FG Münster: Keine Verlängerung der Festsetzungsfrist bei leichtfertiger Steuerverkürzung, wenn höhere Steuerfestsetzung unter Einbezug der Abrechnung zu einer Erstattung führt

Die Beteiligten streiten über die Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheides 2007 wegen nachträglich festgestellter Kapitaleinkünfte.

Die Kläger sind Eheleute und wurden 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Bis einschließlich 2010 war der Kläger Alleingesellschafter der G. … GmbH (G GmbH). Dort war er auch als Geschäftsführer tätig. Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietete der Kläger den …-betrieb an die G GmbH.

Die Klägerin ist von Beruf kaufmännische Angestellte.

In der Einkommensteuererklärung 2007 vom 4.5.2009 erklärten sie -unter Beifügung der Jahressteuerbescheinigungen- folgende Einnahmen aus Kapitalvermögen (Beträge in €):

Von diesen Werten ging auch der Beklagte (das Finanzamt -FA-) bei der Einkommensteuerveranlagung 2007 aus, die in Bestandskraft erwuchs.

Im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung 2013 fiel auf, dass in den Jahren 2007 bis 2011 Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse S. in den Einkommensteuererklärungen nicht deklariert worden waren. Im Einzelnen handelte es sich für das Jahr 2007 um folgende Positionen (Beträge in €):

 
Diese Werte teilten die Kläger dem FA im Rahmen einer berichtigten Steuererklärung mit und legten die entsprechenden Steuerbescheinigungen vor. Das FA stellte sich auf den Standpunkt, es liege jedenfalls eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, so dass die Einkommensteuerbescheide aller Jahre, insbesondere auch der streitgegenständliche Einkommensteuerbescheid 2007 geändert werden könnten. Die Festsetzungsverjährung stehe dem nicht entgegen.

Gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erließ das FA am 3.11.2014 u.a. für das Jahr 2007 einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Obwohl sich die festgesetzte Einkommensteuer von 4.654,00 € auf 5.284,00 € erhöhte, verminderte sich der abzurechnende Betrag von 277,00 € auf 247,00 €. Der Grund hierfür liegt in der Erhöhung des Zinsabschlags um 660,00 € auf 1.295,00 €. Durch die erst jetzt vorgelegten Zinsbescheinigung der Stadtsparkasse S. hatten die Kläger nachgewiesen, dass für den Kläger Zinsabschlagsteuer in Höhe von 363,03 € und für die Klägerin Zinsabschlagsteuer in Höhe von 296,89 € einbehalten worden war. Die sich ergebende Überzahlung von 30,00 € verrechnete das FA in Höhe von 24,53 € mit dem Solidaritätszuschlag, hinsichtlich dessen dadurch keine Zahllast mehr verblieb, und in Höhe von 5,47 € mit der evangelischen Kirchensteuer, so dass sich die Zahllast hier von 51,30 € auf 45,83 € verringerte.

Der gegen den Änderungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit der nunmehr erhobenen Klage verfolgen die Kläger das Ziel der Aufhebung des Änderungsbescheides weiter. Sie vertreten die Auffassung, die Änderung der Einkommensteuerbescheides 2007 sei wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Eine Verlängerung der Festsetzungsverjährung wegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung scheide aus. Im Änderungsbescheid 2007 komme es aufgrund der einbehaltenen Quellensteuern zu einer Einkommensteuererstattung. Bereits deshalb könne keine Steuerverkürzung gegeben sein. Da mit der berichtigten Steuererklärung auch die Steuerbescheinigungen vorgelegt worden seien, seien die rechtlichen Voraussetzungen für eine Steueranrechnung erfüllt. Für die Frage der Änderbarkeit könne es allein auf die heute vorliegenden Unterlagen ankommen.

Entgegen der Auffassung des FA könne die Kirchensteuer in die Betrachtung nicht einbezogen werden, da deren Verkürzung nicht möglich sei. In § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz -KiStG-) komme hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass eine Verkürzung von Kirchensteuer ausgeschlossen sein solle. Die Annexsteuern dürften keine Rolle spielen, weil die Änderung ihrer Festsetzung vielmehr eine Änderbarkeit der Maßstabsteuern voraussetze.

Durch die Abgabe einer berichtigten Steuererklärung sei der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO ausgeschlossen. Soweit das FA von einer leichtfertigen Steuerverkürzung ausgehe, trage es hierfür die Feststellungslast.

Im vorliegenden Fall könne nicht von einer Leichtfertigkeit ausgegangen werden. Die Klägerin habe in erheblichem Umfang Steuerunterlagen zusammenzustellen gehabt. Hierzu hätten auch die Bankbelege gehört. Im Hinblick auf die Vielzahl der Unterlagen sei der Klägerin nicht aufgefallen, dass die Steuerbescheinigungen der Stadtsparkasse S. gefehlt hätten. Anschließend habe sie die Unterlagen dem Büro des Prozessbevollmächtigten zur Erstellung der Steuererklärung übergeben. Grundsätzlich dürften sich die Steuerpflichtigen darauf verlassen, dass die vom Steuerberater erstellte Erklärung zutreffend sei.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2007 vom 3.11.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2014 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das FA merkt an, es ergebe sich jedenfalls hinsichtlich der Kirchensteuer und beim Solidaritätszuschlag ein Nachzahlungsbetrag. Nach seiner Auffassung seien bei der Frage des subjektiven Tatbestands die Teilbeträge der Steuerfestsetzungen zusammenzufassen.

Für die Frage, ob eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht komme, sei stets auf die Steuerfestsetzung abzustellen, ohne dass es auf die Steuerabzugsbeträge ankomme. Dies entspreche der Gesetzessystematik. Geändert werde die Steuerfestsetzung, nicht aber der Abrechnungsteil.

In dem Verfahren hat am 13.4.2016 ein Erörterungstermin stattgefunden. In dem Erörterungstermin hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger durch Nachfrage bei den Klägern eine Übersicht der Stadtsparkasse S. der bei ihr erteilten Freistellungsaufträge als WhatsApp-Anhang vorgelegt. Diese enthält folgende Positionen:

 
Die letzte Änderung ist nach der Übersicht am 20.1.2016 erfolgt.

Auf Nachfrage hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Erörterungstermin bekundet, er habe sich selbst davon überprüft, dass die Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse jedenfalls in den Jahren 2004 bis 2006 ordnungsgemäß versteuert worden seien.

