FG Hamburg: Restschuldbefreiung auch für hinterzogene Steuern

Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich bei hinterzogenen Steuern um Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung handelt, die gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind. Die gleiche Frage stellt sich bei Sozialversicherungsbeiträgen, die für Schwarzlohn nacherhoben werden. Das Finanzgericht Hamburg vertritt die Auffassung, hinterzogene Steuer stamme nicht "aus" unerlaubter Handlung, weil sie nicht auf der Steuerhinterziehung, sondern der vorangegangenen – erlaubten – Verwirklichung des Steuertatbestandes beruht. Der Restschuldbefreiung steht dann nichts im Wege. Aus den GründenDer Feststellungsbescheid ist schon deshalb rechtswidrig, weil es sich bei den in Rede stehenden Verbindlichkeiten ungeachtet einer etwaigen Steuerhinterziehung nicht um solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO handelt. Der als Deliktsforderung angemeldete Anspruch des Beklagten ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung gem. §§ 823ff BGB begründet. Zum einen handelt es sich bei der von dem Beklagten als Grundlage der unerlaubten Handlung angeführten Steuerhinterziehung nicht um eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823ff BGB. Ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil die Steuerhinterziehung allenfalls zu einem Vermögensschaden des Fiskus geführt hat und das Vermögen kein von § 823 Abs. 1 BGB allein erfasstes absolut geschütztes Rechtsgut ist Ebenso wenig handelt es sich bei der Steuerhinterziehung um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. … Es kann dahinstehen, ob der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 InsO auch andere widerrechtliche Rechtsverletzungen außerhalb der §§ 823ff BGB erfasst und ob hierunter grundsätzlich auch eine Steuerhinterziehung zu subsumieren wäre (dagegen BFH, Urteil vom 24.10.1996, a.a.O. S. 311). Denn die hier in Rede stehenden Steuerverbindlichkeiten sind nicht solche aus einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO. Vielmehr sind die Steuerschulden ungeachtet einer etwaigen Steuerhinterziehung allein aufgrund der Verwirklichung eines Steuertatbestands entstanden (so auch BFH a.a.O.). Ebenso wenig handelt es sich bei den besteuerten Umsätzen oder Gewinnen um Vorteile/Früchte, die der Kläger aus der Straftat erlangt hat. … Eine erweiternde Auslegung des Anwendungsbereichs des § 302 InsO dahingehend, dass eine Pflichtwidrigkeit/Straftat - hier: Steuerhinterziehung - im Zusammenhang mit dem Entstehen der angemeldeten Forderung genügt, kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Vielmehr muss die erwähnte unerlaubte Handlung selbst der Rechtsgrund der Forderung sein. Zwar soll gem. § 1 S. 2 InsO die Restschuldbefreiung dem redlichen Schuldner vorbehalten bleiben. Der Gesetzgeber hat sich aber mit § 290 InsO im Interesse der Rechtssicherheit gegen eine Generalklausel und für eine abschließende Beschreibung der Versagungsgründe entschieden (BRDrs. 1/92 S: 190 zu § 239 der Begründung des Regierungsentwurfs; Uhlenbruck a.a.O. § 290 Rn.2). Von einer Generalklausel hat er auch für die Beschreibung der im Einzelfall von der Restschuldbefreiung nicht erfassten Verbindlichkeiten abgesehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 302 InsO (zu § 251 in der Fassung des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BRDrs. 1/92 S. 194) sollte durch diese Regelung verhindert werden, dass sich der Schuldner Schadensersatzpflichten aus unerlaubter Handlung sowie Geldstrafen und vergleichbaren (s. § 302 Nr.2 InsO) Verbindlichkeiten durch das neu geschaffene Verfahren der Restschuldbefreiung entzieht. Die Steuerschuld ist nach Ansicht des Senats einer Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung oder einer Geldstrafe auch nicht deshalb vergleichbar, weil sie zusätzlich Gegenstand einer Steuerhinterziehung war. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 302 Nr. 2 InsO die den Geldstrafen vergleichbaren Verbindlichkeiten ausdrücklich aufgezählt und auch hiermit den abschließenden Charakter auch der Aufzählung in § 302 InsO deutlich gemacht. Auf der Grundlage der Rechtsansicht des Beklagten würde der Fiskus im Rahmen der Insolvenz zudem besser gestellt, als er stünde, wenn keine Steuerhinterziehung vorgelegen hätte. Ein Rechtsgrund hierfür ist nicht ersichtlich. Den Kläger aufgrund der Steuerhinterziehung in Bezug auf die Restschuldbefreiung für die Steuerschuld schlechter zu stellen, als er stünde, wenn er keine Steuerhinterziehung begangen hätte, hieße, im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine im StGB nicht vorgesehene weitergehenden Strafe zuzulassen. Auch hierfür besteht keine Rechtsgrundlage. FG Hamburg, Urteil vom 02.02.07 – 2 K 106/06 EFG 2007, 1311 Revision eingelegt (Az. des BFH: VII R 6/07)

