BFH: "Big Brother"-Gewinn einkommensteuerpflichtig

Der BGH hat zu der Frage Stellung genommen, welche Pflichten den Steuerberater im Rahmen eines Dauermandats treffen. Dabei geht es vor allem um die immer wieder auftretende Frage, inwieweit ein Steuerberater auch auf steuerliche Risiken hinweisen muss, die ihm zwar im Zusammenhang mit dem Mandatsverhältnis bekannt werden, für deren Bearbeitung aber kein explizites Mandat besteht. Beispielhaft sollen hier bestimmte Gestaltungsrisiken ohne konkreten Auftrag zur Gestaltungsberatung genannt sein. Die Entscheidung enthält weiterhin Ausführungen zu der Frage, gegenüber wem im Einzelfall ein Hinweis zu erfolgen hat.

Klägerin in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war eine GmbH. Die Gesellschafter der GmbH waren bei dieser angestellt und bezogen über mehrere Jahre erhöhte Vergütungen, die vom Finanzamt später als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet wurden. Die GmbH wurde über ein Jahrzehnt vom Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2. steuerlich beraten. Später übernahm die steuerliche Beratung die Beklagte zu 1. Diese erteilte zwar einen Hinweis auf die möglichen steuerschädlichen Folgen der erhöhten Bezüge, allerdings nur gegenüber der Buchhalterin der GmbH. Ein weiterer Hinweis gegenüber den Geschäftsführern der Gesellschaft erfolgte nicht.

Entscheidungsgründe:

[…]
Das angefochtene Urteil kann mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben.

1. Der Steuerberater F.    und die Beklagte zu 1 haben entgegen der Annahme des Berufungsgerichts pflichtwidrig gehandelt.

a) Der Steuerberater F.     war mit Übernahme seines Mandates jedenfalls beauftragt, für die Klägerin die Körperschaftsteuererklärungen zu entwerfen. Spätestens hierbei musste von ihm entgegen der Ansicht beider Tatrichter geprüft werden, ob die von der Finanzverwaltung später beanstandeten Bezüge der angestellten Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu werten waren, weil sie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter versagt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - IX ZR 127/04, WM 2005, 2345, 2346 unter II. 2. b). Denn nur bei Verneinung einer verdeckten Gewinnausschüttung konnten die Angestelltenbezüge der Gesellschafter vollen Umfangs als gewinnmindernde Betriebsausgaben angesetzt werden.
Selbst wenn der Steuerberater F.     keinen ausdrücklichen Auftrag zur körperschaftsteuerlichen Gestaltungsberatung hatte, musste er diese im körperschaftsteuerlichen Dauermandat anfallenden Fragen von sich aus aufgreifen und mit der Klägerin erörtern. Das Berufungsgericht hat ein vom Bundesgerichtshof so bezeichnetes "umfassendes Dauermandat" (vgl. etwa Urteil vom 20. November 1997 - IX ZR 62/97, WM 1998, 299, 300), welches alle Steuerarten umfasst, die für den Auftraggeber in Betracht kommen, und daher zur Beratung einschließlich der Möglichkeiten zu zivilrechtlichen Steuergestaltungen auch jenseits der konkret bearbeiteten Angelegenheiten verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 396; vom 20. November 1997, aaO; vom 20. Oktober 2005, aaO unter II. 2. a), nicht feststellen können. Die vorgelegten Rechnungen und Unterlagen lassen aber erkennen, dass der Steuerberater F.      von 1991 bis 1994 für die Klägerin und eine ihrer verschmolzenen Rechtsvorgängerinnen fortlaufend Jahresabschlüsse erstellt und sowohl Körperschaft- als auch Gewerbesteuererklärungen erarbeitet hat. Damit lag zumindest ein inhaltlich beschränktes Dauermandat vor, welches den Steuerberater F.     verpflichtete, bei erster Gelegenheit über die vorgefundenen steuerlichen Risiken des Mandatsgegenstandes aufzuklären, zu denen die verdeckten Gewinnausschüttungen gehörten. Ob F.     einen darüber hinausgehenden umfassenden Willen zur steuerlichen Betreuung der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerin hatte, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für den Haftungsgrund nicht entscheidungserheblich. Ebenso kann offen bleiben, in welchem Umfang der Steuerberater F.     bei seiner genannten Tätigkeit zur weiteren Gestaltungsberatung verpflichtet war, weil es zunächst nur um die Beurteilungsfrage ging, ob die Klägerin mit den Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung an ihre Gesellschafter zu rechnen hatte.