In dem Erörterungstermin haben die Beteiligten einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Erörterungstermins wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die der Senat aufgrund des Verzichts der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden durfte, ist zulässig und begründet.

I. Die Kläger sind durch den Änderungsbescheid i.S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert, weil sich die Einkommensteuerfestsetzung um 630,00 € erhöht hat.

II. Ebenso wenig ermangelt es der Klage an dem -von der Klagebefugnis zu trennenden (statt aller Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 40 FGO Rz. 163)- allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Zwar fehlt es an ihm, wenn eine Klage für den Kläger offensichtlich keinen Nutzen hat, weil zweifelsfrei feststeht, dass sich die rechtliche Position gegenüber dem Beklagten nicht verbessern kann (Braun in HHSp, a.a.O., Rz. 165). So liegt der Fall hier aber nicht, obwohl die Kläger bei einer Aufhebung des Änderungsbescheids isoliert auf die Einkommensteuer und deren Abrechnung bezogen schlechter gestellt werden würden, weil die Überzahlung in Höhe von 30,00 € entfallen würde. Denn die Einkommensteuer ist die Maßstabsteuer sowohl für die evangelische Kirchensteuer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KiStG) als auch für den Solidaritätszuschlag (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995). Aufgrund der erhöhten Einkommensteuer haben sich durch den Änderungsbescheid auch die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag erhöht, was durch die Verrechnung mit der Überzahlung nur teilweise neutralisiert werden konnte, so dass eine Zahllast bei der evangelischen Kirchensteuer in Höhe von 45,83 € verblieb.

III. Die Klage ist begründet, weil der Änderungsbescheid rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung hätte am 3.11.2014 nicht mehr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen dürfen.

1. Dass das FA die durch die Geldanlagen bei der Stadtsparkasse S. erzielten Kapitaleinkünfte betragstechnisch und vom materiellen Recht ausgehend zutreffend in den Änderungsbescheiden berücksichtigt hat, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit und bedarf daher auch keiner weiteren Vertiefung.

2. Ebenso ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Kapitaleinkünfte dem FA i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nachträglich bekannt geworden sind. Unstreitig lagen die Steuerbescheinigungen der Stadtsparkasse S. bei den erstmaligen Steuerfestsetzungen dem FA nicht vor, und für dieses war der Umstand, dass Kapitalerträge dort erzielt worden waren, auch nicht anderweitig anhand der vorliegenden Akten erkennbar.

3. Entgegen der Auffassung des FA scheidet die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 jedoch wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist aus. Mit dem Ablauf des 31.12.2013 ist Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO eine Änderung ausgeschlossen ist.

a) Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) begann mit Ablauf des Jahres 2009 und endete daher mit Ablauf des 31.12.2013, weil die Klägerin die gemäß § 25 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) abzugebende Einkommensteuererklärung am 4.5.2009 beim FA einreichte (vgl. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

b) Entgegen der Auffassung des FA kommt eine Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO auf fünf Jahre wegen Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist bezogen auf das Jahr 2007 Einkommensteuer verkürzt worden. Gleichwohl führt dies nicht zu einer verlängerten Festsetzungsfrist, weil eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007 bezogen auf diese Steuer nicht zu einer Abschlusszahlung, sondern zu einem Erstattungsanspruch zugunsten der Kläger führen würde.

aa) Indem die Kläger die im Jahre 2007 durch die Geldanlagen bei der Stadtsparkasse S. erzielten Kapitalerträge nicht in der Einkommensteuererklärung angegeben haben, haben sie leichtfertig Steuern verkürzt. Eine leichtfertige Steuerverkürzung begeht nach § 378 Abs. 1 AO, wer -wie  im Streitfall- als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

aaa) Die Kläger haben gegenüber dem FA durch Abgabe der ursprünglichen Einkommensteuererklärung 2007 unvollständige Angaben gemacht (vgl. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), indem sie die Kapitalerträge der Stadtsparkasse S. nicht angegeben haben.

bbb) Hierdurch haben die Kläger Steuern verkürzt.

(1) Gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird. Da bei Veranlagungssteuern -wie der Einkommensteuer- die Festsetzung regelmäßig durch förmlichen Bescheid erfolgt (§§ 155, 157 AO), ist die Tat vollendet, sobald der unrichtige Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO; Klein/Jäger, AO, 12. Aufl. 2014, § 370 Rz. 90).

(2) Im vorliegenden Fall setzte das FA aus Unkenntnis über die Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse S. die Einkommensteuer zu niedrig fest.

(3) An einer Steuerverkürzung fehlt es nicht deshalb, weil die Kläger im Jahre 2014 eine berichtigte Steuererklärung abgegeben haben. § 153 AO und §§ 370, 378 AO stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis dergestalt zueinander, dass die Abgabe einer berichtigten Steuererklärung den Tatbestand der Steuerverkürzung ausschließt. Diese ist allein durch die fehlerhaft zu niedrige Festsetzung vollendet. Umgekehrt lässt die vollendete Steuerverkürzung die Verpflichtung zur Abgabe einer berichtigten Steuererklärung unberührt (Beschluss des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 17.3.2009 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210; Klein/Rätke, a.a.O., § 153 Rz. 4; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 153 AO Rz. 11a; a.A. Stöcker in Beermann/Gosch, § 153 AO Rz. 19).

Der Wortlaut des § 153 Abs. 1 Satz 1 AO, der verlangt, dass der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Steuererklärung vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, steht dem nicht entgegen. Selbst bei bedingtem Vorsatz, erst recht aber bei Leichtfertigkeit ist ein solches nachträgliches Erkennen möglich (BGH-Beschluss in BGHSt 53, 210; Klein/Rätke, a.a.O., Rz. 8; a.A. für bedingten Vorsatz Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., Rz. 11) und i.Ü. durch die Kläger selbst im vorliegenden Fall auch vorgetragen worden.

(4) An einer Steuerverkürzung fehlt es bezogen auf das Streitjahr 2007 auch nicht deshalb, weil -aufgrund des erheblich gestiegenen Zinsabschlags von 635,00 € auf 1.295,00 €- der nach Abzug der Quellensteuern verbleibende Betrag von 277,00 € auf 247,00 € gesunken ist. Denn dies ändert nichts daran, dass die eigentliche Steuerfestsetzung in dem ersten Einkommensteuerbescheid zu niedrig ausgefallen ist (4.654,00 € statt 5.284,00 €).

