FG Hannover: Unzumutbarkeit eines Benennungsverlangens gemäß § 160 AO gegenüber dem Betreiber eines Metall- und Schrotthandels

In Bestätigung seines AdV-Beschlusses vom 13.04.15 (3 V 234/14) hat der 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts entschieden, dass sich die Benennung von (möglicherweise) hinter den tatsächlichen Anlieferern unbekannt agierenden Hintermännern für den Betreiber eines Schrotthofs als im Sinne des § 160 AO unzumutbar darstellt.

Vielmehr reicht allein die Benennung der Daten des unmittelbar handelnden Anlieferers (und ggf. beteiligter Bevollmächtigter) aus, wenn dem Steuerpflichtigen dessen bloße Zwischenschaltung als sog.  „Strohmann“ nicht erkennbar war. Insbesondere darf dieser dabei auf vom Anlieferer vorgelegte (echte) amtliche Dokumente, wie Reisegewerbekarte oder eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, durch die der Rechtsschein einer ordnungsgemäßen gewerblichen Tätigkeit begründet wird, vertrauen.

In derart gelagerten Fällen kommt eine Kürzung des Betriebsausgabenabzugs nicht in Betracht, da dies zu einer unzulässigen extensiven Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 160 AO führen würde.

Das Gericht judiziert hierzu:

„Aus dem vorgenannten Grund gilt dies erst Recht, wenn ein bestimmter namentlich bekannter Anlieferer möglicherweise verdeckt für andere Personen als Treuhänder, Strohmann oder ähnliches am Geschäftsleben gegenüber einem Unternehmen teilnimmt. Für den Unternehmer, hier die Kläger, ist es in solchen Fällen nur möglich, die Person des unmittelbar Handelnden zu benennen. Dieser Verpflichtung sind sie nachgekommen. Sollten also, wie dies die Steuerfahndung und das FA vermuten, hinter den vom FA als „Schreiber“ bezeichneten Personen andere Personen als Hintermänner tätig geworden sein, konnte das FA derartige Ermittlungen aufnehmen und hat dies auch getan, so dass auch dann ein weitergehendes Benennungsverlangen unverhältnismäßig wäre.

Da wie im Streitfall ein einzelner Schrotthändler naturgemäß weder wissen noch prüfen kann, welche tatsächlichen vertraglichen Absprachen von den Anlieferern mit dritten Personen getroffen worden sein mögen, darf er sich insoweit auf die vorgelegten Papiere verlassen und muss dazu lediglich die Angaben aus amtlichen Ausweisen dokumentieren, um diese Personen später benennen zu können. Vor allem zusätzliche amtliche Dokumente wie eine Reisegewerbekarte und/oder eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes begründen einen Vertrauenstatbestand in eine eigene legale gewerbliche Tätigkeit des Anlieferers.

Soweit das FA die Ansicht vertritt, dass derartige Bescheinigungen nach der Rechtsprechung ausgestellt werden müssten, solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine Versagung vorlägen, und deshalb solchen Dokumenten kein Wert zukomme, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Diese Ansicht überzeichnet die Anforderungen, die an den Ankäufer der Ware im Rahmen des Ankaufs gestellt werden können. Selbst wenn das FA bzw. die zuständige Behörde die vorgenannten Dokumente auch dann ausstellen muss, wenn der Antragsteller evtl. drogen- oder alkoholabhängig ist und/oder keinen LKW für eine solche Tätigkeit besitzt und/oder über keine feste Geschäftseinrichtung verfügt, bedeutet dies nicht, dass die Kläger auf solche Dokumente nicht vertrauen dürften. Ihnen dürfte nicht einmal bekannt gewesen sein, unter welchen Voraussetzungen die Behörde diese Dokumente ausgibt. Das FA erwartet jedoch, dass der Ankäufer der Waren in den gleichen Fällen - trotz der Vorlage einer Reisegewerbekarte und/oder einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung - die Annahme solcher Waren, wobei ein solcher Ankauf zu seinem eingerichteten Gewerbebetrieb gehört, aus den gleichen Gründen erstens intensiv prüfen und zweitens ggf. die Warenannahme verweigern muss, wenn nicht alle weiteren an dem Geschäft rechtlich oder tatsächlich beteiligten Personen beim Ankauf vollständig bezeichnet werden, kein LKW auf den Anlieferer zugelassen ist oder dieser über keine feste Geschäftseinrichtung wie einen Schrott- und Lagerplatz verfügt. Anders als einer Behörde ist es einem Gewerbetreibenden regelmäßig nicht einmal möglich, derartige Sachverhalte zu prüfen.