b) Die gleiche Prüfungspflicht traf später die Beklagte zu 1 bei der von ihr übernommenen Anfertigung steuerlicher Jahresabschlüsse für die Klägerin. Auch die steuerlichen Gewinne der Klägerin konnten in ihrem Jahresabschluss nicht bilanziert werden, ohne zu klären, ob sich ihr Einkommen durch die Bezüge der Gesellschafter verringerte oder zum Teil nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht gemindert wurde. Auch hier ergab sich aus dem Dauermandat zur Erstellung steuerlicher Jahresabschlüsse für die Klägerin die Pflicht, die Frage der verdeckten Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter mit der Mandantin zu erörtern, weil sie sich innerhalb der bearbeiteten Mandatsangelegenheiten stellte. Dieser Pflicht will die Beklagte zu 1 allerdings durch den Steuerberater N.    schon im Januar 1997 in einer Weise nachgekommen sein, dass sie nach Ansicht des Berufungsgerichts damit den an sie gestellten Anforderungen genügt hatte. Auch dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen. Die pflichtmäßige Steuerberatung anlässlich der Aufstellung von Jahresabschlüssen und Erarbeitung von Steuererklärungen verlangt daher sachgerechte Hinweise über die Art, die Größe und die mögliche Höhe eines Steuerrisikos, um den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen steuerlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Der Auftraggeber muss imstande sein, nach den erhaltenen Hinweisen seine Interessen und erheblichen Steuerrisiken selbst abzuwägen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005, aaO mwN). Je nach Umständen kann dies auch erst die Inanspruchnahme vertiefter steuerlicher Beratung bedeuten, sobald sich ihre Sachdienlichkeit herausstellt. Mit diesem Grundsatz hat sich das Berufungsgericht in Widerspruch gesetzt. Es ist offen, ob die Klägerin von der Beklagten zu 1 über die Art des Steuerrisikos aufgeklärt worden ist. Der Zeuge N.     hat in seiner Vernehmung auf Nachfrage eingeräumt, nicht mehr zu wissen, ob er gegenüber der Klägerin das Steuerrisiko als verdeckte Gewinnausschüttung bezeichnet habe. Ein Risikohinweis, der das Prüfungsergebnis durch das Finanzamt als offen darstellte, wie von dem Zeugen N.    geschildert, ist bei einer nach dem Stand der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung objektiv ungewissen Beurteilung der Rechtslage (BGH, aaO) geboten. Nur dann ist er auch sachgerecht. Führten der interne Vergleich mit der Geschäftsführervergütung der Klägerin und der Fremdvergleich der Gesellschafterbezüge indessen eindeutig, mit hoher Wahrscheinlichkeit oder Wahrscheinlichkeit zu dem Ergebnis, dass eine betriebliche Veranlassung für die hohen Bezüge einschließlich Versorgungszusagen nicht bestand, sondern ihr Grund im Gesellschaftsverhältnis zu suchen war, so musste diese Größe des Risikos aus dem erteilten Hinweis für die Auftraggeberin deutlich werden. Die Notwendigkeit eines Hinweises auf die Größe des Steuerrisikos und seine Unterlassung hat die Klägerin behauptet. Denn nach ihrem Vortrag zu den Vergleichsgrößen der Gesellschafterbezüge drängte sich die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen jedenfalls der Beklagten zu 1 geradezu auf, deren Verdacht pflichtgemäß schon durch den internen Bezügevergleich geweckt war. Dem genügte die Beratung der Beklagten zu 1 nach ihrem eigenen Vortrag nicht. Die Beklagte zu 1 hat bisher auch nicht dargelegt, dass die Klägerin aus ihrem Hinweis den wirtschaftlichen Umfang (die Höhe) des gegebenen Steuerrisikos erkennen musste, wobei es nicht darauf ankam, den drohenden Steuernachteil genau zu beziffern.