Anrechenbare Abzugsteuerbeträge -wie im vorliegenden Fall der Zinsabschlag- sind bei der strafrechtlichen Beurteilung, die Grundlage auch für § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ist, allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die steuerrechtlichen Anrechnungsvoraussetzungen vorliegen. Fehlen Nachweise oder Bescheinigungen, deren Vorliegen sachlich-rechtliche Voraussetzung einer Steuernorm sind, so begeht der Steuerpflichtige eine Steuerverkürzung, wenn er diese steuerliche Regelung beansprucht und dabei das Nichtvorliegen der erforderlichen Bescheinigungen verschweigt (BFH-Urteil vom 29.4.2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842, im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH, s. BGH-Urteil vom 12.1.2005  5 StR 301/04, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht -wistra- 2005, 144, und BGH-Beschluss vom 7.11.2006  5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Diese Grundsätze gelten namentlich auch für die durch Steuerabzug erhobene Kapitalertragsteuer. Die nach § 45a Abs. 2 EStG 2002 auszustellende Kapitalertragsteuerbescheinigung ist nämlich materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anrechnung (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 447). Liegt sie nicht vor, ist die Anrechnung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002 zu versagen. So liegt der Fall auch hier. Bei der erstmaligen Veranlagung lagen die Bescheinigungen der Stadtsparkasse S. nicht vor; aus welchem Grund auch immer war den Klägern die Bescheinigung nicht mehr automatisch übersandt worden. Dies ist erst nachträglich bei der Überprüfung der Steuerveranlagung der Jahre ab 2004 im Jahre 2014 nachgeholt worden.

ccc) Entgegen der Auffassung der Kläger erfolgte die Steuerverkürzung leichtfertig.

(1) Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteile vom 17.11.2015 X R 35/14, juris). Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteile vom 17.11.2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309; vom 24.7.2014 V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955). Hierzu ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des Steuerpflichtigen erforderlich (BFH-Urteil vom 29.10.2013 VIII R 27/10, BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295).

(2) Im vorliegenden Fall musste den Klägern sowohl bekannt sein, dass die Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse S. steuerpflichtig waren als auch, dass sie in den ursprünglichen Steuererklärungen der Jahre 2007 und 2008 nicht enthalten waren. Beide Kläger waren nicht nur im Geschäftsleben tätig (der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer im …-bereich, die Klägerin als kaufmännische Angestellte), sie haben insbesondere auch hinsichtlich der übrigen Steuerbescheinigungen die richtigen steuerlichen Konsequenzen gezogen und diese den Steuerunterlagen für ihren Berater beigefügt. Sie hätten erkennen können und müssen, dass die Steuerbescheinigungen der Stadtsparkasse S. fehlten, zumal sie die entsprechenden Bescheinigungen in den Vorjahren stets mit beilegten und die dort erzielten Kapitalerträge ordnungsgemäß versteuerten. Sie hätten dies insbesondere auch deshalb für die Jahre 2007 und 2008 erkennen müssen, weil bei der Stadtsparkasse S. nicht unerhebliche Kapitalerträge angefallen sind und sie nicht nur die Deklaration einer oder mehrerer Anlagen bei der Stadtsparkasse, sondern die sämtlicher Anlagen unterlassen haben. Dies ist umso weniger entschuldbar, als sie am 25.11.2006 mit Wirkung zum 1.1.2007 und am 16.4.2007 mit Wirkung zum 1.1.2008 den bei der Stadtsparkasse erteilten Freistellungsauftrag geändert und damit auch Maßnahmen mit Bezug auf das konkrete bzw. im konkreten Streitjahr getätigt haben. Dies setzt voraus, dass sie sich kurz vor und noch während des Streitjahres mit jedenfalls potentiellen steuerlichen Auswirkungen der Geldanlagen bei der Stadtsparkasse S. befasst haben müssen.

Die Kläger können nicht mit dem Argument gehört werden, für ihre Steuererklärung seien dermaßen viel Unterlagen notwendig, dass es ihnen nachgesehen werden müsse, wenn ihnen die Steuerbescheinigungen hinsichtlich einer Bank durchgehe. Es mag sein, dass die Steuererklärung der Kläger einen gewissen Aufwand erfordert. Gleichwohl hat diese kein Ausmaß, dass hierbei aus dem Blick geraten könnte, dass sie bei einer bestimmten Bank verschiedene Kapitalanlagen unterhalten. Insbesondere nahm für das Jahr 2007 sowohl die Anzahl der Kapitalanlagen bei der Stadtsparkasse als auch die durch sie erzielten Kapitalerträge ein erhebliches Gewicht bezogen auf den Gesamtumfang und –betrag der Kapitalanlagen ein.

Hierbei wird nicht verkannt, dass die Kapitalerträge nur den geringeren Umfang der Einkünfte der Kläger ausmachen. Allein daran kann aber keine Entschuldigung anknüpfen, warum die Kläger mit einer nur geringeren Sorgfalt ihren steuerlichen Pflichten im Hinblick hierauf hätten nachkommen dürfen.

Schließlich entfällt die Leichtfertigkeit auch nicht -wie die Kläger meinen- deshalb, weil sie sich darauf hätten verlassen dürfen, dass ihr Steuerberater die Steuererklärung richtig erstellen würde. Ein solches schutzwürdiges Vertrauen hätten die Kläger nur dann entwickeln können, wenn sie ihrem Berater auch tatsächlich alle notwendigen Unterlagen übergeben hätten. Schlechterdings können sie aber nicht davon ausgehen, dass ihr Steuerberater unabhängig von der Vorlage notwendiger Unterlagen eine zutreffende Erklärung abgeben würde.

bb) Obwohl die verlängerte Festsetzungsverjährung ihrem Wortlaut nach Anwendung findet, gilt ausnahmsweise die Regelfestsetzungsfrist von vier Jahren gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit der Folge, dass zum 31.12.2013 und damit vor Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

aaa) Der BFH schränkt den Tatbestand des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nämlich teleologisch dahingehend ein, dass er neben dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung einen hinterzogenen Betrag im Sinne eines Anspruchs des Fiskus auf eine Abschlusszahlung voraussetzt, der wegen einer vollendeten Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung bislang nicht realisiert werden konnte (BFH-Urteil vom 26.2.2008 VIII R 1/07, BFHE 220, 229, BStBl II 2008, 659; dem BFH folgend bspw. Klein/Rüsken, a.a.O., § 169 Rz. 25; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO Rz. 13; Paetsch in Beermann/Gosch, § 169 AO Rz. 49). Der BFH nimmt über die eigentliche Festsetzung, um die es für die Frage der Steuerverkürzung eigentlich geht, aus Gründen des Sinns und Zwecks auch den Abrechnungsteil mit in den Blick (deutlich zwischen dem strafrechtlichen Tatbestand der Steuerhinterziehung und der Abrechnung differenzierend BFH-Beschluss vom 23.4.2009 VIII R 6/08, BFH/NV 2009, 1397).

