LG Konstanz: Jahresabschlüsse und Buchungsunterlagen beim Steuerberater beschlagnahmefrei

Das Landgericht Konstanz hat die Beschlagnahme von Unterlagen, insbesondere auch Buchungsunterlagen beim Steuerberater für unzulässig erklärt, und zwar auch nach Fertigstellung der Steuererklärungen. Aus den Gründen: Auf Antrag des Finanzamts hat das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten sowie verschiedener dritter Personen, u.a. auch der Steuerberater A und B angeordnet. Zugleich wurde in dem Beschluss gegen die Steuerberater A und B die Beschlagnahme der Geschäfts- und Buchführungsunterlagen, aus denen die erzielten Umsätze und Gewinne der V AG ersichtlich sind sowie Unterlagen, die Aufschluss geben über die Eigentumsverhältnisse bei der V AG, Schweiz, sowie Steuererklärungen der V AG, Schweiz, angeordnet. Bei den Steuerberatern A und B wurde die Durchsuchung durchgeführt. Hierbei wurden diverse Unterlagen sichergestellt. Bei den Beschwerdeführern wurde ein blauer Leitzordner mit Jahresabschlüssen, Steuererklärungen und Buchungsunterlagen beschlagnahmt. Aus dem blauen Leitzordner wurde diverser Schriftwechsel der Beschwerdeführer mit den Beschuldigten und mit der V AG entnommen und in einem versiegelten Umschlag ebenfalls beschlagnahmt. Die sichergestellten Unterlagen unterliegen der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO. Bei den Jahresabschlüssen für 1996 und 1997 und bei den Umsatz- Gewerbe- und Körperschaftsteuererklärungen für die genannten Jahre handelt es sich um Aufzeichnungen gem. § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO, auf welche sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt. Schon die Beweisfrage, ob der Steuerberater mit der Abgabe von Steuererklärungen beauftragt worden ist, unterliegt dem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO. Bei den Buchungsunterlagen handelt es sich um andere Gegenstände gem. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO ebenfalls erstreckt. In der Kommentarliteratur ist dies allenfalls für Fälle streitig, in denen der Steuerberater lediglich die Buchführung übernommen hat. Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer jedoch aufgrund der Belege Jahresabschlüsse erstellt und Steuererklärungen vorbereitet oder abgegeben. Hinzu kommt, dass es sich bei den in dem beschlagnahmten blauen Leitzordner enthaltenen Buchungsunterlagen überwiegend um Fotokopien oder Durchschläge handelt. Es ist aus den beschlagnahmten Unterlagen nicht ersichtlich und von Seiten des Finanzamtes auch nicht vorgetragen, dass bei den durchsuchten Firmen keine oder nur geringfügige Geschäftsunterlagen aufgefunden werden konnten. Eine Umgehung der kaufmännischen Aufbewahrungspflichten und eine bewusste Ausnutzung der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO durch Aufbewahrung eines überwiegenden Teiles der gesamten Geschäftsunterlagen durch den Steuerberater kann deshalb nicht angenommen werden. Aus den beschlagnahmten Unterlagen ist weiter nicht ersichtlich und vom Finanzamt auch nicht vorgetragen worden, dass bei den genannten Firmen keine Jahresabschlüsse sichergestellt werden konnten oder dass die von den Beschwerdeführern angefertigten Steuererklärungen überhaupt nicht abgegeben wurden. Vielmehr lässt der in dem blauen Leitzordner enthaltene Schriftverkehr darauf schließen, dass Steuererklärungen von den Beschwerdeführern direkt an das zuständige Finanzamt übersandt wurden. Die Beschlagnahmefreiheit besteht insoweit fort. Der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Meinung, dass die Beschlagnahmefreiheit mit der Erledigung des Auftrages ende, kann nach Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden. Die Meinung findet in den gesetzlichen Vorschriften zum Zeugnisverweigerungsrecht und zur Beschlagnahmefreiheit gem. §§ 53, 57 StPO keine Stütze; sie widerspricht den von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätzen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Zeugnisverweigerungsrecht und somit auch die Beschlagnahmefreiheit nicht mit der Erledigung des Auftrages endet. Das Beschlagnahmeverbot entfällt nur dann, wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht mehr besteht. Die aus dem blauen Leitzordner entnommenen und in einem gesonderten, versiegelten Umschlag beschlagnahmten Unterlagen unterliegen ebenfalls der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO. Die Beschlagnahmefreiheit entfällt im vorliegenden Fall auch nicht gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO. Ein Teilnahmeverdacht der Beschwerdeführer ist durch das Finanzamt bisher inhaltlich nicht formuliert worden. Soweit das Finanzamt ausführt, die Unterlagen aus dem versiegelten Umschlag dienten zur Prüfung einer evtl. Beteiligung des Steuerberaters an den Steuerstraftaten der Beschuldigten, kann die Beschlagnahmefreiheit hierdurch nicht beseitigt werden. Der Verdacht, den § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO voraussetzt, muss auf bestimmten Tatsachen beruhen; bloße Vermutungen genügen insoweit nicht. Außerdem muss der Teilnahmeverdacht bereits bei der Anordnung der Beschlagnahme bestehen. Landgericht Konstanz, Beschluss vom 21.11.2001 – 1 Qs 108/01 Praxis Steuerstrafrecht 2002, Seite 26

