BFH: Wesentlichkeitsgrenze § 17 EStG gilt rückwirkend

Viele Steuerpflichtige haben 1998 vor Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf 10 v.H. ihren GmbH-Anteil verkleinert, um ihn anschließend steuerfrei zu verkaufen. Die Finanzverwaltung vertritt aber – anders als bisher die Finanzgerichte – die Auffassung, die Absenkung der Grenze betreffe auch die vergangenen fünf Jahre. Der Bundesfinanzhof hat sich dieser Auffassung nun abgeschlossen. Er meint auch, die rückwirkende Geltung der Grenze sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es darf wohl damit gerechnet werden, dass auch das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage noch das Wort erhält.Der Leitsatz lautet: Das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung "innerhalb der letzten fünf Jahre" i.S. des § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen, sondern richtet sich nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze. Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Aus den Gründen Obwohl die Klägerin somit im Jahr 1999 nicht mehr zu mindestens 10 v.H. an der O-GmbH beteiligt war, hat sie durch die Veräußerung der ihr noch verbliebenen Beteiligung von 9,92 v.H. den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erfüllt. Denn sie war zwar nicht mehr im Jahr 1999, wohl aber innerhalb der letzten fünf Jahre vor dieser Veräußerung an der GmbH wesentlich beteiligt. Ob § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung die Veräußerung einer Beteiligung von weniger als 10 v.H. erfasst, wenn der Steuerpflichtige zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre nicht zu mehr als 25 v.H., aber mit mindestens 10 v.H. beteiligt war, ist umstritten. Das FG vertritt ebenso wie andere FG und wie das überwiegende Schrifttum die Auffassung, der Begriff der wesentlichen Beteiligung, die innerhalb der letzten fünf Jahre bestanden haben muss, sei für jeden vergangenen Veranlagungszeitraum nach der damals gegebenen Rechtslage zu bestimmen (sog. veranlagungsbezogener Beteiligungsbegriff). Dies folge insbesondere aus der Rückbezogenheit. Auch lasse sich eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift nur durch eine solche verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Dagegen vertreten die Finanzverwaltung und ein Teil der Literatur die Auffassung, eine Anteilsveräußerung sei auch dann steuerpflichtig, wenn der Steuerpflichtige im zeitlichen Anwendungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 eine Beteiligung von weniger als 10 v.H. veräußert hat, er aber zu irgendeinem Zeitpunkt in den fünf Vorjahren zu mindestens 10 v.H. beteiligt war. Ob eine wesentliche Beteiligung gegeben sei, bestimme sich nach der im Veräußerungszeitpunkt geltenden Gesetzesfassung. Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und Satz 4 des § 17 Abs. 1 EStG ergibt sich, dass alle Beteiligungsverkäufe, die im zeitlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfolgen, nach der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Wesentlichkeitsgrenze von mindestens 10 v.H. zu beurteilen sind. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 EStG sind aufeinander abgestimmt. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG legt den von dieser Norm erfassten Besteuerungstatbestand fest. Die nachfolgenden Sätze 2 bis 4 erläutern die einzelnen Besteuerungsmerkmale des Satzes 1. Aus diesem systematischen Zusammenhang folgt, dass der in Satz 1 genannte Begriff der wesentlichen Beteiligung nicht isoliert ausgelegt, sondern nur so verstanden werden kann, wie er in Satz 4 definiert ist. Diese Gesetzessystematik entspricht von ihrem Ansatz her auch derjenigen des § 17 Abs. 1 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung des EStG. Von dieser Systematik ging zudem bereits das Reichssteuergesetz (RStG) 1925 aus, durch das der Besteuerungstatbestand der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung eingeführt worden ist (damals § 30 Abs. 3 EStG), indem Satz 1 der Vorschrift den Besteuerungstatbestand festlegte, Satz 2 hingegen den Begriff der wesentlichen Beteiligung definierte (vgl. hierzu Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. II, § 30 Anm. 3). Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die neue Beteiligungsgrenze von 10 v.H. für alle Veräußerungen ab dem Veranlagungszeitraum 1999 gelten soll (vgl. BTDrucks 14/265, S. 179). Dem steht nicht entgegen, dass dort auch ausgeführt wird, dass eine wesentliche Beteiligung künftig bereits bei einer Beteiligung von mindestens 10 v.H. gegeben sei. Aus dieser auf die Zukunft hinweisenden Formulierung kann nicht geschlossen werden, dass die abgesenkte Wesentlichkeitsschwelle nicht gelten soll, soweit das Gesetz in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Rahmen eines Fünfjahreszeitraums an das Halten einer Beteiligung in der Vergangenheit und damit ggf. in der Zeit vor dem Veranlagungszeitraum 1999 anknüpft (so aber Balmes/Kotyrba, FR 1999, 1044). Die zitierte Formulierung ist als bloßer Hinweis auf die geltende Wesentlichkeitsschwelle zu verstehen, sofern der Gesetzesentwurf tatsächlich verwirklicht wird. c) Diesem Verständnis steht auch nicht die abweichende Formulierung von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) entgegen. Diese Formulierung weicht insoweit von der Fassung dieser Vorschrift im StEntlG 1999/2000/2002 ab, als nunmehr unmittelbar in Satz 1 die für die Besteuerung maßgebliche Beteiligungsquote geregelt ist. Aus dieser Neufassung, wonach die Besteuerung der Veräußerung einer Beteiligung (im Geltungsbereich des StSenkG) davon abhängt, ob der Veräußerer in den letzten fünf Jahren im maßgeblichen Umfang (von nunmehr mindestens 1 v.H.) beteiligt war, lässt sich aber nicht schließen, der Gesetzgeber sei erst mit der Einführung des StSenkG von der Vorstellung abgerückt, die Frage der Wesentlichkeit sei im Rahmen der Fünfjahresfrist nicht nach den Verhältnissen des Jahres der Veräußerung, sondern nach der in jedem abgeschlossenen Veranlagungszeitraum gültig gewesenen Wesentlichkeitsschwelle zu beurteilen (so aber Bornheim, DB 2001, 162). Diese Änderung beruht nämlich darauf, dass der Gesetzgeber infolge des Systemwechsels vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren auch der Besteuerung von Beteiligungsverkäufen i.S. von § 17 EStG eine neue Funktion beigemessen hat. Im Vordergrund steht nicht mehr der Gesichtspunkt, dass die Besteuerung von privaten Beteiligungsverkäufen das Erreichen oder Überschreiten einer solchen Beteiligungsquote voraussetzt, die es rechtfertigt, in Abkehr von dem Grundprinzip der Nichtsteuerbarkeit Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen der Besteuerung zu unterwerfen. Stattdessen dient § 17 EStG nunmehr dazu, sicherzustellen, dass der Anteilseigner nicht die Halbeinkünftebesteuerung durch den Verkauf der Beteiligung verhindern kann (Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 3). Aus diesem Grund verzichtet § 17 EStG i.d.F. des StSenkG auf den Begriff der wesentlichen Beteiligung und regelt unmittelbar in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG den maßgeblichen Schwellenwert von nunmehr 1 v.H. Die Regelung des Schwellenwerts unmittelbar in Satz 1 ist deshalb eine bloße redaktionelle Folgeänderung (vgl. BTDrucks 14/3366, S. 118). … Eine solche Planwidrigkeit liegt nicht vor. Die dem Gesetzeswortlaut folgende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch in dem Fall, in dem ein Steuerpflichtiger im zeitlichen Geltungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 eine Beteiligung von weniger als 10 v.H. veräußert hat, er aber irgendwann in den fünf Vorjahren zu mindestens 10 v.H., jedoch zu nicht mehr als 25 v.H. beteiligt war, führt entgegen der überwiegenden Auffassung im Schrifttum nicht zu einem dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechenden Ergebnis. Zwar trifft es zu, dass ein Steuerpflichtiger, der im Geltungsbereich von § 17 Abs. 1 EStG in seiner bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung eine Beteiligung von nicht mehr als 25 v.H. gehalten hat, durch