Zur Begründung führt der BFH an, dass nach den Wertungen des Gesetzes dem durch eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit geschädigten Steuergläubiger ermöglicht werden soll, die ihm vorenthaltenen Steuerbeträge auch noch nach Ablauf von vier Jahren zurückzufordern. Sinn und Zweck des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sei es demgegenüber gerade nicht, den Hinterzieher in die Lage zu versetzen, Erstattungsansprüche über die reguläre Verjährungsfrist hinaus zu realisieren (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1397). § 169 Abs. 2 Satz 2 AO wolle keine Selbstschädigungen des Steuerpflichtigen vereiteln, also Fälle verhindern, in denen der Steuerpflichtige besser gefahren wäre, wenn er bei der Wahrheit geblieben wäre (ausführlich BFH-Urteil in BFHE 220, 229, BStBl II 2008, 659).

bbb) Diese Grundsätze, die den Senat überzeugen und denen er folgt, führen im vorliegenden Fall dazu, dass die Verlängerung der grundsätzlichen Festsetzungsfrist aus telelogischen Gründen im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da die Kläger wirtschaftlich durch sie in den Genuss einer -wenn auch geringfügigen- Erstattung von 30,00 € kommen würden. Hätten die Kläger bereits bei der ersten Steuererklärung die gebotene notwendige Sorgfalt angelegt, hätte es der Änderung nicht bedurft.

ccc) Nicht gefolgt werden kann dem FA, das der Auffassung ist, für die Frage des Bestehens einer Abschlusszahlung seien auch die evangelische Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag im vorliegenden Fall mit einzubeziehen. Daher ergebe sich letztendlich eine Abschlusszahlung in Höhe von 45,83 €. Diese steuerartenübergreifende Betrachtungsweise vermag den Senat nicht zu überzeugen. Für die Frage der Änderbarkeit ist grundsätzlich die einzelne Steuerfestsetzung in den Blick zu nehmen. Insoweit ist es bereits eine Systemdurchbrechung, wenn der BFH den Abrechnungsteil in die Betrachtung einbezieht und sich die Frage nach einer Abschlusszahlung stellt. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO vermag den Senat dies indes noch zu überzeugen, da diese wirtschaftlichen Folgerungen noch unmittelbar auf der Änderung der jeweiligen Steuerfestsetzung beruhen. Es erscheint ihm aber zu weitgehend weitere mittelbare -wenn auch steuerrechtliche- Folgerungen mit einzubeziehen, zumal hierfür zunächst auch noch eine Änderung weiterer eigenständiger Steuerfestsetzungen erforderlich wäre.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass sowohl für die evangelische Kirchensteuer als auch für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuerfestsetzung die Maßstabssteuer ist und daher aufgrund der Änderung der Einkommensteuerfestsetzung auch eine Korrektur der beiden anderen Festsetzungen erforderlich geworden ist. Gleichwohl erscheint es dem Senat zu weitgehend die Zahllast bei der evangelischen Kirchensteuer in die Beurteilung einzubeziehen, weil diese unmittelbar auf einer eigenständigen Steuerfestsetzung beruht, die neben der Einkommensteuerfestsetzung steht und deshalb auch ein eigenständiges verfahrensrechtliches Schicksal nehmen kann.

Angesichts dessen kann die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob eine Hinterziehung bzw. Verkürzung der Kirchensteuer überhaupt trotz ausdrücklichen Ausschlusses der §§ 370, 378 AO durch § 8 Abs. 2 KiStG möglich ist, dahinstehen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

 

FG Münster, Urteil v. 28.04.2016, Az.: 9 K 203/15 E, juris

 

30.09.16, Julius Heinisch

 

 

Die Beteiligten streiten über die Änderbarkeit des Einkommensteuerbescheides 2007 wegen nachträglich festgestellter Kapitaleinkünfte.

Die Kläger sind Eheleute und wurden 2007 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

Bis einschließlich 2010 war der Kläger Alleingesellschafter der G. … GmbH (G GmbH). Dort war er auch als Geschäftsführer tätig. Im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietete der Kläger den …-betrieb an die G GmbH.

Die Klägerin ist von Beruf kaufmännische Angestellte.

In der Einkommensteuererklärung 2007 vom 4.5.2009 erklärten sie -unter Beifügung der Jahressteuerbescheinigungen- folgende Einnahmen aus Kapitalvermögen (Beträge in €):

Von diesen Werten ging auch der Beklagte (das Finanzamt -FA-) bei der Einkommensteuerveranlagung 2007 aus, die in Bestandskraft erwuchs.

Im Rahmen der Bearbeitung der Steuererklärung 2013 fiel auf, dass in den Jahren 2007 bis 2011 Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse S. in den Einkommensteuererklärungen nicht deklariert worden waren. Im Einzelnen handelte es sich für das Jahr 2007 um folgende Positionen (Beträge in €):

 
Diese Werte teilten die Kläger dem FA im Rahmen einer berichtigten Steuererklärung mit und legten die entsprechenden Steuerbescheinigungen vor. Das FA stellte sich auf den Standpunkt, es liege jedenfalls eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, so dass die Einkommensteuerbescheide aller Jahre, insbesondere auch der streitgegenständliche Einkommensteuerbescheid 2007 geändert werden könnten. Die Festsetzungsverjährung stehe dem nicht entgegen.