Bezogen auf diejenigen Anlieferer, denen von den Behörden entweder eine Reisegewerbekarte oder eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt worden ist, wäre es unzumutbar, die Kläger zu einer weitergehenden Benennung von vermeintlichen Hintermännern unter Heranziehung von § 160 AO zu verpflichten, da die primär handelnden Personen den Behörden bereits durch Benennung und die korrespondierenden amtlichen Dokumente bekannt sind und auf dieser Grundlage weitere Ermittlungen evtl. auch in Richtung vermuteter Hintermänner möglich waren. Die Kläger müssen sich ohne eigene Ermittlungen auf (echte) amtliche Dokumente, die ihnen vorgelegt werden, verlassen können. Den Rechtsschein der ordnungsgemäßen gewerblichen Tätigkeit, der durch amtliche Dokumente erzeugt wird, müssen sich die Behörden zurechnen lassen. Die Kläger wären - bezogen auf diese Personen - im Rechtssinne nur Opfer einer Täuschung der möglichen „Schreiber“, die für sie durch die vorgelegten amtlichen Dokumente nicht vermeidbar war. Wenn schon die Behörden getäuscht werden konnten, dürfen die Finanzämter keinen strengeren Maßstab an die Unternehmer anlegen, die mit Personen, die solchermaßen mit behördlichen Dokumenten ausgestattet worden sind, handeln.

Entgegen der Ansicht des FA mussten die Kläger im Streitfall auch nicht wegen des tatsächlichen Umfangs der Anlieferungen besondere Prüfungen vornehmen. Ob die bei ihnen erscheinenden Anlieferer bereits in der Vergangenheit oder auch nahezu zeitgleich bei anderen Betrieben Schrott o.ä. angeliefert haben, kann dem einzelnen Betriebsinhaber regelmäßig nicht bekannt sein. Die einzelnen Großhändler stehen im Wettbewerb zueinander und tauschen schon deswegen keine Informationen über ihre Bezugsquellen aus. Der Unternehmer muss zudem nicht von vornherein davon ausgehen, dass unredlich handelnde oder unerfahrene Personen bei ihm erscheinen, auch wenn größere Schrottmengen angeliefert werden.“

Die Revision wurde nicht zugelassen.Nichtzulassungsbeschwerde ist eingelegt.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 27.01.16, 3 K 155/14 und 3 K 157/14

 

29.04.2016, Julia Minnerup

In Bestätigung seines AdV-Beschlusses vom 13.04.15 (3 V 234/14) hat der 3. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts entschieden, dass sich die Benennung von (möglicherweise) hinter den tatsächlichen Anlieferern unbekannt agierenden Hintermännern für den Betreiber eines Schrotthofs als im Sinne des § 160 AO unzumutbar darstellt.

Vielmehr reicht allein die Benennung der Daten des unmittelbar handelnden Anlieferers (und ggf. beteiligter Bevollmächtigter) aus, wenn dem Steuerpflichtigen dessen bloße Zwischenschaltung als sog.  „Strohmann“ nicht erkennbar war. Insbesondere darf dieser dabei auf vom Anlieferer vorgelegte (echte) amtliche Dokumente, wie Reisegewerbekarte oder eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, durch die der Rechtsschein einer ordnungsgemäßen gewerblichen Tätigkeit begründet wird, vertrauen.

In derart gelagerten Fällen kommt eine Kürzung des Betriebsausgabenabzugs nicht in Betracht, da dies zu einer unzulässigen extensiven Ausweitung des Anwendungsbereichs des § 160 AO führen würde.

Das Gericht judiziert hierzu:

„Aus dem vorgenannten Grund gilt dies erst Recht, wenn ein bestimmter namentlich bekannter Anlieferer möglicherweise verdeckt für andere Personen als Treuhänder, Strohmann oder ähnliches am Geschäftsleben gegenüber einem Unternehmen teilnimmt. Für den Unternehmer, hier die Kläger, ist es in solchen Fällen nur möglich, die Person des unmittelbar Handelnden zu benennen. Dieser Verpflichtung sind sie nachgekommen. Sollten also, wie dies die Steuerfahndung und das FA vermuten, hinter den vom FA als „Schreiber“ bezeichneten Personen andere Personen als Hintermänner tätig geworden sein, konnte das FA derartige Ermittlungen aufnehmen und hat dies auch getan, so dass auch dann ein weitergehendes Benennungsverlangen unverhältnismäßig wäre.

Da wie im Streitfall ein einzelner Schrotthändler naturgemäß weder wissen noch prüfen kann, welche tatsächlichen vertraglichen Absprachen von den Anlieferern mit dritten Personen getroffen worden sein mögen, darf er sich insoweit auf die vorgelegten Papiere verlassen und muss dazu lediglich die Angaben aus amtlichen Ausweisen dokumentieren, um diese Personen später benennen zu können. Vor allem zusätzliche amtliche Dokumente wie eine Reisegewerbekarte und/oder eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung des zuständigen Finanzamtes begründen einen Vertrauenstatbestand in eine eigene legale gewerbliche Tätigkeit des Anlieferers.

