dazu, die Durchführung der Maßnahme messbar und kontrollierbar zu gestalten. Dazu muss er den Tatvorwurf und die gesuchten Beweismittel so beschreiben, dass der äußere Rahmen abgesteckt wird, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Der Richter muss die aufzuklärende Straftat, wenn auch kurz, doch so genau umschreiben, wie dies nach den Umständen des Einzelfalls möglich ist. Der Betroffene wird auf diese Weise zugleich in den Stand versetzt, die Durchsuchung zu kontrollieren und etwaigen Ausuferungen von vornherein entgegenzutreten. In dem Beschluss muss zum Ausdruck kommen, dass der Ermittlungsrichter die Eingriffsvoraussetzungen selbstständig und eigenverantwortlich geprüft hat. Dazu ist zu verlangen, dass ein dem Beschuldigten angelastetes Verhalten geschildert wird, das den Tatbestand eines Strafgesetzes erfüllt. Die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes, die die Strafbarkeit des zu subsumierenden Verhaltens kennzeichnen, müssen benannt werden. Mängel bei der ermittlungsrichterlich zu verantwortenden Umschreibung des Tatvorwurfs und der zu suchenden Beweismittel können im Beschwerdeverfahren nicht geheilt werden (BVerfG, Beschluss vom 19.04.2023 - 2 BvR 2180/20, juris 28 f. m.w.N.).
b) Diesen seit langem geklärten Maßstäben genügt der angegriffene Beschluss nicht. Es fehlt schon eine hinreichende Beschreibung der vorgeworfenen Straftaten. Die Steuerhinterziehung ist ein Erklärungsdelikt. Strafbar macht sich, wer die Steuern falsch (370 Abs. 1 Nr. 1 AO) oder pflichtwidrig nicht (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) erklärt. Hier ist nach der Beschlussbegründung noch nicht einmal klar, ob der Beschuldigte unrichtige Angaben gemacht hat oder ob die (wann und mit welchem Inhalt auch immer) ergangenen Steuerbescheide wegen Nichterklärung aufgrund von Schätzungen erlassen wurden. Ein Normzitat, das die Begehungsweise klären könnte (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 AO?), findet sich in dem Beschluss nicht. Sollten unrichtige Angaben gemacht worden sein, so ist nicht klar, wann was erklärt wurde und zu welcher Steuerfestsetzung dies geführt hat.
Für die Kammer ist ein Grund für die Dürftigkeit der Beschreibung des Tatvorwurfs nicht erkennbar. Der bei der Akte befindliche Verdachtsprüfungsvermerk enthält genügend tatsächliches Material, das dafür herangezogen werden könnte, die wesentlichen Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes zu verbalisieren. Das ist unterblieben. Die Kammer könnte angesichts dieses Mangels eine Überzeugung, der Ermittlungsrichter habe die Eingriffsvoraussetzungen selbstständig und eigenverantwortlich geprüft, nicht intersubjektiv vermittelbar begründen.
Die Entscheidung ist hier abrufbar