Gestützt auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) erließ das FA am 3.11.2014 u.a. für das Jahr 2007 einen geänderten Einkommensteuerbescheid. Obwohl sich die festgesetzte Einkommensteuer von 4.654,00 € auf 5.284,00 € erhöhte, verminderte sich der abzurechnende Betrag von 277,00 € auf 247,00 €. Der Grund hierfür liegt in der Erhöhung des Zinsabschlags um 660,00 € auf 1.295,00 €. Durch die erst jetzt vorgelegten Zinsbescheinigung der Stadtsparkasse S. hatten die Kläger nachgewiesen, dass für den Kläger Zinsabschlagsteuer in Höhe von 363,03 € und für die Klägerin Zinsabschlagsteuer in Höhe von 296,89 € einbehalten worden war. Die sich ergebende Überzahlung von 30,00 € verrechnete das FA in Höhe von 24,53 € mit dem Solidaritätszuschlag, hinsichtlich dessen dadurch keine Zahllast mehr verblieb, und in Höhe von 5,47 € mit der evangelischen Kirchensteuer, so dass sich die Zahllast hier von 51,30 € auf 45,83 € verringerte.

Der gegen den Änderungsbescheid eingelegte Einspruch blieb erfolglos.

Mit der nunmehr erhobenen Klage verfolgen die Kläger das Ziel der Aufhebung des Änderungsbescheides weiter. Sie vertreten die Auffassung, die Änderung der Einkommensteuerbescheides 2007 sei wegen des Eintritts der Festsetzungsverjährung ausgeschlossen. Eine Verlängerung der Festsetzungsverjährung wegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung scheide aus. Im Änderungsbescheid 2007 komme es aufgrund der einbehaltenen Quellensteuern zu einer Einkommensteuererstattung. Bereits deshalb könne keine Steuerverkürzung gegeben sein. Da mit der berichtigten Steuererklärung auch die Steuerbescheinigungen vorgelegt worden seien, seien die rechtlichen Voraussetzungen für eine Steueranrechnung erfüllt. Für die Frage der Änderbarkeit könne es allein auf die heute vorliegenden Unterlagen ankommen.

Entgegen der Auffassung des FA könne die Kirchensteuer in die Betrachtung nicht einbezogen werden, da deren Verkürzung nicht möglich sei. In § 8 Abs. 2 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen (Kirchensteuergesetz -KiStG-) komme hinreichend deutlich zum Ausdruck, dass eine Verkürzung von Kirchensteuer ausgeschlossen sein solle. Die Annexsteuern dürften keine Rolle spielen, weil die Änderung ihrer Festsetzung vielmehr eine Änderbarkeit der Maßstabsteuern voraussetze.

Durch die Abgabe einer berichtigten Steuererklärung sei der Tatbestand der Steuerhinterziehung nach § 370 AO oder der leichtfertigen Steuerverkürzung nach § 378 AO ausgeschlossen. Soweit das FA von einer leichtfertigen Steuerverkürzung ausgehe, trage es hierfür die Feststellungslast.

Im vorliegenden Fall könne nicht von einer Leichtfertigkeit ausgegangen werden. Die Klägerin habe in erheblichem Umfang Steuerunterlagen zusammenzustellen gehabt. Hierzu hätten auch die Bankbelege gehört. Im Hinblick auf die Vielzahl der Unterlagen sei der Klägerin nicht aufgefallen, dass die Steuerbescheinigungen der Stadtsparkasse S. gefehlt hätten. Anschließend habe sie die Unterlagen dem Büro des Prozessbevollmächtigten zur Erstellung der Steuererklärung übergeben. Grundsätzlich dürften sich die Steuerpflichtigen darauf verlassen, dass die vom Steuerberater erstellte Erklärung zutreffend sei.

Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Änderungsbescheid zur Einkommensteuer 2007 vom 3.11.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 11.12.2014 aufzuheben.

Das FA beantragt,
die Klage abzuweisen.

Das FA merkt an, es ergebe sich jedenfalls hinsichtlich der Kirchensteuer und beim Solidaritätszuschlag ein Nachzahlungsbetrag. Nach seiner Auffassung seien bei der Frage des subjektiven Tatbestands die Teilbeträge der Steuerfestsetzungen zusammenzufassen.

Für die Frage, ob eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO in Betracht komme, sei stets auf die Steuerfestsetzung abzustellen, ohne dass es auf die Steuerabzugsbeträge ankomme. Dies entspreche der Gesetzessystematik. Geändert werde die Steuerfestsetzung, nicht aber der Abrechnungsteil.

In dem Verfahren hat am 13.4.2016 ein Erörterungstermin stattgefunden. In dem Erörterungstermin hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger durch Nachfrage bei den Klägern eine Übersicht der Stadtsparkasse S. der bei ihr erteilten Freistellungsaufträge als WhatsApp-Anhang vorgelegt. Diese enthält folgende Positionen:

 
Die letzte Änderung ist nach der Übersicht am 20.1.2016 erfolgt.

Auf Nachfrage hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger im Erörterungstermin bekundet, er habe sich selbst davon überprüft, dass die Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse jedenfalls in den Jahren 2004 bis 2006 ordnungsgemäß versteuert worden seien.

In dem Erörterungstermin haben die Beteiligten einvernehmlich auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Wegen der weiteren Einzelheiten des Erörterungstermins wird auf den Inhalt des Protokolls Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage, über die der Senat aufgrund des Verzichts der Beteiligten gemäß § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung entscheiden durfte, ist zulässig und begründet.

I. Die Kläger sind durch den Änderungsbescheid i.S. des § 40 Abs. 2 FGO beschwert, weil sich die Einkommensteuerfestsetzung um 630,00 € erhöht hat.

II. Ebenso wenig ermangelt es der Klage an dem -von der Klagebefugnis zu trennenden (statt aller Braun in Hübschmann/Hepp/Spitaler -HHSp-, § 40 FGO Rz. 163)- allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Zwar fehlt es an ihm, wenn eine Klage für den Kläger offensichtlich keinen Nutzen hat, weil zweifelsfrei feststeht, dass sich die rechtliche Position gegenüber dem Beklagten nicht verbessern kann (Braun in HHSp, a.a.O., Rz. 165). So liegt der Fall hier aber nicht, obwohl die Kläger bei einer Aufhebung des Änderungsbescheids isoliert auf die Einkommensteuer und deren Abrechnung bezogen schlechter gestellt werden würden, weil die Überzahlung in Höhe von 30,00 € entfallen würde. Denn die Einkommensteuer ist die Maßstabsteuer sowohl für die evangelische Kirchensteuer (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a KiStG) als auch für den Solidaritätszuschlag (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 des Solidaritätszuschlagsgesetzes 1995). Aufgrund der erhöhten Einkommensteuer haben sich durch den Änderungsbescheid auch die Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag erhöht, was durch die Verrechnung mit der Überzahlung nur teilweise neutralisiert werden konnte, so dass eine Zahllast bei der evangelischen Kirchensteuer in Höhe von 45,83 € verblieb.

