BGH zur Hinterziehung von Schenkungsteuer auf Vorschenkungen

Der Bundesgerichtshof hat sich zu den Erklärungspflichten und zu Verjährungsfragen geäußert, die sich stellen, wenn in einer Schenkungsteuererklärung frühere Vorschenkungen in strafrechtlich verjährter Zeit verschwiegen werden.

Der Leitsatz lautet:

„1. Die in einer Schenkungsteuererklärung enthaltene unzutreffende Angabe, vom Schenker keine Vorschenkungen erhalten zu haben, stellt sowohl für die Besteuerung der Schenkung, auf die sich die Erklärung bezieht, als auch für diejenige der Vorschenkungen eine unrichtige Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar.

2. Eine hierdurch im Hinblick auf eine Vorschenkung begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) ist gegenüber einer zuvor durch Unterlassen für diese Schenkung begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit entfällt, wenn die Vortat nicht mehr verfolgbar ist.“

Der Steuerpflichtige befindet sich in dem Dilemma, weil er – nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – unter Strafandrohung verpflichtet ist, in der Schenkungsteuererklärung frühere Steuerhinterziehungen zu offenbaren. Der Bundesgerichtshof hält das für zumutbar, weil immerhin die Möglichkeit bestehe, durch vollständige Offenbarung und Nachversteuerung der früheren Schenkung die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige zu erlangen:

„Rz. 21
Allerdings legen die Urteilsfeststellungen nahe, dass sich die Angeklagte im Hinblick auf die Vorschenkungen bereits jeweils wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) strafbar gemacht hat, weil sie diese entgegen § 30 ErbStG nicht angezeigt hat (vgl. zur Tatvollendung und Tatbeendigung der Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, Rn. 41 f., BGHSt 56, 298, 312 f.).

Rz. 22
Eine sich aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz ergebende Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bestand gleichwohl nicht, weil die Angeklagte die Möglichkeit hatte, mit vollständigen und richtigen Angaben zu den Vorschenkungen zugleich die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne von § 371 AO zu erfüllen. Durch eine Selbstanzeige kann der Steuerpflichtige regelmäßig Straf- bzw. Sanktionsfreiheit erlangen (§ 371, § 378 Abs. 3 AO). Die Angeklagte befand sich damit nicht in einer unauflösbaren Konfliktlage, die im Hinblick auf den Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ und das in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO normierte Zwangsmittelverbot ihrer steuerrechtlichen Erklärungspflicht entgegenstehen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, Rn. 26, BGHSt 53, 210, 218). Sofern eine Selbstanzeige wegen eines Sperrgrundes im Sinne von § 371 Abs. 2 AO nicht in Betracht gekommen sein sollte, war der Angeklagten die Angabe der Vorschenkungen ebenfalls nicht unzumutbar. Denn soweit erzwungene Angaben zu einer mittelbaren Selbstbelastung führen können, besteht für sie ein strafrechtliches Verwendungsverbot (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2012 – 1 StR 26/12, BGHR AO § 393 Abs. 2 Verwertungsverbot 3; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 – 5 StR 191/04, wistra 2005, 148).“

Die Entscheidung belegt ein weiteres Mal, dass nach der Dogmatik des Bundesgerichtshofs die Selbstanzeige ein unverzichtbares Instrument ist, weil nur ihre Existenz es gestattet, bestimmte Steuererklärungspflichten aufrecht zu erhalten und deren Verletzung zu pönalisieren.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 1 StR 405/14 -

 

26.06.2015, Dr. Jochen Bachmann

Der Bundesgerichtshof hat sich zu den Erklärungspflichten und zu Verjährungsfragen geäußert, die sich stellen, wenn in einer Schenkungsteuererklärung frühere Vorschenkungen in strafrechtlich verjährter Zeit verschwiegen werden.

