BGH: Steuerstrafrecht ist Blankettstrafrecht

Steuerstrafrecht ist Blankettstrafrecht. Der Unterschied zu anderen Straftatbeständen liegt darin, dass erst das Blankettstrafgesetz und die blankettausfüllenden Normen zusammen die maßgebliche Strafvorschrift bilden. Deshalb muss sich der im Steuerstrafverfahren tätige Richter selbst mit den blankettausfüllenden Normen des materiellen Steuerrechts befassen und diese auf den Einzelfall anwenden. Werden Blankettstraftatbestände – wie in den Fällen des § 370 Abs. 6 AO und des § 374 Abs. 2 AO – nicht nur durch deutsche Steuergesetze und die Vorschriften des Zollkodexes, sondern auch durch Verbrauchsteuergesetze anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ausgefüllt, gilt nichts anderes. … Jedenfalls ist es für die Feststellung der Bemessungsgrundlagen nicht ausreichend, dass sich das Landgericht bei der Berechnung der Zoll-schuld mit der pauschalen Angabe begnügt hat, der für die Bestimmung des Zollwerts maßgebende „Faktor aus dem spanischen Steuerrecht“ betrage „laut Tabelle“ 0,3038798 pro Schachtel Zigaretten. Denn der Zollwert von Zigaretten ist nach Maßgabe der Art. 29 ff. Zollkodex – regelmäßig auf der Grundlage des von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Transaktionswerts – vom Tatrichter selbst zu ermitteln. Selbst wenn dieser Wert einem Erlass spanischer Finanzbehörden entnommen worden sein sollte, darf er nicht ungeprüft in das Steuerstrafverfahren übernommen werden. Insoweit gilt bei der Zollwertbestimmung nichts anderes als für die entsprechenden Erlasse des Bundesministers der Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt werden können, sind sie unter Beachtung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) vom Tatrichter selbst zu schätzen. Daher muss das Tatgericht in den Urteilsgründen zum Ausdruck bringen, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage es eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen hat. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt nur in Betracht, wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch bei Zugrundelegung der strafrechtlichen Verfah-rensgrundsätze überzeugt ist Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.07 – 5 StR 549/06 www.bundesgerichtshof.de

21.06.2007, Dr. Bachmann

Steuerstrafrecht ist Blankettstrafrecht. Der Unterschied zu anderen Straftatbeständen liegt darin, dass erst das Blankettstrafgesetz und die blankettausfüllenden Normen zusammen die maßgebliche Strafvorschrift bilden. Deshalb muss sich der im Steuerstrafverfahren tätige Richter selbst mit den blankettausfüllenden Normen des materiellen Steuerrechts befassen und diese auf den Einzelfall anwenden. Werden Blankettstraftatbestände – wie in den Fällen des § 370 Abs. 6 AO und des § 374 Abs. 2 AO – nicht nur durch deutsche Steuergesetze und die Vorschriften des Zollkodexes, sondern auch durch Verbrauchsteuergesetze anderer Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften ausgefüllt, gilt nichts anderes. … Jedenfalls ist es für die Feststellung der Bemessungsgrundlagen nicht ausreichend, dass sich das Landgericht bei der Berechnung der Zoll-schuld mit der pauschalen Angabe begnügt hat, der für die Bestimmung des Zollwerts maßgebende „Faktor aus dem spanischen Steuerrecht“ betrage „laut Tabelle“ 0,3038798 pro Schachtel Zigaretten. Denn der Zollwert von Zigaretten ist nach Maßgabe der Art. 29 ff. Zollkodex – regelmäßig auf der Grundlage des von den Umständen des Einzelfalls abhängigen Transaktionswerts – vom Tatrichter selbst zu ermitteln. Selbst wenn dieser Wert einem Erlass spanischer Finanzbehörden entnommen worden sein sollte, darf er nicht ungeprüft in das Steuerstrafverfahren übernommen werden. Insoweit gilt bei der Zollwertbestimmung nichts anderes als für die entsprechenden Erlasse des Bundesministers der Finanzen in der Bundesrepublik Deutschland. Wenn die Besteuerungsgrundlagen nicht ermittelt werden können, sind sie unter Beachtung der vom Besteuerungsverfahren abweichenden strafrechtlichen Verfahrensgrundsätze (§ 261 StPO) vom Tatrichter selbst zu schätzen. Daher muss das Tatgericht in den Urteilsgründen zum Ausdruck bringen, ob und gegebenenfalls auf welcher Grundlage es eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen vorgenommen hat. Die Übernahme einer Schätzung der Finanzbehörden kommt nur in Betracht, wenn der Tatrichter diese eigenverantwortlich nachgeprüft hat und von ihrer Richtigkeit auch bei Zugrundelegung der strafrechtlichen Verfah-rensgrundsätze überzeugt ist Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.04.07 – 5 StR 549/06 www.bundesgerichtshof.de

21.06.2007, Dr. Bachmann

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