Gewerbsmäßige Steuerhinterziehung als Verbrechen ausgestaltet - Steuerhinterziehung als Vortat der G

Der Deutsche Bundestag hat am 27. November 2001 beschlossen, die gewerbsmäßig oder bandenmäßig begangene Steuerhinterziehung als Verbrechen (Mindeststrafe: 1 Jahr Freiheitsstrafe) zu qualifizieren. Der Bundesrat hat dem Gesetzbeschluss bereits am 30.11.01 zugestimmt. Die Folgen der Neuregelung, die nachträglich in das "Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze" (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz) aufgenommen wurde, sind weitreichend und erschreckend. Zum Teil sind die Folgen beabsichtigt. Zum Teil muss aber befürchtet werden, dass den Abgeordneten die Reichweite der Änderungen gar nicht bewusst war. Der eine oder andere Abgeordnete wird sich der Probleme vielleicht bewusst werden, wenn er sich in einem Steuerstrafverfahren um einen versierten Verteidiger bemüht. Die Qualifizierung einer Steuerhinterziehung als Verbrechen hat zur Folge, dass sie Vortat einer Geldwäsche sein kann. Das bedeutet, dass sich strafbar macht, wer von einem Dritten Geld annimmt und dabei damit rechnet, ja sogar nur leichtfertig nicht erkennt, dass der Dritte eine Steuerhinterziehung begangen hat. Jemandem, der z.B. aus der Presse als Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens bekannt ist, darf man letztlich nicht einmal mehr Brötchen verkaufen. Es nützt auch nichts, wenn sich der Verdacht als unrichtig erweist. Denn auch der (untaugliche) Versuch der Geldwäsche ist strafbar. Zugleich, und das ist beabsichtigt, eröffnen sich die weitreichenden Ermittlungsmöglichkeiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere die Möglichkeit der Telefonüberwachung. Das gilt nicht nur zum Zwecke der Ermittlung einer Geldwäsche, sondern auch zum Zwecke der Ermittlung einer Steuerhinterziehung. Dabei muss aber betont werden, dass es in der Sache auch nicht ansatzweise um die Bekämpfung organisierter Kriminalität geht. Soweit sich die organisierte Kriminalität auf Steuerhinterziehungen bezieht, beispielsweise bei Zigarettenschmuggel oder bei Umsatzsteuerkarussellen (Vorsteuerbetrug in organisierter Form), dürften stets kriminelle Vereinigungen vorliegen, bei denen diese Ermittlungsmaßnahmen ohnehin schon zulässig waren. Nein: Das jetzige Gesetz zielt auf die ganz normale, alltägliche und massenhaft begangene Steuerhinterziehung! Das sieht man an Folgendem: Eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung ist gemäß der ständigen Rechtsprechung zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit anzunehmen, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch die wiederholte Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Das dürfte in über 90 v.H. der Taten der Fall sein. Denn wer sich einmal entschlossen hat, seine Zinseinkünfte gegenüber dem Finanzamt zu verschweigen, wird dies in den Folgejahren genauso tun. Der Gewerbetreibende, der seine Einnahmen nur unvollständig erfasst, tut dies häufig über Jahre hinweg. Nur bei einmalig auftretenden Steuern wie der Erbschaftsteuer oder der Grunderwerbsteuer wird man eine gewerbsmäßige Begehungsweise von vornherein ausschließen können. In allen anderen Fällen wird die Ermittlungsbehörde zunächst vom Verdacht der Gewerbsmäßigkeit ausgehen - und das genügt beispielsweise für die Anordnung einer Telefonüberwachung! Die weiteren Konsequenzen werden den Ermittlungsbehörden allerdings sehr zur Last fallen: Das Verfahren wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung darf nicht gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt werden; Anklagen können nicht mehr beim Strafrichter, sondern nur noch beim Schöffengericht des Amtsgerichts oder beim Landgericht verhandelt werden; eine Verhandlung ohne Verteidiger ist unzulässig, die Verteidigung darf insoweit nicht mehr allein durch einen Steuerberater geschehen; eine Erledigung des Strafverfahrens durch Strafbefehl ist nicht mehr möglich. An dieser Stelle sollen die erheblichen dogmatischen Bedenken gegen die Einstufung der Steuerhinterziehung als Geldwäschevortat nur angedeutet werden. Die wesentliche Kritik geht dahin, dass die Geldwäsche sich auf Gegenstände bezieht, die aus einer Vortat "herrühren". Das Geld, das dem Steuerhinterzieher zur Verfügung steht, rührt aber (von den Erstattungsfällen abgesehen) nicht aus der Steuerhinterziehung, sondern aus einem legalen Geschäft her. Er hat das Geld auch längst zur Verfügung, bevor es überhaupt zur Tat, nämlich der Abgabe einer falschen Steuererklärung, gekommen ist. Und dennoch soll sein gesamtes Vermögen infiziert sein? Eine abwegige Vorstellung! Der Deutsche Anwaltverein hatte gegen die beabsichtigte Änderung in einer Resolution protestiert (veröffentlicht auf dieser Homepage am 17.11.01). Gesetzbeschluss des Deutschen Bundestages vom 27.11.01, Bundesrats-Drucksache 892/01 (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt für Dezember vorgesehen)

12.12.2001, Dr.