Teilverkäufe bis zu diesem Zeitpunkt nicht den damals geltenden Tatbestand des § 17 EStG umgeht, weil nicht nur seine infolge des Teilverkaufs reduzierte Beteiligung, sondern bereits die ursprüngliche Beteiligung nicht wesentlich und damit insgesamt steuerlich nicht verstrickt war. Zutreffend ist auch, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG mit der Rückanknüpfung an die letzten fünf Jahre die Umgehung des Tatbestands des § 17 EStG durch Teilverkäufe verhindern will. Von dieser Vorstellung ging bereits § 30 Abs. 3 Satz 2 RStG 1925 aus, der ebenfalls eine solche Rückanknüpfung vorsah (vgl. Strutz, a.a.O., § 30 Anm. 38). Wie der Senat bereits zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung wiederholt entschieden hat, hat der Gesetzgeber das mit der fünfjährigen Rückanknüpfung verfolgte Ziel aber ausschließlich durch die Fünfjahresfrist und nicht zusätzlich dadurch umgesetzt, dass die veräußerten Teile zu irgendeinem Zeitpunkt Teil einer wesentlichen Beteiligung hätten sein müssen. Daraus hat der Senat abgeleitet, dass der Gesetzgeber auch das Ziel verfolgt habe, den durch die Veräußerung des Anteils an einer Kapitalgesellschaft eingetretenen Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit dann zu erfassen, wenn zwar der veräußerte Anteil selbst keine wesentliche Beteiligung darstellt, aber der Steuerpflichtige innerhalb eines Fünfjahreszeitraums an der Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt war. Er hat innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren den gesamten Mehrwert erfasst, der bei der Veräußerung einer Beteiligung realisiert worden ist, die auf 25 v.H. und darunter abgesunken ist. Er hat darüber hinaus innerhalb des Fünfjahreszeitraums den Gewinn aus der Veräußerung einer nicht wesentlichen Beteiligung selbst dann berücksichtigt, wenn eine wesentliche Beteiligung vollständig veräußert wurde und die unwesentliche Beteiligung danach erworben worden ist. Anknüpfungspunkt für die Erfassung des Zuwachses an finanzieller Leistungsfähigkeit, der durch die Veräußerung einer unwesentlichen Beteiligung erzielt wird, ist deshalb allein der zeitliche Zusammenhang dieser Veräußerung mit dem Halten einer wesentlichen Beteiligung. Innerhalb des Fünfjahreszeitraums infiziert mithin die zu irgendeinem Zeitpunkt vorhanden gewesene wesentliche Beteiligung die unwesentliche (so zutreffend, Kröner, StbJb 1997/1998, S. 193 ff., 206 ff.; vgl. hierzu auch Heinemann, Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung privater Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes, S. 71 ff.). Auch ein Vergleich mit dem gesetzlichen Regeltatbestand zeigt, dass die Annahme, es sei allein aus der Sicht des Jahres der Veräußerung zu beurteilen, ob eine frühere Beteiligung eine unwesentliche Beteiligung infiziert, der gesetzgeberischen Konzeption entspricht: Veräußert ein Steuerpflichtiger ab dem Veranlagungszeitraum 1999 eine Beteiligung von mindestens 10 v.H., dann unterliegt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers der gesamte Wertzuwachs der Beteiligung der Besteuerung. Ob die Beteiligung bereits vor dem 1. Januar 1999 eine Wertsteigerung erfahren hat und ob die Wertsteigerung vor diesem Zeitpunkt wegen des Nichterreichens der damals geltenden Beteiligungsgrenze nicht der Besteuerung unterlegen hätte, ist unerheblich (vgl. BTDrucks 14/23, S. 178). f) Die dem Wortlaut, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck entsprechende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung zu berichtigen. Eine verfassungskonforme Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG-Beschluss vom 2. April 2001 1 BvR 355/00, 1 BvR 409/00, 1 BvR 674/00, NJW 2001, 2160, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Auffassung, dass die Wesentlichkeitsgrenze von 10 v.H. auch für die fünf zurückliegenden Jahre gilt, führt nicht zu einem verfassungswidrigen Ergebnis. Wie der Senat in dem Verfahren VIII R 92/03 mit Urteil vom heutigen Tage (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, sind die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von bisher 25 v.H. auf 10 v.H. durch das StEntlG 1999/2000/2002 und das Fehlen einer Übergangsregelung verfassungsgemäß. