BGH: Keine Strafbarkeit wegen Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen bei Vorlage einer durch
Das Bundesverfassungsgericht musste erneut daran erinnern, dass nicht aus jedem Anlass und nicht um jeden Preis eine Hausdurchsuchung vorgenommen werden darf. Insbesondere ist zuvor zu prüfen, ob die gesuchten Beweismittel nicht auf andere, weniger einschneidende Weise beschafft werden können. Aus den Gründen Damit die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine vorbeugende richterliche Kontrolle gewahrt werden kann, hat der Ermittlungsrichter die Durchsuchungsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 103, 142 <151 f.>). Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>). Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich auf Grund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>). Die vollständige Aktenvorlage und -einsichtnahme auch in Beiakten ist nicht in jedem Fall erforderlich, um den Richter in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich das Vorliegen eines Anfangsverdachts zu überprüfen. Es ist notwendig, aber grundsätzlich auch ausreichend, dass die Staatsanwaltschaft alle wesentlichen Tatsachen vorträgt, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich sind. In den Fällen, in denen die Ermittlungsbehörden ohne weiteres auf vorhandene Akten bei anderen Behörden zurückgreifen können und der Ermittlungserfolg offensichtlich durch eine vorherige Prüfung dieser Akten nicht gefährdet wird, ist jedoch zu prüfen, ob der schwerwiegende Grundrechtseingriff einer Wohnungsdurchsuchung erforderlich und damit verhältnismäßig ist. Die Fachgerichte haben hier die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die ihnen auferlegte Verhältnismäßigkeitsprüfung verkannt. Als geeignetes milderes und somit erforderliches Mittel zur Erforschung des Sachverhalts hätten die Veranlagungsakten der Beteiligten im Original dienen können, die offenbar auch der Staatsanwaltschaft nicht vorgelegen hatten. Eine Prüfung dieser Akten hätte ergeben können, dass sich der Sachverhalt möglicherweise anders dargestellt und eine Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers entbehrlich gemacht hätte. Wegen der steuerlichen Anerkennung des Darlehens der Mutter war bereits ein finanzgerichtliches Verfahren durchgeführt worden. Die Kenntnis von dessen Verlauf und Ausgang hätte ebenfalls auf weniger einschneidende Weise für Zwecke der Strafverfolgung nutzbar gemacht werden können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung durch den Ansatz unberechtigter Werbungskosten handelte. In diesen Fällen ist grundsätzlich der Steuerpflichtige gehalten, den Steuerbehörden gegenüber die einkommensmindernden Tatsachen nachzuweisen. Bei bestehenden Zweifeln besteht eine Aufklärungspflicht der Finanzbehörden. Auch weitere für den Beschwerdeführer weniger belastende Ermittlungsmaßnahmen hätten eine Durchsuchung der Wohnung möglicherweise entbehrlich gemacht. So hätten Bankauskünfte über die Geldanlage und die Kontobewegungen des Beschwerdeführers sowie seiner Verwandten im maßgeblichen Zeitraum eingeholt werden können. Insbesondere einer Überprüfung der Konten der Mutter und des Sohnes im entsprechenden Zeitraum hätte man entnehmen können, ob sie über das entsprechende Vermögen zur Darlehensgewährung verfügten oder nicht. Es ist nicht erkennbar, inwiefern diese vorrangig zu ergreifenden Maßnahmen den Ermittlungszweck zu vereiteln in der Lage gewesen sein könnten. Weder durch die Durchsicht der Veranlagungsakten noch durch die Bankauskünfte wäre es zu einem Verlust von Beweismitteln gekommen, zumal es sich um mindestens acht Jahre zurückliegende Vorgänge handelte. Auf dieser Grundlage konnte das staatliche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, welchem nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 100, 313 <388>), den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 59, 95 <97>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>) nicht rechtfertigen. Es hätten zunächst den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung erschöpft werden müssen. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.12.2005, 2 BvR 372/05 Strafverteidiger 2006, 565
24.10.2006, Kastaun
