BGH: Steuerhinterziehung bei Personengesellschaften

BGH, Urteil vom 24.01.24, 1 StR 218/23

Aus den Gründen:

Rn. 11

Die Einkommensteuererklärung ihrerseits und die vorangehenden Feststellungserklärungen sind indes jeweils eine einzige materiell-rechtliche Tat (zuletzt BGH, Beschluss vom 13. Juni 2023 – 1 StR 53/23 Rn. 11 mwN). Als materiell-rechtliche Tat sind die Erklärungen auch prozessual eine Tat (§ 264 Abs. 1 StPO; vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2023 – 6 StR 545/22 Rn. 5 mwN).

Rn. 12

Das „große Ausmaß“ (§ 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO) bestimmt sich damit jedenfalls dann, wenn der Geschäftsführer der Komplementär-GmbH zugleich der Kommanditist der Personengesellschaft (wie im Sachverhalt, der dem Senatsbeschluss vom 13. Juni 2023 – 1 StR 53/23 Rn. 2 zugrunde lag) oder der Kommanditist – wie hier – zumindest faktisch für die Feststellungserklärungen der Personengesellschaft verantwortlich und damit allein der durch den Kommanditisten bewirkte Umfang seiner Einkommensteuerverkürzungen aufzuklären ist, nach der Höhe des Einkommensteuerverkürzungsbetrags (offengelassen auf Revisionen der Angeklagten in BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – 1 StR 537/12, BGHSt 58, 50 Rn. 22).

Rn. 13

Anders verhält es sich, wenn wie etwa bei Publikumskommanditgesellschaften die Vertreter der Komplementär-GmbH, die die Feststellungserklärungen abgeben, und die Kommanditisten, die ihre Einkommensteuererklärungen abgeben, nicht personenidentisch sind (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Dezember 2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 Rn. 21-23). In solchen Fällen gebieten weder das Verfassungsgebot schuldangemessenen Strafens noch Art. 103 Abs. 2 GG die exakte Bezifferung der sich aus Steuervorteilen in unrichtigen Feststellungsbescheiden ergebenden Auswirkungen auf die Besteuerung der begünstigten Steuerpflichtigen als Grundlage der Strafzumessung (BGH, Beschluss vom 22. November 2012 – 1 StR 537/12, BGHSt 58, 50 Rn. 19-21).

Rn. 19

Die Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen sowie die nachfolgende Einkommensteuererklärung sind eine einzige materiell-rechtliche Tat, und zwar im Wege einer Bewertungseinheit. Dies folgt aus der Bindungswirkung des vom zuständigen Finanzamt erlassenen Feststellungsbescheids für das Wohnsitzfinanzamt bei der Festsetzung der Einkommensteuer hinsichtlich der Einkünfte aus den Gesellschaften (§ 171 Abs. 10, § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a, § 182 Abs. 1 Satz 1 AO). In diesem Sinne ist mit Erlass des Feststellungsbescheids als einem nicht gerechtfertigten Steuervorteil für den Kommanditisten der Kommanditgesellschaft bzw. Mitgesellschafter der Gesellschaft bürgerlichen Rechts die Steuerstraftat vollendet; die nachfolgende Einkommensteuererklärung und der unrichtige Einkommensteuerbescheid führen mit der Steuerverkürzung zur Tatbeendigung (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juni 2023 – 1 StR 53/23 Rn. 11; vom 10. Dezember 2008 – 1 StR 322/08, BGHSt 53, 99 Rn. 21-23 und vom 11. Juli 2019 – 1 StR 154/19 Rn. 2 f.; zudem bereits BGH, Beschluss vom 21. September 1994 – 5 StR 114/94 Rn. 3, BGHR AO § 370 Abs. 1 Konkurrenzen 11 sowie Beschluss vom 7. Februar 1984 – 3 StR 413/83 zur Beendigung der Steuerstraftat erst mit Bekanntgabe des letzten Einkommensteuerbescheids).

Quelle: www.bundesgerichtshof.de

Zurück