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil Bezug genommen. Im Streitfall folgt eine Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen echten Rückwirkung auch nicht daraus, dass die Klägerin --anders als der Veräußerer in dem Verfahren VIII R 92/03-- im Zeitpunkt der Veräußerung keine wesentliche Beteiligung mehr innegehabt hat. Denn der Tatbestand des § 17 EStG setzt neben der Wesentlichkeit der Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre deren Veräußerung (oder ein gemäß Abs. 4 der Vorschrift der Veräußerung gleichgestelltes Ereignis) voraus. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des letzten Tatbestandsmerkmals des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG durch die Klägerin, der Veräußerung am 28. Juni 1999, war das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 bereits verkündet. Die Klägerin konnte deshalb im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ebenso wenig wie der Veräußerer in dem Verfahren VIII R 92/03 darauf vertrauen, dass der erzielte Gewinn nicht steuerpflichtig war. Da bei der Gewinnermittlung gemäß § 17 Abs. 2 EStG nur der Erlös aus der Veräußerung der verbliebenen Restbeteiligung von 9,92 v.H. und nicht etwa der Gewinn aus den Veräußerungen der vorangegangenen fünf Jahre erfasst wird, kann auch insoweit ein berechtigtes Vertrauen der Klägerin in eine bestehende Rechtslage nicht enttäuscht worden sein. Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. März 2005 VIII R 25/02

21.04.2005, Dr. Bachmann

Viele Steuerpflichtige haben 1998 vor Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze auf 10 v.H. ihren GmbH-Anteil verkleinert, um ihn anschließend steuerfrei zu verkaufen. Die Finanzverwaltung vertritt aber – anders als bisher die Finanzgerichte – die Auffassung, die Absenkung der Grenze betreffe auch die vergangenen fünf Jahre. Der Bundesfinanzhof hat sich dieser Auffassung nun abgeschlossen. Er meint auch, die rückwirkende Geltung der Grenze sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Es darf wohl damit gerechnet werden, dass auch das Bundesverfassungsgericht zu dieser Frage noch das Wort erhält.Der Leitsatz lautet: Das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Beteiligung "innerhalb der letzten fünf Jahre" i.S. des § 17 Abs. 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist nicht für jeden abgeschlossenen Veranlagungszeitraum nach der jeweils geltenden Beteiligungsgrenze i.S. des § 17 Abs. 1 Satz 4 EStG zu bestimmen, sondern richtet sich nach der im Jahr der Veräußerung geltenden Wesentlichkeitsgrenze. Diese Regelung ist verfassungsgemäß. Aus den Gründen Obwohl die Klägerin somit im Jahr 1999 nicht mehr zu mindestens 10 v.H. an der O-GmbH beteiligt war, hat sie durch die Veräußerung der ihr noch verbliebenen Beteiligung von 9,92 v.H. den Tatbestand des § 17 Abs. 1 Sätze 1 und 4 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 erfüllt. Denn sie war zwar nicht mehr im Jahr 1999, wohl aber innerhalb der letzten fünf Jahre vor dieser Veräußerung an der GmbH wesentlich beteiligt. Ob § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der für das Streitjahr 1999 geltenden Fassung die Veräußerung einer Beteiligung von weniger als 10 v.H. erfasst, wenn der Steuerpflichtige zu irgendeinem Zeitpunkt innerhalb der letzten fünf Jahre nicht zu mehr als 25 v.H., aber mit mindestens 10 v.H. beteiligt war, ist umstritten. Das FG vertritt ebenso wie andere FG und wie das überwiegende Schrifttum die Auffassung, der Begriff der wesentlichen Beteiligung, die innerhalb der letzten fünf Jahre bestanden haben muss, sei für jeden vergangenen Veranlagungszeitraum nach der damals gegebenen Rechtslage zu bestimmen (sog. veranlagungsbezogener Beteiligungsbegriff). Dies folge insbesondere aus der Rückbezogenheit. Auch lasse sich eine Verfassungswidrigkeit der Vorschrift nur durch eine solche