BFH: Keine Entschädigung wegen unangemessener Verfahrensdauer bei Rechtsprechungsänderung

Der BFH hat in einer neueren Entscheidung aus dem November des letzten Jahres zur Frage der Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer Stellung genommen. Der Gesetzgeber hatte mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Jahr 2011 eine Rechtsschutzlücke in Bezug auf Verfahrensverzögerungen geschlossen. Seitdem enthalten die §§ 198 ff. GVG Regelungen hinsichtlich des dem Betroffenen im Einzelfall zustehenden Entschädigungsanspruchs. Voraussetzung dieses Entschädigungsanspruchs ist nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG die vorherige Rüge der Verfahrensverzögerung bei dem mit der Sache befassten Gericht.

Die Regelung hat insbesondere in Steuersachen eine erhebliche Bedeutung, da gerade finanzgerichtliche Verfahren oftmals mehrere Jahre in Anspruch nehmen, ohne dass ein nennenswerter Verfahrensfortgang zu verzeichnen ist. Der BFH hat sich in der genannten Entscheidung mit der Frage befasst, inwieweit ein zu ersetzender „Nachteil“ im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vorliegen kann, wenn zwischenzeitlich eine Rechtsprechungsänderung eingetreten ist, die später zu einem Obsiegen des Steuerpflichtigen im Gerichtsverfahren geführt hat. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Sechseinhalb Jahre nach Klageerhebung und zwischenzeitlicher Zurückverweisung durch den BFH entschied dieser letztlich zugunsten des Klägers. Eine Entschädigung nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wurde allerdings abgelehnt, da der Kläger im Ergebnis von der überlangen Verfahrensdauer profitiert habe.

Der Leitsatz und die Orientierungssätze der Entscheidung lauten:

Leitsatz

Hat der Kläger im Ausgangsverfahren ausschließlich wegen der überlangen Dauer dieses Verfahrens obsiegt, weil zu einem Zeitpunkt, in dem das Ausgangsverfahren bereits als verzögert anzusehen war, eine zugunsten des Klägers wirkende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Rechtsfrage eingetreten ist, hat der Kläger durch die überlange Dauer des Ausgangsverfahrens keinen "Nachteil" erlitten, so dass er weder eine Geldentschädigung noch die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer beanspruchen kann.

Orientierungssatz

1. Von einem wiedergutmachungspflichtigen Nachteil ist nicht auszugehen, wenn (sicher) festgestellt werden kann, dass die (ggf. unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat, sei es, dass kein Nachteil vorliegt, sei es, dass kein Kausalzusammenhang zwischen Verfahrensdauer und Nachteil vorliegt.

2. Für die Frage, wie sich die lange Verfahrensdauer ausgewirkt hat, ist der tatsächliche und nicht ein auf einer Fiktion beruhender hypothetischer Kausalverlauf maßgebend.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, X K 2/12
www.bundesfinanzhof.de

 

 

05.02.2014, Dr. Christian Gercke

Der BFH hat in einer neueren Entscheidung aus dem November des letzten Jahres zur Frage der Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer Stellung genommen. Der Gesetzgeber hatte mit dem Gesetz über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren im Jahr 2011 eine Rechtsschutzlücke in Bezug auf Verfahrensverzögerungen geschlossen. Seitdem enthalten die §§ 198 ff. GVG Regelungen hinsichtlich des dem Betroffenen im Einzelfall zustehenden Entschädigungsanspruchs. Voraussetzung dieses Entschädigungsanspruchs ist nach § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG die vorherige Rüge der Verfahrensverzögerung bei dem mit der Sache befassten Gericht.

Die Regelung hat insbesondere in Steuersachen eine erhebliche Bedeutung, da gerade finanzgerichtliche Verfahren oftmals mehrere Jahre in Anspruch nehmen, ohne dass ein nennenswerter Verfahrensfortgang zu verzeichnen ist. Der BFH hat sich in der genannten Entscheidung mit der Frage befasst, inwieweit ein zu ersetzender „Nachteil“ im Sinne des § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG vorliegen kann, wenn zwischenzeitlich eine Rechtsprechungsänderung eingetreten ist, die später zu einem Obsiegen des Steuerpflichtigen im Gerichtsverfahren geführt hat. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall hatte der Kläger Kosten für einen Zivilrechtsstreit als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht. Sechseinhalb Jahre nach Klageerhebung und zwischenzeitlicher Zurückverweisung durch den BFH entschied dieser letztlich zugunsten des Klägers. Eine Entschädigung nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wurde allerdings abgelehnt, da der Kläger im Ergebnis von der überlangen Verfahrensdauer profitiert habe.

Der Leitsatz und die Orientierungssätze der Entscheidung lauten:

Leitsatz

Hat der Kläger im Ausgangsverfahren ausschließlich wegen der überlangen Dauer dieses Verfahrens obsiegt, weil zu einem Zeitpunkt, in dem das Ausgangsverfahren bereits als verzögert anzusehen war, eine zugunsten des Klägers wirkende Änderung der höchstrichterlichen Rechtsprechung in der für das Ausgangsverfahren maßgebenden Rechtsfrage eingetreten ist, hat der Kläger durch die überlange Dauer des Ausgangsverfahrens keinen "Nachteil" erlitten, so dass er weder eine Geldentschädigung noch die Feststellung der Unangemessenheit der Verfahrensdauer beanspruchen kann.

Orientierungssatz

1. Von einem wiedergutmachungspflichtigen Nachteil ist nicht auszugehen, wenn (sicher) festgestellt werden kann, dass die (ggf. unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat, sei es, dass kein Nachteil vorliegt, sei es, dass kein Kausalzusammenhang zwischen Verfahrensdauer und Nachteil vorliegt.

2. Für die Frage, wie sich die lange Verfahrensdauer ausgewirkt hat, ist der tatsächliche und nicht ein auf einer Fiktion beruhender hypothetischer Kausalverlauf maßgebend.

Bundesfinanzhof, Urteil vom 20.11.2013, X K 2/12
www.bundesfinanzhof.de

 

 

05.02.2014, Dr. Christian Gercke

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