Der Deutsche Bundestag hat am 27. November 2001 beschlossen, die gewerbsmäßig oder bandenmäßig begangene Steuerhinterziehung als Verbrechen (Mindeststrafe: 1 Jahr Freiheitsstrafe) zu qualifizieren. Der Bundesrat hat dem Gesetzbeschluss bereits am 30.11.01 zugestimmt. Die Folgen der Neuregelung, die nachträglich in das "Gesetz zur Bekämpfung von Steuerverkürzungen bei der Umsatzsteuer und zur Änderung anderer Steuergesetze" (Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz) aufgenommen wurde, sind weitreichend und erschreckend. Zum Teil sind die Folgen beabsichtigt. Zum Teil muss aber befürchtet werden, dass den Abgeordneten die Reichweite der Änderungen gar nicht bewusst war. Der eine oder andere Abgeordnete wird sich der Probleme vielleicht bewusst werden, wenn er sich in einem Steuerstrafverfahren um einen versierten Verteidiger bemüht. Die Qualifizierung einer Steuerhinterziehung als Verbrechen hat zur Folge, dass sie Vortat einer Geldwäsche sein kann. Das bedeutet, dass sich strafbar macht, wer von einem Dritten Geld annimmt und dabei damit rechnet, ja sogar nur leichtfertig nicht erkennt, dass der Dritte eine Steuerhinterziehung begangen hat. Jemandem, der z.B. aus der Presse als Beschuldigter eines Ermittlungsverfahrens bekannt ist, darf man letztlich nicht einmal mehr Brötchen verkaufen. Es nützt auch nichts, wenn sich der Verdacht als unrichtig erweist. Denn auch der (untaugliche) Versuch der Geldwäsche ist strafbar. Zugleich, und das ist beabsichtigt, eröffnen sich die weitreichenden Ermittlungsmöglichkeiten zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität, insbesondere die Möglichkeit der Telefonüberwachung. Das gilt nicht nur zum Zwecke der Ermittlung einer Geldwäsche, sondern auch zum Zwecke der Ermittlung einer Steuerhinterziehung. Dabei muss aber betont werden, dass es in der Sache auch nicht ansatzweise um die Bekämpfung organisierter Kriminalität geht. Soweit sich die organisierte Kriminalität auf Steuerhinterziehungen bezieht, beispielsweise bei Zigarettenschmuggel oder bei Umsatzsteuerkarussellen (Vorsteuerbetrug in organisierter Form), dürften stets kriminelle Vereinigungen vorliegen, bei denen diese Ermittlungsmaßnahmen ohnehin schon zulässig waren. Nein: Das jetzige Gesetz zielt auf die ganz normale, alltägliche und massenhaft begangene Steuerhinterziehung! Das sieht man an Folgendem: Eine gewerbsmäßige Steuerhinterziehung ist gemäß der ständigen Rechtsprechung zum Begriff der Gewerbsmäßigkeit anzunehmen, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch die wiederholte Begehung von Straftaten eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Das dürfte in über 90 v.H. der Taten der Fall sein. Denn wer sich einmal entschlossen hat, seine Zinseinkünfte gegenüber dem Finanzamt zu verschweigen, wird dies in den Folgejahren genauso tun. Der Gewerbetreibende, der seine Einnahmen nur unvollständig erfasst, tut dies häufig über Jahre hinweg. Nur bei einmalig auftretenden Steuern wie der Erbschaftsteuer oder der Grunderwerbsteuer wird man eine gewerbsmäßige Begehungsweise von vornherein ausschließen können. In allen anderen Fällen wird die Ermittlungsbehörde zunächst vom Verdacht der Gewerbsmäßigkeit ausgehen - und das genügt beispielsweise für die Anordnung einer Telefonüberwachung! Die weiteren Konsequenzen werden den Ermittlungsbehörden allerdings sehr zur Last fallen: Das Verfahren wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung darf nicht gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt werden; Anklagen können nicht mehr beim Strafrichter, sondern nur noch beim Schöffengericht des Amtsgerichts oder beim Landgericht verhandelt werden; eine Verhandlung ohne Verteidiger ist unzulässig, die Verteidigung darf insoweit nicht mehr allein durch einen Steuerberater geschehen; eine Erledigung des Strafverfahrens durch Strafbefehl ist nicht mehr möglich. An dieser Stelle sollen die erheblichen dogmatischen Bedenken gegen die Einstufung der Steuerhinterziehung als Geldwäschevortat nur angedeutet werden. Die wesentliche Kritik geht dahin, dass die Geldwäsche sich auf Gegenstände bezieht, die aus einer Vortat "herrühren". Das Geld, das dem Steuerhinterzieher zur Verfügung steht, rührt aber (von den Erstattungsfällen abgesehen) nicht aus der Steuerhinterziehung, sondern aus einem legalen Geschäft her. Er hat das Geld auch längst zur Verfügung, bevor es überhaupt zur Tat, nämlich der Abgabe einer falschen Steuererklärung, gekommen ist. Und dennoch soll sein gesamtes Vermögen infiziert sein? Eine abwegige Vorstellung! Der Deutsche Anwaltverein hatte gegen die beabsichtigte Änderung in einer Resolution protestiert (veröffentlicht auf dieser Homepage am 17.11.01). Gesetzbeschluss des Deutschen Bundestages vom 27.11.01, Bundesrats-Drucksache 892/01 (Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt für Dezember vorgesehen)

12.12.2001, Dr.

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