BFH: Innergemeinschaftliche Lieferung auch bei wissentlicher Beteiligung des Verkäufers an einer Mehrwertsteuerhinterziehung des Abnehmers steuerfrei?

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt

Leitsätze:
1. Buchnachweis und Belegnachweis sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung, sondern bestimmen lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (vgl. EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-146/05 und BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03)
2. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -- formellen -- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03)
3. Für die in § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG genannte Voraussetzung genügt die bloße Steuerbarkeit des Erwerbs in dem anderen Mitgliedsstaat. Ob die Erwerbsbesteuerung dort tatsächlich stattgefunden hat, ist insoweit irrelevant (vgl. EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-409/04; BFH-Urteile vom 06.12.2007 V R 59/03 und vom 30.03.2006 V R 47/03; Literatur)

Der Bundesfinanzhof tritt mit diesem Beschluss dem Bundesgerichtshof entgegen. Der BGH hat in dieser Frage den Europäischen Gerichtshof angerufen, weil er die hiermit vom BFH bestätigte Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 11. März 2009 - 1 V 4305/08; juris) für unzutreffend hält (s. unsere vorgehende Meldung).

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.07.2009 - XI B 24/09
juris
 

 

28.08.2009, Dr. Jochen Bachmann

Es ist ernstlich zweifelhaft, ob der Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung entgegensteht, dass der inländische Unternehmer bewusst und gewollt an der Vermeidung der Erwerbsbesteuerung seines Abnehmers mitwirkt

Leitsätze:
1. Buchnachweis und Belegnachweis sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung, sondern bestimmen lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (vgl. EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-146/05 und BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03)
2. Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist zwar grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise dann, wenn trotz der Nichterfüllung der -- formellen -- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte (vgl. BFH-Urteil vom 06.12.2007 V R 59/03)
3. Für die in § 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG genannte Voraussetzung genügt die bloße Steuerbarkeit des Erwerbs in dem anderen Mitgliedsstaat. Ob die Erwerbsbesteuerung dort tatsächlich stattgefunden hat, ist insoweit irrelevant (vgl. EuGH-Urteil vom 27.09.2007 C-409/04; BFH-Urteile vom 06.12.2007 V R 59/03 und vom 30.03.2006 V R 47/03; Literatur)

Der Bundesfinanzhof tritt mit diesem Beschluss dem Bundesgerichtshof entgegen. Der BGH hat in dieser Frage den Europäischen Gerichtshof angerufen, weil er die hiermit vom BFH bestätigte Entscheidung des Finanzgerichts Baden-Württemberg (Beschluss vom 11. März 2009 - 1 V 4305/08; juris) für unzutreffend hält (s. unsere vorgehende Meldung).

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 29.07.2009 - XI B 24/09
juris
 

 

28.08.2009, Dr. Jochen Bachmann

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