III. Die Klage ist begründet, weil der Änderungsbescheid rechtswidrig ist und die Kläger in ihren Rechten verletzt (vgl. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Eine Änderung der Einkommensteuerfestsetzung hätte am 3.11.2014 nicht mehr nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO erfolgen dürfen.

1. Dass das FA die durch die Geldanlagen bei der Stadtsparkasse S. erzielten Kapitaleinkünfte betragstechnisch und vom materiellen Recht ausgehend zutreffend in den Änderungsbescheiden berücksichtigt hat, ist zwischen den Beteiligten zu Recht nicht im Streit und bedarf daher auch keiner weiteren Vertiefung.

2. Ebenso ist zwischen den Beteiligten nicht streitig, dass die Kapitaleinkünfte dem FA i.S. des § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nachträglich bekannt geworden sind. Unstreitig lagen die Steuerbescheinigungen der Stadtsparkasse S. bei den erstmaligen Steuerfestsetzungen dem FA nicht vor, und für dieses war der Umstand, dass Kapitalerträge dort erzielt worden waren, auch nicht anderweitig anhand der vorliegenden Akten erkennbar.

3. Entgegen der Auffassung des FA scheidet die Korrektur der Einkommensteuerbescheide 2007 jedoch wegen des Ablaufs der Festsetzungsfrist aus. Mit dem Ablauf des 31.12.2013 ist Festsetzungsverjährung eingetreten, so dass gemäß § 169 Abs. 1 Satz 1 AO eine Änderung ausgeschlossen ist.

a) Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO) begann mit Ablauf des Jahres 2009 und endete daher mit Ablauf des 31.12.2013, weil die Klägerin die gemäß § 25 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 2002 (EStG 2002) abzugebende Einkommensteuererklärung am 4.5.2009 beim FA einreichte (vgl. § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO).

b) Entgegen der Auffassung des FA kommt eine Verlängerung der Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 Satz 2 Alternative 2 AO auf fünf Jahre wegen Vorliegens einer leichtfertigen Steuerverkürzung (§ 378 AO) im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Zwar ist bezogen auf das Jahr 2007 Einkommensteuer verkürzt worden. Gleichwohl führt dies nicht zu einer verlängerten Festsetzungsfrist, weil eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2007 bezogen auf diese Steuer nicht zu einer Abschlusszahlung, sondern zu einem Erstattungsanspruch zugunsten der Kläger führen würde.

aa) Indem die Kläger die im Jahre 2007 durch die Geldanlagen bei der Stadtsparkasse S. erzielten Kapitalerträge nicht in der Einkommensteuererklärung angegeben haben, haben sie leichtfertig Steuern verkürzt. Eine leichtfertige Steuerverkürzung begeht nach § 378 Abs. 1 AO, wer -wie  im Streitfall- als Steuerpflichtiger oder bei Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen eine der in § 370 Abs. 1 AO bezeichneten Taten leichtfertig begeht. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt.

aaa) Die Kläger haben gegenüber dem FA durch Abgabe der ursprünglichen Einkommensteuererklärung 2007 unvollständige Angaben gemacht (vgl. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO), indem sie die Kapitalerträge der Stadtsparkasse S. nicht angegeben haben.

bbb) Hierdurch haben die Kläger Steuern verkürzt.

(1) Gemäß § 370 Abs. 4 Satz 1 AO sind Steuern namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird. Da bei Veranlagungssteuern -wie der Einkommensteuer- die Festsetzung regelmäßig durch förmlichen Bescheid erfolgt (§§ 155, 157 AO), ist die Tat vollendet, sobald der unrichtige Steuerbescheid dem Steuerpflichtigen bekannt gegeben wird (§ 124 Abs. 1 AO; Klein/Jäger, AO, 12. Aufl. 2014, § 370 Rz. 90).

(2) Im vorliegenden Fall setzte das FA aus Unkenntnis über die Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse S. die Einkommensteuer zu niedrig fest.

(3) An einer Steuerverkürzung fehlt es nicht deshalb, weil die Kläger im Jahre 2014 eine berichtigte Steuererklärung abgegeben haben. § 153 AO und §§ 370, 378 AO stehen nicht in einem Konkurrenzverhältnis dergestalt zueinander, dass die Abgabe einer berichtigten Steuererklärung den Tatbestand der Steuerverkürzung ausschließt. Diese ist allein durch die fehlerhaft zu niedrige Festsetzung vollendet. Umgekehrt lässt die vollendete Steuerverkürzung die Verpflichtung zur Abgabe einer berichtigten Steuererklärung unberührt (Beschluss des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 17.3.2009 1 StR 479/08, BGHSt 53, 210; Klein/Rätke, a.a.O., § 153 Rz. 4; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 153 AO Rz. 11a; a.A. Stöcker in Beermann/Gosch, § 153 AO Rz. 19).

Der Wortlaut des § 153 Abs. 1 Satz 1 AO, der verlangt, dass der Steuerpflichtige die Unrichtigkeit seiner Steuererklärung vor Ablauf der Festsetzungsfrist erkennt, steht dem nicht entgegen. Selbst bei bedingtem Vorsatz, erst recht aber bei Leichtfertigkeit ist ein solches nachträgliches Erkennen möglich (BGH-Beschluss in BGHSt 53, 210; Klein/Rätke, a.a.O., Rz. 8; a.A. für bedingten Vorsatz Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., Rz. 11) und i.Ü. durch die Kläger selbst im vorliegenden Fall auch vorgetragen worden.