Die Beklagte zu 1 kann ihre Pflichten auch dadurch verletzt haben, dass sie ihre Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen nicht dem Geschäftsführer der Klägerin erläuterte, nachdem die angesprochene Buchhalterin den Hinweis auf das Risiko und die unsichere Beurteilung durch das Finanzamt als gegenstandslos abtat, weil die Angelegenheit der Gesellschafterbezüge bereits von dem Steuerberater F.     geprüft und für unschädlich erachtet worden sei. Ob eine solche Remonstration des steuerlichen Beraters in der Hierarchie der beratenen Gesellschaft geboten ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. In den vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogenen allgemeinen Grundsätzen der Wissenszurechnung erschöpft sich diese Fragestellung nicht. Im Streitfall lagen allerdings besondere Umstände vor, weil die Buchhalterin mit einem der beiden Familiengesellschafter verheiratet war und auch die Vertragsverhandlungen bei Beauftragung der Beklagten zu 1 selbständig geführt hatte. Sie besaß danach eine ungewöhnliche Vertrauensstellung und konnte der Beklagten zu 1 als rangangemessene Repräsentantin der Klägerin zur Entgegennahme der gebotenen Hinweise erscheinen, deren Unterrichtung es erübrigte, sich direkt an die Geschäftsleitung zu wenden. Die auch hier notwendige tatrichterliche Würdigung hat das Berufungsgericht nach seinem andersartigen Ausgangspunkt unterlassen. Sie kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.

2. Die Haftung der Beklagten zu 2 kann nicht mit der Begründung verneint werden, der spätere erfolglose Hinweis der Beklagten zu 1 auf das Risiko verdeckter Gewinnausschüttungen habe den Zurechnungszusammenhang zwischen einer entsprechenden Pflichtverletzung des Steuerberaters F.    und dem geltend gemachten Steuerschaden unterbrochen. Diese Würdigung beider Tatrichter hat das Berufungsgericht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 1994 (IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822) abgeleitet. Nach jener Entscheidung entfällt der Zurechnungszusammenhang zwischen einem Anwaltsfehler und dem entstandenen Schaden, wenn der Mandant aufgrund anderweitiger rechtlicher Beratung noch in der Lage ist, die ihm durch eine Pflichtverletzung seines Anwalts drohenden Nachteile abzuwenden, er die ihm dazu angeratene Maßnahme jedoch aus unvertretbaren Gründen unterlässt. Das Berufungsgericht hat bei seiner Subsumtion des Streitfalles unter diesen Grundsatz verkannt, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen zur Größe des Steuerrisikos verdeckter Gewinnausschüttungen auch im Jahre 1997 bei Mandatsübernahme der Beklagten zu 1 nicht ausreichend belehrt worden ist und die Fruchtlosigkeit des erteilten ungenügenden Hinweises nach dem Vortrag der Klägerin gerade auf der nachwirkenden Pflichtwidrigkeit des ersten Beraters beruhte, dessen Unbedenklichkeitserklärung sie weiterhin vertraute. Einen anderweitigen Sachverhalt hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass er der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist. Danach hat die Klägerin nicht in unvertretbarer Weise oder aus völlig unsachgemäßen Gründen in den Geschehensablauf eingegriffen, der Zurechnungszusammenhang ist gewahrt.

