BGH: Voraussetzungen der Einbeziehung eines Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrages

 

Haftung eines Anwalts für Vermögensschäden, die der Vertreter des Mandanten erleidet

 

Der BGH hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags einbezogen worden ist.

Der Kläger war von Februar 2010 bis Mai 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Das Land Baden-Württemberg beauftragte die beklagte Anwaltskanzlei Ende November 2010 mit der anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb der Aktien der börsennotierten Energie Baden-Württemberg AG von der Electricité de France S.A. Der Kläger wirft den Beklagten vor, sie hätten ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Der Anwaltsvertrag habe auch seinem Schutz gedient. Durch die Pflichtwidrigkeit der Beklagten habe er einen Schaden erlitten. Dieser bestehe insbesondere in den Kosten, die ihm für seine Verteidigung im gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entstanden seien, sowie in Vermögenseinbußen aufgrund der Beendigung eines von ihm nach der Niederlegung seines Landtagsmandats aufgenommenen Dienstverhältnisses. Der Kläger hat deshalb eine Feststellungsklage erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stehen dem Kläger aus dem Anwaltsvertrag zwischen dem Land und der beklagten Anwaltskanzlei keine Ansprüche gegen die Beklagten zu. Der Anwaltsvertrag enthalte keine ausdrücklichen Vereinbarungen über eine Einbeziehung des Klägers. Eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers ergebe sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, weil es an einem ausreichenden Näheverhältnis des Klägers zu der dem Land geschuldeten Beratungsleistung der Beklagten fehle.

Die hiergegen gerichtete, vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Nach Auffassung des BGH hat ein Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten eines Vertreters des Mandanten, soweit der Gegenstand des Anwaltsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten ist und die Vermögenseinbußen des Vertreters darauf zurückzuführen sind, dass der Vertreter möglicherweise auf der Grundlage der anwaltlichen Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten verletzt hat.

Ein Anwaltsvertrag könne drittschützende Wirkung haben, sofern der Dritte mit der Leistung des Anwalts bestimmungsgemäß in Berührung komme, der Mandant ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags habe, dies dem Anwalt erkennbar und der Dritte schutzbedürftig sei. Diese Voraussetzungen erfülle der vom Land mit der beklagten Anwaltskanzlei abgeschlossene Vertrag nicht. Die bisherigen Entscheidungen, in denen bei Anwaltsverträgen eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten anerkannt worden sei, beruhten in einer Fallgruppe darauf, dass die anwaltliche Beratung dem Dritten als Grundlage für Dispositionen über sein eigenes Vermögen dienten oder auf ihrer Grundlage dem Dritten ein Vermögensvorteil zugewendet werden solle. In anderen Fällen ging es darum, dass die Leistung des Anwalts auch dazu bestimmt war, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich trafen, einhalten und so eine persönliche Haftung gegenüber Außenstehenden vermeiden konnte. 

Damit sei der Beratungsvertrag des Landes mit der beklagten Anwaltskanzlei nicht vergleichbar. Gegenstand des Anwaltsvertrags war die Beratung des Landes zu einer vom Land zu treffenden Entscheidung. Die Beratung eines Anwalts für Entscheidungen des Mandanten begründe regelmäßig kein Näheverhältnis für den Vertreter des Mandanten. Außerdem habe der Mandant in solchen Fällen im Allgemeinen kein Interesse an einer Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags, soweit der Vertreter seinerseits die ihn selbst gegenüber dem Mandanten treffenden Pflichten einzuhalten habe.

Zur Begründung hat der BGH unter anderem darauf abgestellt, dass in diesen Fällen eine Gefahr von Vermögensschäden für den Vertreter typischerweise nur besteht, wenn diesem eigene Pflichtverletzungen aus dem Rechtsverhältnis zum Mandanten ob zu Recht oder Unrecht vorgeworfen werden. Insoweit erhalte der Vertreter des Mandanten aber schon dadurch ausreichenden Schutz, dass bereits der dem Mandanten erteilte Rechtsrat zu einer Verbesserung der Position des Vertreters führe. Befolge der Vertreter den dem Mandanten erteilten Rat, mindere dies das Haftungsrisiko des Vertreters bis hin zu einem möglichen Ausschluss eines Verschuldens des Vertreters. Regelmäßig bestünden keine Schutzpflichten des Mandanten zugunsten seines Vertreters für dessen rechtsgeschäftliches Handeln; vielmehr habe in Vertretungsfällen typischerweise der Vertreter die Aufgabe, die Vermögensinteressen des von ihm vertretenen Mandanten zu schützen. Deshalb konnte das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers verneinen.

Vorinstanzen
LG Stuttgart, Urt. v. 24.02.2015 - 9 O 108/14
OLG Stuttgart, Urt. v. 17.11.2015 - 12 U 41/15

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 130/2016 v. 21.07.2016

 

25.07.16, Christoph Thomas

 

Haftung eines Anwalts für Vermögensschäden, die der Vertreter des Mandanten erleidet

 

Der BGH hatte zu entscheiden, unter welchen Voraussetzungen ein Dritter in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags einbezogen worden ist.