(4) An einer Steuerverkürzung fehlt es bezogen auf das Streitjahr 2007 auch nicht deshalb, weil -aufgrund des erheblich gestiegenen Zinsabschlags von 635,00 € auf 1.295,00 €- der nach Abzug der Quellensteuern verbleibende Betrag von 277,00 € auf 247,00 € gesunken ist. Denn dies ändert nichts daran, dass die eigentliche Steuerfestsetzung in dem ersten Einkommensteuerbescheid zu niedrig ausgefallen ist (4.654,00 € statt 5.284,00 €).

Anrechenbare Abzugsteuerbeträge -wie im vorliegenden Fall der Zinsabschlag- sind bei der strafrechtlichen Beurteilung, die Grundlage auch für § 169 Abs. 2 Satz 2 AO ist, allenfalls dann zu berücksichtigen, wenn die steuerrechtlichen Anrechnungsvoraussetzungen vorliegen. Fehlen Nachweise oder Bescheinigungen, deren Vorliegen sachlich-rechtliche Voraussetzung einer Steuernorm sind, so begeht der Steuerpflichtige eine Steuerverkürzung, wenn er diese steuerliche Regelung beansprucht und dabei das Nichtvorliegen der erforderlichen Bescheinigungen verschweigt (BFH-Urteil vom 29.4.2008 VIII R 28/07, BFHE 220, 332, BStBl II 2009, 842, im Anschluss an die Rechtsprechung des BGH, s. BGH-Urteil vom 12.1.2005  5 StR 301/04, Zeitschrift für Wirtschafts- und Steuerstrafrecht -wistra- 2005, 144, und BGH-Beschluss vom 7.11.2006  5 StR 435/06, wistra 2007, 68). Diese Grundsätze gelten namentlich auch für die durch Steuerabzug erhobene Kapitalertragsteuer. Die nach § 45a Abs. 2 EStG 2002 auszustellende Kapitalertragsteuerbescheinigung ist nämlich materiell-rechtliche Voraussetzung für die Anrechnung (Ransiek in Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 AO Rz. 447). Liegt sie nicht vor, ist die Anrechnung gemäß § 36 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 EStG 2002 zu versagen. So liegt der Fall auch hier. Bei der erstmaligen Veranlagung lagen die Bescheinigungen der Stadtsparkasse S. nicht vor; aus welchem Grund auch immer war den Klägern die Bescheinigung nicht mehr automatisch übersandt worden. Dies ist erst nachträglich bei der Überprüfung der Steuerveranlagung der Jahre ab 2004 im Jahre 2014 nachgeholt worden.

ccc) Entgegen der Auffassung der Kläger erfolgte die Steuerverkürzung leichtfertig.

(1) Leichtfertigkeit bedeutet einen erheblichen Grad an Fahrlässigkeit, der etwa der groben Fahrlässigkeit des bürgerlichen Rechts entspricht, im Gegensatz dazu aber auf die persönlichen Fähigkeiten des Täters abstellt (BFH-Urteile vom 17.11.2015 X R 35/14, juris). Leichtfertig handelt, wer die Sorgfalt außer Acht lässt, zu der er nach den besonderen Umständen des Falles und seinen persönlichen Fähigkeiten und Kenntnissen verpflichtet und imstande ist und dem sich danach aufdrängen muss, dass er dadurch Steuern verkürzt (BFH-Urteile vom 17.11.2011 IV R 2/09, BFH/NV 2012, 1309; vom 24.7.2014 V R 44/13, BFHE 246, 207, BStBl II 2014, 955). Hierzu ist eine Gesamtbewertung des Verhaltens des Steuerpflichtigen erforderlich (BFH-Urteil vom 29.10.2013 VIII R 27/10, BFHE 243, 116, BStBl II 2014, 295).

(2) Im vorliegenden Fall musste den Klägern sowohl bekannt sein, dass die Kapitalerträge bei der Stadtsparkasse S. steuerpflichtig waren als auch, dass sie in den ursprünglichen Steuererklärungen der Jahre 2007 und 2008 nicht enthalten waren. Beide Kläger waren nicht nur im Geschäftsleben tätig (der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer im …-bereich, die Klägerin als kaufmännische Angestellte), sie haben insbesondere auch hinsichtlich der übrigen Steuerbescheinigungen die richtigen steuerlichen Konsequenzen gezogen und diese den Steuerunterlagen für ihren Berater beigefügt. Sie hätten erkennen können und müssen, dass die Steuerbescheinigungen der Stadtsparkasse S. fehlten, zumal sie die entsprechenden Bescheinigungen in den Vorjahren stets mit beilegten und die dort erzielten Kapitalerträge ordnungsgemäß versteuerten. Sie hätten dies insbesondere auch deshalb für die Jahre 2007 und 2008 erkennen müssen, weil bei der Stadtsparkasse S. nicht unerhebliche Kapitalerträge angefallen sind und sie nicht nur die Deklaration einer oder mehrerer Anlagen bei der Stadtsparkasse, sondern die sämtlicher Anlagen unterlassen haben. Dies ist umso weniger entschuldbar, als sie am 25.11.2006 mit Wirkung zum 1.1.2007 und am 16.4.2007 mit Wirkung zum 1.1.2008 den bei der Stadtsparkasse erteilten Freistellungsauftrag geändert und damit auch Maßnahmen mit Bezug auf das konkrete bzw. im konkreten Streitjahr getätigt haben. Dies setzt voraus, dass sie sich kurz vor und noch während des Streitjahres mit jedenfalls potentiellen steuerlichen Auswirkungen der Geldanlagen bei der Stadtsparkasse S. befasst haben müssen.

Die Kläger können nicht mit dem Argument gehört werden, für ihre Steuererklärung seien dermaßen viel Unterlagen notwendig, dass es ihnen nachgesehen werden müsse, wenn ihnen die Steuerbescheinigungen hinsichtlich einer Bank durchgehe. Es mag sein, dass die Steuererklärung der Kläger einen gewissen Aufwand erfordert. Gleichwohl hat diese kein Ausmaß, dass hierbei aus dem Blick geraten könnte, dass sie bei einer bestimmten Bank verschiedene Kapitalanlagen unterhalten. Insbesondere nahm für das Jahr 2007 sowohl die Anzahl der Kapitalanlagen bei der Stadtsparkasse als auch die durch sie erzielten Kapitalerträge ein erhebliches Gewicht bezogen auf den Gesamtumfang und –betrag der Kapitalanlagen ein.