16.04.2002, Dr. Bachmann

Das Landgericht Konstanz hat die Beschlagnahme von Unterlagen, insbesondere auch Buchungsunterlagen beim Steuerberater für unzulässig erklärt, und zwar auch nach Fertigstellung der Steuererklärungen. Aus den Gründen: Auf Antrag des Finanzamts hat das Amtsgericht die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten sowie verschiedener dritter Personen, u.a. auch der Steuerberater A und B angeordnet. Zugleich wurde in dem Beschluss gegen die Steuerberater A und B die Beschlagnahme der Geschäfts- und Buchführungsunterlagen, aus denen die erzielten Umsätze und Gewinne der V AG ersichtlich sind sowie Unterlagen, die Aufschluss geben über die Eigentumsverhältnisse bei der V AG, Schweiz, sowie Steuererklärungen der V AG, Schweiz, angeordnet. Bei den Steuerberatern A und B wurde die Durchsuchung durchgeführt. Hierbei wurden diverse Unterlagen sichergestellt. Bei den Beschwerdeführern wurde ein blauer Leitzordner mit Jahresabschlüssen, Steuererklärungen und Buchungsunterlagen beschlagnahmt. Aus dem blauen Leitzordner wurde diverser Schriftwechsel der Beschwerdeführer mit den Beschuldigten und mit der V AG entnommen und in einem versiegelten Umschlag ebenfalls beschlagnahmt. Die sichergestellten Unterlagen unterliegen der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO. Bei den Jahresabschlüssen für 1996 und 1997 und bei den Umsatz- Gewerbe- und Körperschaftsteuererklärungen für die genannten Jahre handelt es sich um Aufzeichnungen gem. § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO, auf welche sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt. Schon die Beweisfrage, ob der Steuerberater mit der Abgabe von Steuererklärungen beauftragt worden ist, unterliegt dem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO. Bei den Buchungsunterlagen handelt es sich um andere Gegenstände gem. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO ebenfalls erstreckt. In der Kommentarliteratur ist dies allenfalls für Fälle streitig, in denen der Steuerberater lediglich die Buchführung übernommen hat. Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer jedoch aufgrund der Belege Jahresabschlüsse erstellt und Steuererklärungen vorbereitet oder abgegeben. Hinzu kommt, dass es sich bei den in dem beschlagnahmten blauen Leitzordner enthaltenen Buchungsunterlagen überwiegend um Fotokopien oder Durchschläge handelt. Es ist aus den beschlagnahmten Unterlagen nicht ersichtlich und von Seiten des Finanzamtes auch nicht vorgetragen, dass bei den durchsuchten Firmen keine oder nur geringfügige Geschäftsunterlagen aufgefunden werden konnten. Eine Umgehung der kaufmännischen Aufbewahrungspflichten und eine bewusste Ausnutzung der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO durch Aufbewahrung eines überwiegenden Teiles der gesamten Geschäftsunterlagen durch den Steuerberater kann deshalb nicht angenommen werden. Aus den beschlagnahmten Unterlagen ist weiter nicht ersichtlich und vom Finanzamt auch nicht vorgetragen worden, dass bei den genannten Firmen keine Jahresabschlüsse sichergestellt werden konnten oder dass die von den Beschwerdeführern angefertigten Steuererklärungen überhaupt nicht abgegeben wurden. Vielmehr lässt der in dem blauen Leitzordner enthaltene Schriftverkehr darauf schließen, dass Steuererklärungen von den Beschwerdeführern direkt an das zuständige Finanzamt übersandt wurden. Die Beschlagnahmefreiheit besteht insoweit fort. Der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Meinung, dass die Beschlagnahmefreiheit mit der Erledigung des Auftrages ende, kann nach Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden. Die Meinung findet in den gesetzlichen Vorschriften zum Zeugnisverweigerungsrecht und zur Beschlagnahmefreiheit gem. §§ 53, 57 StPO keine Stütze; sie widerspricht den von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätzen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Zeugnisverweigerungsrecht und somit auch die Beschlagnahmefreiheit nicht mit der Erledigung des Auftrages endet. Das Beschlagnahmeverbot entfällt nur dann, wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht mehr besteht. Die aus dem blauen Leitzordner entnommenen und in einem gesonderten, versiegelten Umschlag beschlagnahmten Unterlagen unterliegen ebenfalls der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO. Die Beschlagnahmefreiheit entfällt im vorliegenden Fall auch nicht gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO. Ein Teilnahmeverdacht der Beschwerdeführer ist durch das Finanzamt bisher inhaltlich nicht formuliert worden. Soweit das Finanzamt ausführt, die Unterlagen aus dem versiegelten Umschlag dienten zur Prüfung einer evtl. Beteiligung des Steuerberaters an den Steuerstraftaten der Beschuldigten, kann die Beschlagnahmefreiheit hierdurch nicht beseitigt werden. Der Verdacht, den § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO voraussetzt, muss auf bestimmten Tatsachen beruhen; bloße Vermutungen genügen insoweit nicht. Außerdem muss der Teilnahmeverdacht bereits bei der Anordnung der Beschlagnahme bestehen. Landgericht Konstanz, Beschluss vom 21.11.2001 – 1 Qs 108/01 Praxis Steuerstrafrecht 2002, Seite 26

16.04.2002, Dr. Bachmann

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