Der Kläger war von Februar 2010 bis Mai 2011 Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg. Das Land Baden-Württemberg beauftragte die beklagte Anwaltskanzlei Ende November 2010 mit der anwaltlichen Beratung im Zusammenhang mit dem geplanten Erwerb der Aktien der börsennotierten Energie Baden-Württemberg AG von der Electricité de France S.A. Der Kläger wirft den Beklagten vor, sie hätten ihre Pflichten aus dem Anwaltsvertrag verletzt. Der Anwaltsvertrag habe auch seinem Schutz gedient. Durch die Pflichtwidrigkeit der Beklagten habe er einen Schaden erlitten. Dieser bestehe insbesondere in den Kosten, die ihm für seine Verteidigung im gegen ihn geführten strafrechtlichen Ermittlungsverfahren entstanden seien, sowie in Vermögenseinbußen aufgrund der Beendigung eines von ihm nach der Niederlegung seines Landtagsmandats aufgenommenen Dienstverhältnisses. Der Kläger hat deshalb eine Feststellungsklage erhoben.
Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Nach Auffassung des Oberlandesgerichts stehen dem Kläger aus dem Anwaltsvertrag zwischen dem Land und der beklagten Anwaltskanzlei keine Ansprüche gegen die Beklagten zu. Der Anwaltsvertrag enthalte keine ausdrücklichen Vereinbarungen über eine Einbeziehung des Klägers. Eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers ergebe sich auch nicht aus einer ergänzenden Vertragsauslegung, weil es an einem ausreichenden Näheverhältnis des Klägers zu der dem Land geschuldeten Beratungsleistung der Beklagten fehle.

Die hiergegen gerichtete, vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Nach Auffassung des BGH hat ein Anwaltsvertrag im Allgemeinen keine Schutzwirkungen zugunsten eines Vertreters des Mandanten, soweit der Gegenstand des Anwaltsvertrags die Beratung für Entscheidungen des Mandanten ist und die Vermögenseinbußen des Vertreters darauf zurückzuführen sind, dass der Vertreter möglicherweise auf der Grundlage der anwaltlichen Beratung seinerseits seine gegenüber dem Mandanten bestehenden Pflichten verletzt hat.

Ein Anwaltsvertrag könne drittschützende Wirkung haben, sofern der Dritte mit der Leistung des Anwalts bestimmungsgemäß in Berührung komme, der Mandant ein Interesse an der Einbeziehung des Dritten in den Schutzbereich des Anwaltsvertrags habe, dies dem Anwalt erkennbar und der Dritte schutzbedürftig sei. Diese Voraussetzungen erfülle der vom Land mit der beklagten Anwaltskanzlei abgeschlossene Vertrag nicht. Die bisherigen Entscheidungen, in denen bei Anwaltsverträgen eine Schutzwirkung zugunsten eines Dritten anerkannt worden sei, beruhten in einer Fallgruppe darauf, dass die anwaltliche Beratung dem Dritten als Grundlage für Dispositionen über sein eigenes Vermögen dienten oder auf ihrer Grundlage dem Dritten ein Vermögensvorteil zugewendet werden solle. In anderen Fällen ging es darum, dass die Leistung des Anwalts auch dazu bestimmt war, dass der Dritte konkret feststehende Handlungsgebote, die ihn persönlich trafen, einhalten und so eine persönliche Haftung gegenüber Außenstehenden vermeiden konnte. 

Damit sei der Beratungsvertrag des Landes mit der beklagten Anwaltskanzlei nicht vergleichbar. Gegenstand des Anwaltsvertrags war die Beratung des Landes zu einer vom Land zu treffenden Entscheidung. Die Beratung eines Anwalts für Entscheidungen des Mandanten begründe regelmäßig kein Näheverhältnis für den Vertreter des Mandanten. Außerdem habe der Mandant in solchen Fällen im Allgemeinen kein Interesse an einer Einbeziehung seines Vertreters in den Schutzbereich eines Anwaltsvertrags, soweit der Vertreter seinerseits die ihn selbst gegenüber dem Mandanten treffenden Pflichten einzuhalten habe.

Zur Begründung hat der BGH unter anderem darauf abgestellt, dass in diesen Fällen eine Gefahr von Vermögensschäden für den Vertreter typischerweise nur besteht, wenn diesem eigene Pflichtverletzungen aus dem Rechtsverhältnis zum Mandanten ob zu Recht oder Unrecht vorgeworfen werden. Insoweit erhalte der Vertreter des Mandanten aber schon dadurch ausreichenden Schutz, dass bereits der dem Mandanten erteilte Rechtsrat zu einer Verbesserung der Position des Vertreters führe. Befolge der Vertreter den dem Mandanten erteilten Rat, mindere dies das Haftungsrisiko des Vertreters bis hin zu einem möglichen Ausschluss eines Verschuldens des Vertreters. Regelmäßig bestünden keine Schutzpflichten des Mandanten zugunsten seines Vertreters für dessen rechtsgeschäftliches Handeln; vielmehr habe in Vertretungsfällen typischerweise der Vertreter die Aufgabe, die Vermögensinteressen des von ihm vertretenen Mandanten zu schützen. Deshalb konnte das Berufungsgericht in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise eine Schutzwirkung des Anwaltsvertrags zugunsten des Klägers verneinen.

Vorinstanzen
LG Stuttgart, Urt. v. 24.02.2015 - 9 O 108/14
OLG Stuttgart, Urt. v. 17.11.2015 - 12 U 41/15

Quelle: Pressemitteilung des BGH Nr. 130/2016 v. 21.07.2016

 

25.07.16, Christoph Thomas

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