Hierbei wird nicht verkannt, dass die Kapitalerträge nur den geringeren Umfang der Einkünfte der Kläger ausmachen. Allein daran kann aber keine Entschuldigung anknüpfen, warum die Kläger mit einer nur geringeren Sorgfalt ihren steuerlichen Pflichten im Hinblick hierauf hätten nachkommen dürfen.

Schließlich entfällt die Leichtfertigkeit auch nicht -wie die Kläger meinen- deshalb, weil sie sich darauf hätten verlassen dürfen, dass ihr Steuerberater die Steuererklärung richtig erstellen würde. Ein solches schutzwürdiges Vertrauen hätten die Kläger nur dann entwickeln können, wenn sie ihrem Berater auch tatsächlich alle notwendigen Unterlagen übergeben hätten. Schlechterdings können sie aber nicht davon ausgehen, dass ihr Steuerberater unabhängig von der Vorlage notwendiger Unterlagen eine zutreffende Erklärung abgeben würde.

bb) Obwohl die verlängerte Festsetzungsverjährung ihrem Wortlaut nach Anwendung findet, gilt ausnahmsweise die Regelfestsetzungsfrist von vier Jahren gemäß § 169 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AO mit der Folge, dass zum 31.12.2013 und damit vor Änderung des Einkommensteuerbescheides 2007 Festsetzungsverjährung eingetreten ist.

aaa) Der BFH schränkt den Tatbestand des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO nämlich teleologisch dahingehend ein, dass er neben dem Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung einen hinterzogenen Betrag im Sinne eines Anspruchs des Fiskus auf eine Abschlusszahlung voraussetzt, der wegen einer vollendeten Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung bislang nicht realisiert werden konnte (BFH-Urteil vom 26.2.2008 VIII R 1/07, BFHE 220, 229, BStBl II 2008, 659; dem BFH folgend bspw. Klein/Rüsken, a.a.O., § 169 Rz. 25; Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 169 AO Rz. 13; Paetsch in Beermann/Gosch, § 169 AO Rz. 49). Der BFH nimmt über die eigentliche Festsetzung, um die es für die Frage der Steuerverkürzung eigentlich geht, aus Gründen des Sinns und Zwecks auch den Abrechnungsteil mit in den Blick (deutlich zwischen dem strafrechtlichen Tatbestand der Steuerhinterziehung und der Abrechnung differenzierend BFH-Beschluss vom 23.4.2009 VIII R 6/08, BFH/NV 2009, 1397).

Zur Begründung führt der BFH an, dass nach den Wertungen des Gesetzes dem durch eine Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit geschädigten Steuergläubiger ermöglicht werden soll, die ihm vorenthaltenen Steuerbeträge auch noch nach Ablauf von vier Jahren zurückzufordern. Sinn und Zweck des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO sei es demgegenüber gerade nicht, den Hinterzieher in die Lage zu versetzen, Erstattungsansprüche über die reguläre Verjährungsfrist hinaus zu realisieren (BFH-Beschluss in BFH/NV 2009, 1397). § 169 Abs. 2 Satz 2 AO wolle keine Selbstschädigungen des Steuerpflichtigen vereiteln, also Fälle verhindern, in denen der Steuerpflichtige besser gefahren wäre, wenn er bei der Wahrheit geblieben wäre (ausführlich BFH-Urteil in BFHE 220, 229, BStBl II 2008, 659).

bbb) Diese Grundsätze, die den Senat überzeugen und denen er folgt, führen im vorliegenden Fall dazu, dass die Verlängerung der grundsätzlichen Festsetzungsfrist aus telelogischen Gründen im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist, da die Kläger wirtschaftlich durch sie in den Genuss einer -wenn auch geringfügigen- Erstattung von 30,00 € kommen würden. Hätten die Kläger bereits bei der ersten Steuererklärung die gebotene notwendige Sorgfalt angelegt, hätte es der Änderung nicht bedurft.

ccc) Nicht gefolgt werden kann dem FA, das der Auffassung ist, für die Frage des Bestehens einer Abschlusszahlung seien auch die evangelische Kirchensteuer und der Solidaritätszuschlag im vorliegenden Fall mit einzubeziehen. Daher ergebe sich letztendlich eine Abschlusszahlung in Höhe von 45,83 €. Diese steuerartenübergreifende Betrachtungsweise vermag den Senat nicht zu überzeugen. Für die Frage der Änderbarkeit ist grundsätzlich die einzelne Steuerfestsetzung in den Blick zu nehmen. Insoweit ist es bereits eine Systemdurchbrechung, wenn der BFH den Abrechnungsteil in die Betrachtung einbezieht und sich die Frage nach einer Abschlusszahlung stellt. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des § 169 Abs. 2 Satz 2 AO vermag den Senat dies indes noch zu überzeugen, da diese wirtschaftlichen Folgerungen noch unmittelbar auf der Änderung der jeweiligen Steuerfestsetzung beruhen. Es erscheint ihm aber zu weitgehend weitere mittelbare -wenn auch steuerrechtliche- Folgerungen mit einzubeziehen, zumal hierfür zunächst auch noch eine Änderung weiterer eigenständiger Steuerfestsetzungen erforderlich wäre.

Hierbei verkennt der Senat nicht, dass sowohl für die evangelische Kirchensteuer als auch für den Solidaritätszuschlag die Einkommensteuerfestsetzung die Maßstabssteuer ist und daher aufgrund der Änderung der Einkommensteuerfestsetzung auch eine Korrektur der beiden anderen Festsetzungen erforderlich geworden ist. Gleichwohl erscheint es dem Senat zu weitgehend die Zahllast bei der evangelischen Kirchensteuer in die Beurteilung einzubeziehen, weil diese unmittelbar auf einer eigenständigen Steuerfestsetzung beruht, die neben der Einkommensteuerfestsetzung steht und deshalb auch ein eigenständiges verfahrensrechtliches Schicksal nehmen kann.

Angesichts dessen kann die von den Klägern aufgeworfene Frage, ob eine Hinterziehung bzw. Verkürzung der Kirchensteuer überhaupt trotz ausdrücklichen Ausschlusses der §§ 370, 378 AO durch § 8 Abs. 2 KiStG möglich ist, dahinstehen.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

 

FG Münster, Urteil v. 28.04.2016, Az.: 9 K 203/15 E, juris

 

30.09.16, Julius Heinisch

 

 

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