verfassungskonforme Auslegung vermeiden. Dagegen vertreten die Finanzverwaltung und ein Teil der Literatur die Auffassung, eine Anteilsveräußerung sei auch dann steuerpflichtig, wenn der Steuerpflichtige im zeitlichen Anwendungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 eine Beteiligung von weniger als 10 v.H. veräußert hat, er aber zu irgendeinem Zeitpunkt in den fünf Vorjahren zu mindestens 10 v.H. beteiligt war. Ob eine wesentliche Beteiligung gegeben sei, bestimme sich nach der im Veräußerungszeitpunkt geltenden Gesetzesfassung. Der Senat folgt der zuletzt genannten Auffassung. Aus dem Wortlaut und dem systematischen Zusammenhang von Satz 1 und Satz 4 des § 17 Abs. 1 EStG ergibt sich, dass alle Beteiligungsverkäufe, die im zeitlichen Anwendungsbereich dieses Gesetzes erfolgen, nach der ab dem 1. Januar 1999 geltenden Wesentlichkeitsgrenze von mindestens 10 v.H. zu beurteilen sind. § 17 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 EStG sind aufeinander abgestimmt. § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG legt den von dieser Norm erfassten Besteuerungstatbestand fest. Die nachfolgenden Sätze 2 bis 4 erläutern die einzelnen Besteuerungsmerkmale des Satzes 1. Aus diesem systematischen Zusammenhang folgt, dass der in Satz 1 genannte Begriff der wesentlichen Beteiligung nicht isoliert ausgelegt, sondern nur so verstanden werden kann, wie er in Satz 4 definiert ist. Diese Gesetzessystematik entspricht von ihrem Ansatz her auch derjenigen des § 17 Abs. 1 in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung des EStG. Von dieser Systematik ging zudem bereits das Reichssteuergesetz (RStG) 1925 aus, durch das der Besteuerungstatbestand der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung eingeführt worden ist (damals § 30 Abs. 3 EStG), indem Satz 1 der Vorschrift den Besteuerungstatbestand festlegte, Satz 2 hingegen den Begriff der wesentlichen Beteiligung definierte (vgl. hierzu Strutz, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Bd. II, § 30 Anm. 3). Diese Auslegung wird auch durch die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätigt. Aus der Gesetzesbegründung ergibt sich, dass die neue Beteiligungsgrenze von 10 v.H. für alle Veräußerungen ab dem Veranlagungszeitraum 1999 gelten soll (vgl. BTDrucks 14/265, S. 179). Dem steht nicht entgegen, dass dort auch ausgeführt wird, dass eine wesentliche Beteiligung künftig bereits bei einer Beteiligung von mindestens 10 v.H. gegeben sei. Aus dieser auf die Zukunft hinweisenden Formulierung kann nicht geschlossen werden, dass die abgesenkte Wesentlichkeitsschwelle nicht gelten soll, soweit das Gesetz in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG im Rahmen eines Fünfjahreszeitraums an das Halten einer Beteiligung in der Vergangenheit und damit ggf. in der Zeit vor dem Veranlagungszeitraum 1999 anknüpft (so aber Balmes/Kotyrba, FR 1999, 1044). Die zitierte Formulierung ist als bloßer Hinweis auf die geltende Wesentlichkeitsschwelle zu verstehen, sofern der Gesetzesentwurf tatsächlich verwirklicht wird. c) Diesem Verständnis steht auch nicht die abweichende Formulierung von § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des Gesetzes zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung (StSenkG) vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) entgegen. Diese Formulierung weicht insoweit von der Fassung dieser Vorschrift im StEntlG 1999/2000/2002 ab, als nunmehr unmittelbar in Satz 1 die für die Besteuerung maßgebliche Beteiligungsquote geregelt ist. Aus dieser Neufassung, wonach die Besteuerung der Veräußerung einer Beteiligung (im Geltungsbereich des StSenkG) davon abhängt, ob der Veräußerer in den letzten fünf Jahren im maßgeblichen Umfang (von nunmehr mindestens 1 v.H.) beteiligt war, lässt sich aber nicht schließen, der Gesetzgeber sei erst mit der Einführung des StSenkG von der Vorstellung abgerückt, die Frage der Wesentlichkeit sei im Rahmen der Fünfjahresfrist nicht nach den Verhältnissen des Jahres der Veräußerung, sondern nach der in