FG München zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage der privaten Verwendung eines Betriebsgebäudes

Das Finanzgericht München äußert – wie das Niedersächsische Finanzgericht – Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungspraxis hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der privaten Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes. Aus den Gründen I. Die Antragstellerin, eine Hausgemeinschaft, errichtete im Jahr 2003 ein Gebäude. In dem Gebäude befinden sich die privat genutzten Wohnräume der beiden Gemeinschafter der Antragstellerin sowie die Räume einer Steuerkanzlei, die von der Antragstellerin an einen der Gemeinschafter, einen Steuerberater, ab Dezember 2003 steuerpflichtig vermietet wurde. In ihren Voranmeldungen machte die Antragstellerin die gesamten ihr im Zusammenhang mit den Herstellungskosten in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer geltend und setzte als Bemessungsgrundlage für die Verwendung der privat genutzten Wohnung jeweils ein Zwölftel von zwei v.H. der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten an. Abweichend davon legte das Finanzamt nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 13. April 2004 (BStBl I 2004,468) als Bemessung der privaten Grundstücksverwendung jeweils ein Zwölftel von 10 v.H. der insoweit entstandenen Herstellungskosten an. II. Der Antrag ist begründet. Nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG werden einer sonstigen Leistung gegen Entgelt unter anderem gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Die Antragstellerin hat das von ihr errichtete Gebäude insgesamt ihrem Vermietungsunternehmen zugeordnet, auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet (§ 9, § 4 Nr. 12a UStG) und dementsprechend die Vorsteuern aus den ihr in Rechnung gestellten Herstellungskosten in vollem Umfang geltend gemacht. Die unentgeltliche Verwendung des nicht steuerpflichtig vermieteten, sondern von den Gemeinschaftern der Antragstellerin für Wohnzwecke genutzten Gebäudeteils steht deshalb gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG einer sonstigen Leistung der Antragstellerin gegen Entgelt gleich. Die Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz bestimmt sich gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG nach den bei Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, so weit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Diese Regelung beruht auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Besteuerungsgrundlage bei den in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannten Umsätzen (unter anderem also die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen) der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung ist. Die Richtlinienbestimmung definiert den Begriff „Betrag der Ausgaben“ nicht. Nach dem Urteil Enkler des EuGH (vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Rd. 36, UR 1996, 418; UVR 1996, 338) sind bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer nur die Ausgaben heranzuziehen, die – wie die Abschreibungen für die Abnutzungen des Gegenstandes oder die Ausgaben des Steuerpflichtigen, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt haben – mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind. Dies könnte für die von der Antragstellerin vorgenommene Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Privatverwendung der Wohnräume sprechen; denn ihrer Auffassung nach entstehen Kosten im Sinne von § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG nur in Höhe des Wertverzehrs durch die Nutzung des Gebäudes. Ein vollständiger Wertverzehr sei aber keinesfalls nach Maßgabe des Vorsteuerberichtigungszeitraums des § 15a UStG bereits nach 10 Jahren anzunehmen. Allerdings hat der EuGH in dem Urteil Seeling (Urteil vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00,4 BFH/NV Beilage 2003, 157, Rdnr. 54) ausgeführt: wenn im Fall der Besteuerung einer privaten Wohnungsverwendung in dem insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäude ein Letztverbrauch nicht versteuert wird, weil bei dem in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Berichtigungszeitraum der Vorsteuerabzug, der im Zeitpunkt der Herstellung eines Gebäudes erfolgt, nur teilweise korrigiert werden kann, so ist dies die Folge einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers und kann nicht dazu führen, dass eine weite Auslegung eines anderen Artikels dieser Richtlinie geboten wäre. Damit hält der EuGH trotz des Grundsatzes der Steuerneutralität für möglich, dass die Besteuerung der Privatverwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes unter Zugrundelegung der abschnittsweise zu ermittelnden Ausgaben/Kosten zumindest teilweise zu einem unversteuerten Letztverbrauch führen kann. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide ist demnach zweifelhaft, da offen bleibt, ob der weite Kostenbegriff der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 468) dem Begriff der Ausgaben i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG entspricht. Die Aufhebung der Vollstreckung erfolgt deshalb antragsgemäß in Höhe der Differenz des Kostenansatzes der Antragstellerin (jährlich zwei v.H. der Herstellungskosten) und dem des Finanzamts (jährlich 10 v.H. Herstellungskosten).“ Finanzgericht München, Beschluss vom 26.10. 2004 - 14 V 2943/04