Soweit das FA die Ansicht vertritt, dass derartige Bescheinigungen nach der Rechtsprechung ausgestellt werden müssten, solange keine konkreten Anhaltspunkte für eine Versagung vorlägen, und deshalb solchen Dokumenten kein Wert zukomme, folgt der Senat dieser Ansicht nicht. Diese Ansicht überzeichnet die Anforderungen, die an den Ankäufer der Ware im Rahmen des Ankaufs gestellt werden können. Selbst wenn das FA bzw. die zuständige Behörde die vorgenannten Dokumente auch dann ausstellen muss, wenn der Antragsteller evtl. drogen- oder alkoholabhängig ist und/oder keinen LKW für eine solche Tätigkeit besitzt und/oder über keine feste Geschäftseinrichtung verfügt, bedeutet dies nicht, dass die Kläger auf solche Dokumente nicht vertrauen dürften. Ihnen dürfte nicht einmal bekannt gewesen sein, unter welchen Voraussetzungen die Behörde diese Dokumente ausgibt. Das FA erwartet jedoch, dass der Ankäufer der Waren in den gleichen Fällen - trotz der Vorlage einer Reisegewerbekarte und/oder einer steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung - die Annahme solcher Waren, wobei ein solcher Ankauf zu seinem eingerichteten Gewerbebetrieb gehört, aus den gleichen Gründen erstens intensiv prüfen und zweitens ggf. die Warenannahme verweigern muss, wenn nicht alle weiteren an dem Geschäft rechtlich oder tatsächlich beteiligten Personen beim Ankauf vollständig bezeichnet werden, kein LKW auf den Anlieferer zugelassen ist oder dieser über keine feste Geschäftseinrichtung wie einen Schrott- und Lagerplatz verfügt. Anders als einer Behörde ist es einem Gewerbetreibenden regelmäßig nicht einmal möglich, derartige Sachverhalte zu prüfen.

Bezogen auf diejenigen Anlieferer, denen von den Behörden entweder eine Reisegewerbekarte oder eine steuerliche Unbedenklichkeitsbescheinigung ausgestellt worden ist, wäre es unzumutbar, die Kläger zu einer weitergehenden Benennung von vermeintlichen Hintermännern unter Heranziehung von § 160 AO zu verpflichten, da die primär handelnden Personen den Behörden bereits durch Benennung und die korrespondierenden amtlichen Dokumente bekannt sind und auf dieser Grundlage weitere Ermittlungen evtl. auch in Richtung vermuteter Hintermänner möglich waren. Die Kläger müssen sich ohne eigene Ermittlungen auf (echte) amtliche Dokumente, die ihnen vorgelegt werden, verlassen können. Den Rechtsschein der ordnungsgemäßen gewerblichen Tätigkeit, der durch amtliche Dokumente erzeugt wird, müssen sich die Behörden zurechnen lassen. Die Kläger wären - bezogen auf diese Personen - im Rechtssinne nur Opfer einer Täuschung der möglichen „Schreiber“, die für sie durch die vorgelegten amtlichen Dokumente nicht vermeidbar war. Wenn schon die Behörden getäuscht werden konnten, dürfen die Finanzämter keinen strengeren Maßstab an die Unternehmer anlegen, die mit Personen, die solchermaßen mit behördlichen Dokumenten ausgestattet worden sind, handeln.

Entgegen der Ansicht des FA mussten die Kläger im Streitfall auch nicht wegen des tatsächlichen Umfangs der Anlieferungen besondere Prüfungen vornehmen. Ob die bei ihnen erscheinenden Anlieferer bereits in der Vergangenheit oder auch nahezu zeitgleich bei anderen Betrieben Schrott o.ä. angeliefert haben, kann dem einzelnen Betriebsinhaber regelmäßig nicht bekannt sein. Die einzelnen Großhändler stehen im Wettbewerb zueinander und tauschen schon deswegen keine Informationen über ihre Bezugsquellen aus. Der Unternehmer muss zudem nicht von vornherein davon ausgehen, dass unredlich handelnde oder unerfahrene Personen bei ihm erscheinen, auch wenn größere Schrottmengen angeliefert werden.“

Die Revision wurde nicht zugelassen.Nichtzulassungsbeschwerde ist eingelegt.

Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 27.01.16, 3 K 155/14 und 3 K 157/14

 

29.04.2016, Julia Minnerup

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