11.09.2007, Dr. Bachmann

Es ist noch nicht abschließend geklärt, ob es sich bei hinterzogenen Steuern um Verbindlichkeiten aus unerlaubter Handlung handelt, die gem. § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgeschlossen sind. Die gleiche Frage stellt sich bei Sozialversicherungsbeiträgen, die für Schwarzlohn nacherhoben werden. Das Finanzgericht Hamburg vertritt die Auffassung, hinterzogene Steuer stamme nicht "aus" unerlaubter Handlung, weil sie nicht auf der Steuerhinterziehung, sondern der vorangegangenen – erlaubten – Verwirklichung des Steuertatbestandes beruht. Der Restschuldbefreiung steht dann nichts im Wege. Aus den GründenDer Feststellungsbescheid ist schon deshalb rechtswidrig, weil es sich bei den in Rede stehenden Verbindlichkeiten ungeachtet einer etwaigen Steuerhinterziehung nicht um solche aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO handelt. Der als Deliktsforderung angemeldete Anspruch des Beklagten ist nicht unter dem Gesichtspunkt einer unerlaubten Handlung gem. §§ 823ff BGB begründet. Zum einen handelt es sich bei der von dem Beklagten als Grundlage der unerlaubten Handlung angeführten Steuerhinterziehung nicht um eine unerlaubte Handlung im Sinne des § 823ff BGB. Ein Schadensersatzanspruch gem. § 823 Abs. 1 BGB besteht nicht, weil die Steuerhinterziehung allenfalls zu einem Vermögensschaden des Fiskus geführt hat und das Vermögen kein von § 823 Abs. 1 BGB allein erfasstes absolut geschütztes Rechtsgut ist Ebenso wenig handelt es sich bei der Steuerhinterziehung um ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB. … Es kann dahinstehen, ob der Begriff der unerlaubten Handlung im Sinne des § 302 InsO auch andere widerrechtliche Rechtsverletzungen außerhalb der §§ 823ff BGB erfasst und ob hierunter grundsätzlich auch eine Steuerhinterziehung zu subsumieren wäre (dagegen BFH, Urteil vom 24.10.1996, a.a.O. S. 311). Denn die hier in Rede stehenden Steuerverbindlichkeiten sind nicht solche aus einer unerlaubten Handlung im Sinne von § 302 Nr. 1 InsO. Vielmehr sind die Steuerschulden ungeachtet einer etwaigen Steuerhinterziehung allein aufgrund der Verwirklichung eines Steuertatbestands entstanden (so auch BFH a.a.O.). Ebenso wenig handelt es sich bei den besteuerten Umsätzen oder Gewinnen um Vorteile/Früchte, die der Kläger aus der Straftat erlangt hat. … Eine erweiternde Auslegung des Anwendungsbereichs des § 302 InsO dahingehend, dass eine Pflichtwidrigkeit/Straftat - hier: Steuerhinterziehung - im Zusammenhang mit dem Entstehen der angemeldeten Forderung genügt, kommt nach Ansicht des Senats nicht in Betracht. Vielmehr muss die erwähnte unerlaubte Handlung selbst der Rechtsgrund der Forderung sein. Zwar soll gem. § 1 S. 2 InsO die Restschuldbefreiung dem redlichen Schuldner vorbehalten bleiben. Der Gesetzgeber hat sich aber mit § 290 InsO im Interesse der Rechtssicherheit gegen eine Generalklausel und für eine abschließende Beschreibung der Versagungsgründe entschieden (BRDrs. 1/92 S: 190 zu § 239 der Begründung des Regierungsentwurfs; Uhlenbruck a.a.O. § 290 Rn.2). Von einer Generalklausel hat er auch für die Beschreibung der im Einzelfall von der Restschuldbefreiung nicht erfassten Verbindlichkeiten abgesehen. Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 302 InsO (zu § 251 in der Fassung des ursprünglichen Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BRDrs. 1/92 S. 194) sollte durch diese Regelung verhindert werden, dass sich der Schuldner Schadensersatzpflichten aus unerlaubter Handlung sowie Geldstrafen und vergleichbaren (s. § 302 Nr.2 InsO) Verbindlichkeiten durch das neu geschaffene Verfahren der Restschuldbefreiung entzieht. Die Steuerschuld ist nach Ansicht des Senats einer Schadensersatzpflicht aus unerlaubter Handlung oder einer Geldstrafe auch nicht deshalb vergleichbar, weil sie zusätzlich Gegenstand einer Steuerhinterziehung war. Im Übrigen hat der Gesetzgeber in § 302 Nr. 2 InsO die den Geldstrafen vergleichbaren Verbindlichkeiten ausdrücklich aufgezählt und auch hiermit den abschließenden Charakter auch der Aufzählung in § 302 InsO deutlich gemacht. Auf der Grundlage der Rechtsansicht des Beklagten würde der Fiskus im Rahmen der Insolvenz zudem besser gestellt, als er stünde, wenn keine Steuerhinterziehung vorgelegen hätte. Ein Rechtsgrund hierfür ist nicht ersichtlich. Den Kläger aufgrund der Steuerhinterziehung in Bezug auf die Restschuldbefreiung für die Steuerschuld schlechter zu stellen, als er stünde, wenn er keine Steuerhinterziehung begangen hätte, hieße, im Rahmen des Insolvenzverfahrens eine im StGB nicht vorgesehene weitergehenden Strafe zuzulassen. Auch hierfür besteht keine Rechtsgrundlage. FG Hamburg, Urteil vom 02.02.07 – 2 K 106/06 EFG 2007, 1311 Revision eingelegt (Az. des BFH: VII R 6/07)

11.09.2007, Dr. Bachmann

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