22.11.2004, Kastaun

Das Finanzgericht München äußert – wie das Niedersächsische Finanzgericht – Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Verwaltungspraxis hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der privaten Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes. Aus den Gründen I. Die Antragstellerin, eine Hausgemeinschaft, errichtete im Jahr 2003 ein Gebäude. In dem Gebäude befinden sich die privat genutzten Wohnräume der beiden Gemeinschafter der Antragstellerin sowie die Räume einer Steuerkanzlei, die von der Antragstellerin an einen der Gemeinschafter, einen Steuerberater, ab Dezember 2003 steuerpflichtig vermietet wurde. In ihren Voranmeldungen machte die Antragstellerin die gesamten ihr im Zusammenhang mit den Herstellungskosten in Rechnung gestellte Mehrwertsteuer geltend und setzte als Bemessungsgrundlage für die Verwendung der privat genutzten Wohnung jeweils ein Zwölftel von zwei v.H. der auf den privat genutzten Teil des Gebäudes entfallenden Herstellungskosten an. Abweichend davon legte das Finanzamt nach Maßgabe des BMF-Schreibens vom 13. April 2004 (BStBl I 2004,468) als Bemessung der privaten Grundstücksverwendung jeweils ein Zwölftel von 10 v.H. der insoweit entstandenen Herstellungskosten an. II. Der Antrag ist begründet. Nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG werden einer sonstigen Leistung gegen Entgelt unter anderem gleichgestellt die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes, der zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt hat, durch einen Unternehmer für Zwecke, die außerhalb des Unternehmens liegen. Die Antragstellerin hat das von ihr errichtete Gebäude insgesamt ihrem Vermietungsunternehmen zugeordnet, auf die Steuerbefreiung der Vermietungsumsätze verzichtet (§ 9, § 4 Nr. 12a UStG) und dementsprechend die Vorsteuern aus den ihr in Rechnung gestellten Herstellungskosten in vollem Umfang geltend gemacht. Die unentgeltliche Verwendung des nicht steuerpflichtig vermieteten, sondern von den Gemeinschaftern der Antragstellerin für Wohnzwecke genutzten Gebäudeteils steht deshalb gem. § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG einer sonstigen Leistung der Antragstellerin gegen Entgelt gleich. Die Bemessungsgrundlage für diesen Umsatz bestimmt sich gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 UStG nach den bei Ausführung dieser Umsätze entstandenen Kosten, so weit sie zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben. Diese Regelung beruht auf Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG, wonach die Besteuerungsgrundlage bei den in Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie genannten Umsätzen (unter anderem also die Verwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gegenstandes für den privaten Bedarf des Steuerpflichtigen) der Betrag der Ausgaben des Steuerpflichtigen für die Erbringung der Dienstleistung ist. Die Richtlinienbestimmung definiert den Begriff „Betrag der Ausgaben“ nicht. Nach dem Urteil Enkler des EuGH (vom 26. September 1996 Rs. C-230/94, Rd. 36, UR 1996, 418; UVR 1996, 338) sind bei Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Mehrwertsteuer nur die Ausgaben heranzuziehen, die – wie die Abschreibungen für die Abnutzungen des Gegenstandes oder die Ausgaben des Steuerpflichtigen, die ihn zum Vorsteuerabzug berechtigt haben – mit dem Gegenstand selbst verknüpft sind. Dies könnte für die von der Antragstellerin vorgenommene Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Privatverwendung der Wohnräume sprechen; denn ihrer Auffassung nach entstehen Kosten im Sinne von § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG nur in Höhe des Wertverzehrs durch die Nutzung des Gebäudes. Ein vollständiger Wertverzehr sei aber keinesfalls nach Maßgabe des Vorsteuerberichtigungszeitraums des § 15a UStG bereits nach 10 Jahren anzunehmen. Allerdings hat der EuGH in dem Urteil Seeling (Urteil vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00,4 BFH/NV Beilage 2003, 157, Rdnr. 54) ausgeführt: wenn im Fall der Besteuerung einer privaten Wohnungsverwendung in dem insgesamt dem Unternehmen zugeordneten Gebäude ein Letztverbrauch nicht versteuert wird, weil bei dem in Art. 20 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG vorgesehenen Berichtigungszeitraum der Vorsteuerabzug, der im Zeitpunkt der Herstellung eines Gebäudes erfolgt, nur teilweise korrigiert werden kann, so ist dies die Folge einer bewussten Entscheidung des Gemeinschaftsgesetzgebers und kann nicht dazu führen, dass eine weite Auslegung eines anderen Artikels dieser Richtlinie geboten wäre. Damit hält der EuGH trotz des Grundsatzes der Steuerneutralität für möglich, dass die Besteuerung der Privatverwendung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes unter Zugrundelegung der abschnittsweise zu ermittelnden Ausgaben/Kosten zumindest teilweise zu einem unversteuerten Letztverbrauch führen kann. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide ist demnach zweifelhaft, da offen bleibt, ob der weite Kostenbegriff der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 468) dem Begriff der Ausgaben i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 77/388/EWG entspricht. Die Aufhebung der Vollstreckung erfolgt deshalb antragsgemäß in Höhe der Differenz des Kostenansatzes der Antragstellerin (jährlich zwei v.H. der Herstellungskosten) und dem des Finanzamts (jährlich 10 v.H. Herstellungskosten).“ Finanzgericht München, Beschluss vom 26.10. 2004 - 14 V 2943/04

22.11.2004, Kastaun

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