jedem abgeschlossenen Veranlagungszeitraum gültig gewesenen Wesentlichkeitsschwelle zu beurteilen (so aber Bornheim, DB 2001, 162). Diese Änderung beruht nämlich darauf, dass der Gesetzgeber infolge des Systemwechsels vom körperschaftsteuerlichen Anrechnungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren auch der Besteuerung von Beteiligungsverkäufen i.S. von § 17 EStG eine neue Funktion beigemessen hat. Im Vordergrund steht nicht mehr der Gesichtspunkt, dass die Besteuerung von privaten Beteiligungsverkäufen das Erreichen oder Überschreiten einer solchen Beteiligungsquote voraussetzt, die es rechtfertigt, in Abkehr von dem Grundprinzip der Nichtsteuerbarkeit Gewinne aus der Veräußerung von Privatvermögen der Besteuerung zu unterwerfen. Stattdessen dient § 17 EStG nunmehr dazu, sicherzustellen, dass der Anteilseigner nicht die Halbeinkünftebesteuerung durch den Verkauf der Beteiligung verhindern kann (Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 17 Rz. 3). Aus diesem Grund verzichtet § 17 EStG i.d.F. des StSenkG auf den Begriff der wesentlichen Beteiligung und regelt unmittelbar in § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG den maßgeblichen Schwellenwert von nunmehr 1 v.H. Die Regelung des Schwellenwerts unmittelbar in Satz 1 ist deshalb eine bloße redaktionelle Folgeänderung (vgl. BTDrucks 14/3366, S. 118). … Eine solche Planwidrigkeit liegt nicht vor. Die dem Gesetzeswortlaut folgende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG auch in dem Fall, in dem ein Steuerpflichtiger im zeitlichen Geltungsbereich des StEntlG 1999/2000/2002 eine Beteiligung von weniger als 10 v.H. veräußert hat, er aber irgendwann in den fünf Vorjahren zu mindestens 10 v.H., jedoch zu nicht mehr als 25 v.H. beteiligt war, führt entgegen der überwiegenden Auffassung im Schrifttum nicht zu einem dem Sinn und Zweck der Vorschrift widersprechenden Ergebnis. Zwar trifft es zu, dass ein Steuerpflichtiger, der im Geltungsbereich von § 17 Abs. 1 EStG in seiner bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung eine Beteiligung von nicht mehr als 25 v.H. gehalten hat, durch Teilverkäufe bis zu diesem Zeitpunkt nicht den damals geltenden Tatbestand des § 17 EStG umgeht, weil nicht nur seine infolge des Teilverkaufs reduzierte Beteiligung, sondern bereits die ursprüngliche Beteiligung nicht wesentlich und damit insgesamt steuerlich nicht verstrickt war. Zutreffend ist auch, dass § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG mit der Rückanknüpfung an die letzten fünf Jahre die Umgehung des Tatbestands des § 17 EStG durch Teilverkäufe verhindern will. Von dieser Vorstellung ging bereits § 30 Abs. 3 Satz 2 RStG 1925 aus, der ebenfalls eine solche Rückanknüpfung vorsah (vgl. Strutz, a.a.O., § 30 Anm. 38). Wie der Senat bereits zu § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung wiederholt entschieden hat, hat der Gesetzgeber das mit der fünfjährigen Rückanknüpfung verfolgte Ziel aber ausschließlich durch die Fünfjahresfrist und nicht zusätzlich dadurch umgesetzt, dass die veräußerten Teile zu irgendeinem Zeitpunkt Teil einer wesentlichen Beteiligung hätten sein müssen. Daraus hat der Senat abgeleitet, dass der Gesetzgeber auch das Ziel verfolgt habe, den durch die Veräußerung des Anteils an einer Kapitalgesellschaft eingetretenen Zuwachs an finanzieller Leistungsfähigkeit dann zu erfassen, wenn zwar der veräußerte Anteil selbst keine wesentliche Beteiligung darstellt, aber der Steuerpflichtige innerhalb eines Fünfjahreszeitraums an der Kapitalgesellschaft wesentlich beteiligt war. Er hat innerhalb des Zeitraums von fünf Jahren den gesamten Mehrwert erfasst, der bei der Veräußerung einer Beteiligung realisiert worden ist, die auf 25 v.H. und darunter abgesunken ist. Er hat darüber hinaus innerhalb des Fünfjahreszeitraums den Gewinn aus der Veräußerung einer nicht wesentlichen Beteiligung selbst dann berücksichtigt, wenn eine wesentliche Beteiligung vollständig veräußert wurde und die unwesentliche Beteiligung danach erworben worden