Das Bundesverfassungsgericht musste erneut daran erinnern, dass nicht aus jedem Anlass und nicht um jeden Preis eine Hausdurchsuchung vorgenommen werden darf. Insbesondere ist zuvor zu prüfen, ob die gesuchten Beweismittel nicht auf andere, weniger einschneidende Weise beschafft werden können. Aus den Gründen Damit die Unverletzlichkeit der Wohnung durch eine vorbeugende richterliche Kontrolle gewahrt werden kann, hat der Ermittlungsrichter die Durchsuchungsvoraussetzungen eigenverantwortlich zu prüfen. Erforderlich ist eine konkret formulierte, formelhafte Wendungen vermeidende Anordnung, die zugleich den Rahmen der Durchsuchung abstecken und eine Kontrolle durch ein Rechtsmittelgericht ermöglichen kann (vgl. BVerfGE 42, 212 <220 f.>; 103, 142 <151 f.>). Das Gewicht des Eingriffs verlangt als Durchsuchungsvoraussetzung Verdachtsgründe, die über vage Anhaltspunkte und bloße Vermutungen hinausreichen. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht finden lassen (vgl. BVerfGE 44, 353 <371 f.>; 59, 95 <97>). Die Durchsuchung bedarf vor allem einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Sie muss im Blick auf den bei der Anordnung verfolgten gesetzlichen Zweck Erfolg versprechend sein. Ferner muss gerade diese Zwangsmaßnahme zur Ermittlung und Verfolgung der Straftat erforderlich sein. Schließlich muss der jeweilige Eingriff in angemessenem Verhältnis zu der Schwere der Straftat und der Stärke des Tatverdachts stehen; dies ist nicht der Fall, wenn andere, weniger einschneidende Mittel zur Verfügung stehen (vgl. BVerfGE 42, 212 <220>). Der Richter darf die Durchsuchung nur anordnen, wenn er sich auf Grund eigenverantwortlicher Prüfung der Ermittlungen überzeugt hat, dass die Maßnahme verhältnismäßig ist (vgl. BVerfGE 96, 44 <51>). Die vollständige Aktenvorlage und -einsichtnahme auch in Beiakten ist nicht in jedem Fall erforderlich, um den Richter in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich das Vorliegen eines Anfangsverdachts zu überprüfen. Es ist notwendig, aber grundsätzlich auch ausreichend, dass die Staatsanwaltschaft alle wesentlichen Tatsachen vorträgt, die zur Begründung eines Anfangsverdachts erforderlich sind. In den Fällen, in denen die Ermittlungsbehörden ohne weiteres auf vorhandene Akten bei anderen Behörden zurückgreifen können und der Ermittlungserfolg offensichtlich durch eine vorherige Prüfung dieser Akten nicht gefährdet wird, ist jedoch zu prüfen, ob der schwerwiegende Grundrechtseingriff einer Wohnungsdurchsuchung erforderlich und damit verhältnismäßig ist. Die Fachgerichte haben hier die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die ihnen auferlegte Verhältnismäßigkeitsprüfung verkannt. Als geeignetes milderes und somit erforderliches Mittel zur Erforschung des Sachverhalts hätten die Veranlagungsakten der Beteiligten im Original dienen können, die offenbar auch der Staatsanwaltschaft nicht vorgelegen hatten. Eine Prüfung dieser Akten hätte ergeben können, dass sich der Sachverhalt möglicherweise anders dargestellt und eine Durchsuchung der Wohnung des Beschwerdeführers entbehrlich gemacht hätte. Wegen der steuerlichen Anerkennung des Darlehens der Mutter war bereits ein finanzgerichtliches Verfahren durchgeführt worden. Die Kenntnis von dessen Verlauf und Ausgang hätte ebenfalls auf weniger einschneidende Weise für Zwecke der Strafverfolgung nutzbar gemacht werden können. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass es sich um ein Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung durch den Ansatz unberechtigter Werbungskosten handelte. In diesen Fällen ist grundsätzlich der Steuerpflichtige gehalten, den Steuerbehörden gegenüber die einkommensmindernden Tatsachen nachzuweisen. Bei bestehenden Zweifeln besteht eine Aufklärungspflicht der Finanzbehörden. Auch weitere für den Beschwerdeführer weniger belastende Ermittlungsmaßnahmen hätten eine Durchsuchung der Wohnung möglicherweise entbehrlich gemacht. So hätten Bankauskünfte über die Geldanlage und die Kontobewegungen des Beschwerdeführers sowie seiner Verwandten im maßgeblichen Zeitraum eingeholt werden können. Insbesondere einer Überprüfung der Konten der Mutter und des Sohnes im entsprechenden Zeitraum hätte man entnehmen können, ob sie über das entsprechende Vermögen zur Darlehensgewährung verfügten oder nicht. Es ist nicht erkennbar, inwiefern diese vorrangig zu ergreifenden Maßnahmen den Ermittlungszweck zu vereiteln in der Lage gewesen sein könnten. Weder durch die Durchsicht der Veranlagungsakten noch durch die Bankauskünfte wäre es zu einem Verlust von Beweismitteln gekommen, zumal es sich um mindestens acht Jahre zurückliegende Vorgänge handelte. Auf dieser Grundlage konnte das staatliche Interesse an der Aufklärung und Verfolgung von Straftaten, welchem nach dem Grundgesetz eine hohe Bedeutung zukommt (vgl. BVerfGE 100, 313 <388>), den schwerwiegenden Eingriff in die grundrechtlich geschützte Lebenssphäre des Beschwerdeführers (vgl. BVerfGE 42, 212 <219 f.>; 59, 95 <97>; 96, 27 <40>; 103, 142 <150 f.>) nicht rechtfertigen. Es hätten zunächst den Beschwerdeführer weniger belastende Maßnahmen zur Sachverhaltsaufklärung erschöpft werden müssen. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 15.12.2005, 2 BvR 372/05 Strafverteidiger 2006, 565
24.10.2006, Kastaun