Der Leitsatz lautet:

„1. Die in einer Schenkungsteuererklärung enthaltene unzutreffende Angabe, vom Schenker keine Vorschenkungen erhalten zu haben, stellt sowohl für die Besteuerung der Schenkung, auf die sich die Erklärung bezieht, als auch für diejenige der Vorschenkungen eine unrichtige Angabe über steuerlich erhebliche Tatsachen im Sinne von § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO dar.

2. Eine hierdurch im Hinblick auf eine Vorschenkung begangene Steuerhinterziehung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO) ist gegenüber einer zuvor durch Unterlassen für diese Schenkung begangenen Hinterziehung von Schenkungsteuer (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) mitbestrafte Nachtat, deren Straflosigkeit entfällt, wenn die Vortat nicht mehr verfolgbar ist.“

Der Steuerpflichtige befindet sich in dem Dilemma, weil er – nach Ansicht des Bundesgerichtshofs – unter Strafandrohung verpflichtet ist, in der Schenkungsteuererklärung frühere Steuerhinterziehungen zu offenbaren. Der Bundesgerichtshof hält das für zumutbar, weil immerhin die Möglichkeit bestehe, durch vollständige Offenbarung und Nachversteuerung der früheren Schenkung die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige zu erlangen:

„Rz. 21
Allerdings legen die Urteilsfeststellungen nahe, dass sich die Angeklagte im Hinblick auf die Vorschenkungen bereits jeweils wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung durch Unterlassen (§ 370 Abs. 1 Nr. 2 AO) strafbar gemacht hat, weil sie diese entgegen § 30 ErbStG nicht angezeigt hat (vgl. zur Tatvollendung und Tatbeendigung der Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen BGH, Beschluss vom 25. Juli 2011 – 1 StR 631/10, Rn. 41 f., BGHSt 56, 298, 312 f.).

Rz. 22
Eine sich aus dem Nemo-tenetur-Grundsatz ergebende Unzumutbarkeit normgemäßen Verhaltens bestand gleichwohl nicht, weil die Angeklagte die Möglichkeit hatte, mit vollständigen und richtigen Angaben zu den Vorschenkungen zugleich die Voraussetzungen einer strafbefreienden Selbstanzeige im Sinne von § 371 AO zu erfüllen. Durch eine Selbstanzeige kann der Steuerpflichtige regelmäßig Straf- bzw. Sanktionsfreiheit erlangen (§ 371, § 378 Abs. 3 AO). Die Angeklagte befand sich damit nicht in einer unauflösbaren Konfliktlage, die im Hinblick auf den Grundsatz „nemo tenetur se ipsum accusare“ und das in § 393 Abs. 1 Satz 2 und 3 AO normierte Zwangsmittelverbot ihrer steuerrechtlichen Erklärungspflicht entgegenstehen könnte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. März 2009 – 1 StR 479/08, Rn. 26, BGHSt 53, 210, 218). Sofern eine Selbstanzeige wegen eines Sperrgrundes im Sinne von § 371 Abs. 2 AO nicht in Betracht gekommen sein sollte, war der Angeklagten die Angabe der Vorschenkungen ebenfalls nicht unzumutbar. Denn soweit erzwungene Angaben zu einer mittelbaren Selbstbelastung führen können, besteht für sie ein strafrechtliches Verwendungsverbot (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2012 – 1 StR 26/12, BGHR AO § 393 Abs. 2 Verwertungsverbot 3; BGH, Beschluss vom 12. Januar 2005 – 5 StR 191/04, wistra 2005, 148).“

Die Entscheidung belegt ein weiteres Mal, dass nach der Dogmatik des Bundesgerichtshofs die Selbstanzeige ein unverzichtbares Instrument ist, weil nur ihre Existenz es gestattet, bestimmte Steuererklärungspflichten aufrecht zu erhalten und deren Verletzung zu pönalisieren.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 10. Februar 2015 - 1 StR 405/14 -

 

26.06.2015, Dr. Jochen Bachmann

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