ist. Anknüpfungspunkt für die Erfassung des Zuwachses an finanzieller Leistungsfähigkeit, der durch die Veräußerung einer unwesentlichen Beteiligung erzielt wird, ist deshalb allein der zeitliche Zusammenhang dieser Veräußerung mit dem Halten einer wesentlichen Beteiligung. Innerhalb des Fünfjahreszeitraums infiziert mithin die zu irgendeinem Zeitpunkt vorhanden gewesene wesentliche Beteiligung die unwesentliche (so zutreffend, Kröner, StbJb 1997/1998, S. 193 ff., 206 ff.; vgl. hierzu auch Heinemann, Die Besteuerung von Gewinnen aus der Veräußerung privater Beteiligungen an Kapitalgesellschaften nach § 17 EStG in der Fassung des Steuersenkungsgesetzes, S. 71 ff.). Auch ein Vergleich mit dem gesetzlichen Regeltatbestand zeigt, dass die Annahme, es sei allein aus der Sicht des Jahres der Veräußerung zu beurteilen, ob eine frühere Beteiligung eine unwesentliche Beteiligung infiziert, der gesetzgeberischen Konzeption entspricht: Veräußert ein Steuerpflichtiger ab dem Veranlagungszeitraum 1999 eine Beteiligung von mindestens 10 v.H., dann unterliegt nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers der gesamte Wertzuwachs der Beteiligung der Besteuerung. Ob die Beteiligung bereits vor dem 1. Januar 1999 eine Wertsteigerung erfahren hat und ob die Wertsteigerung vor diesem Zeitpunkt wegen des Nichterreichens der damals geltenden Beteiligungsgrenze nicht der Besteuerung unterlegen hätte, ist unerheblich (vgl. BTDrucks 14/23, S. 178). f) Die dem Wortlaut, der Gesetzessystematik, der Entstehungsgeschichte und dem Zweck entsprechende Auslegung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt der verfassungskonformen Auslegung zu berichtigen. Eine verfassungskonforme Auslegung kommt dann in Betracht, wenn eine Norm mehrere Auslegungen zulässt, die teils zu einem verfassungswidrigen, teils zu einem verfassungsmäßigen Ergebnis führen (BVerfG-Beschluss vom 2. April 2001 1 BvR 355/00, 1 BvR 409/00, 1 BvR 674/00, NJW 2001, 2160, m.w.N.). Dies ist hier nicht der Fall. Denn die Auffassung, dass die Wesentlichkeitsgrenze von 10 v.H. auch für die fünf zurückliegenden Jahre gilt, führt nicht zu einem verfassungswidrigen Ergebnis. Wie der Senat in dem Verfahren VIII R 92/03 mit Urteil vom heutigen Tage (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) entschieden hat, sind die Absenkung der Wesentlichkeitsgrenze von bisher 25 v.H. auf 10 v.H. durch das StEntlG 1999/2000/2002 und das Fehlen einer Übergangsregelung verfassungsgemäß. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Urteil Bezug genommen. Im Streitfall folgt eine Verfassungswidrigkeit unter dem Gesichtspunkt einer unzulässigen echten Rückwirkung auch nicht daraus, dass die Klägerin --anders als der Veräußerer in dem Verfahren VIII R 92/03-- im Zeitpunkt der Veräußerung keine wesentliche Beteiligung mehr innegehabt hat. Denn der Tatbestand des § 17 EStG setzt neben der Wesentlichkeit der Beteiligung innerhalb der letzten fünf Jahre deren Veräußerung (oder ein gemäß Abs. 4 der Vorschrift der Veräußerung gleichgestelltes Ereignis) voraus. Im Zeitpunkt der Verwirklichung des letzten Tatbestandsmerkmals des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG durch die Klägerin, der Veräußerung am 28. Juni 1999, war das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 bereits verkündet. Die Klägerin konnte deshalb im Zeitpunkt der Tatbestandsverwirklichung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG ebenso wenig wie der Veräußerer in dem Verfahren VIII R 92/03 darauf vertrauen, dass der erzielte Gewinn nicht steuerpflichtig war. Da bei der Gewinnermittlung gemäß § 17 Abs. 2 EStG nur der Erlös aus der Veräußerung der verbliebenen Restbeteiligung von 9,92 v.H. und nicht etwa der Gewinn aus den Veräußerungen der vorangegangenen fünf Jahre erfasst wird, kann auch insoweit ein berechtigtes Vertrauen der Klägerin in eine bestehende Rechtslage nicht enttäuscht worden sein. Bundesfinanzhof, Urteil vom 1. März 2005 VIII R 25/02

21.04.2005, Dr. Bachmann

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