III. Die Klagabweisung stellt sich im Verhältnis zu der Beklagten zu 2 auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die von den Parteien im Revisionsverfahren nicht aufgegriffene Verjährungseinrede kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Nach Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 13, § 6 Abs. 1 und 3 EGBGB, § 68 StBerG aF ist die Verjährungsfrist im Streitfall mit der Bekanntgabe der Steuerbescheide vom 2. Juli 2002 an die Klägerin oder deren damaligen steuerlichen Berater angelaufen. In diesen Bescheiden verdichtete sich erstmals das Steuerrisiko der Klägerin aus den verdeckten Gewinnausschüttungen an ihre Gesellschafter zu einem Schaden. Darauf, ob die Klägerin schon vorher eine Feststellungsklage wegen der behaupteten vermögensgefährdenden Pflichtverletzung des Steuerberaters F.      erheben konnte, kommt es nach der seit dem Urteil vom 2. Juli 1992 (IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69, 71) vom Bundesgerichtshof für die Beraterhaftung in ständiger Rechtsprechung angewendeten Risiko-Schaden-Formel nicht an. Die Beklagte zu 2 hat allerdings trotz Hinweises des Landgerichts den Tag der Bekanntgabe der genannten Steuerbescheide nicht vorgetragen. Auch die Klägerin hat nicht vorgetragen, wann ihr Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung gegen die Beklagte zu 2 vom 3. Juli 2005 bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg eingegangen ist und nach § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB die laufende Verjährungsfrist gehemmt hat. Sie hat ferner nicht vorgetragen, wann ihre an das Landgericht Kiel gerichtete Klageschrift vom 30. Juni 2005 gegen die Beklagte zu 2 bei Gericht eingegangen und der Gegnerin zugestellt worden ist. Nach dem Grundsatz der verjährungsrechtlichen Schadenseinheit kann hierdurch bereits unabhängig von der Gerichtsstandsbestimmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die für die Beklagte zu 2 laufende Verjährungsfrist gehemmt worden sein.

IV. Der Rechtsstreit ist in der Sache selbst nicht spruchreif. Die Tatsacheninstanzen haben, von ihrem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen zum Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen und der Sicherheit dieser Beurteilung unter tatsächlicher Einbeziehung des Fremdvergleichs, zur haftungsausfüllenden Kausalität und zum Schaden der Klägerin getroffen. Dies hat das Berufungsgericht nachzuholen, soweit es infolge der Zurückverweisung entscheidungserheblich ist. Hierbei ist der Regressrichter an die steuerrechtliche Beurteilung der Finanzverwaltung nicht gebunden, sondern hat den Tatbestand in eigener Verantwortung zu prüfen. Nachzuholen ist auch die unzureichende Würdigung des Verhaltens der Beklagten zu 1, soweit die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität oder eines Mitverschuldens der Klägerin davon abhängt, ob ein inhaltlich genügender Hinweis auf die Größe des Steuerrisikos nicht nur der Buchhalterin, sondern der Geschäftsleitung der Klägerin unmittelbar vorgetragen worden wäre.

BGH, Urteil vom 23.02.12, IX ZR 92/08, DB 2012, 799
 


 

 

05.06.2012, Christian Gercke

Der BGH hat zu der Frage Stellung genommen, welche Pflichten den Steuerberater im Rahmen eines Dauermandats treffen. Dabei geht es vor allem um die immer wieder auftretende Frage, inwieweit ein Steuerberater auch auf steuerliche Risiken hinweisen muss, die ihm zwar im Zusammenhang mit dem Mandatsverhältnis bekannt werden, für deren Bearbeitung aber kein explizites Mandat besteht. Beispielhaft sollen hier bestimmte Gestaltungsrisiken ohne konkreten Auftrag zur Gestaltungsberatung genannt sein. Die Entscheidung enthält weiterhin Ausführungen zu der Frage, gegenüber wem im Einzelfall ein Hinweis zu erfolgen hat.

Klägerin in dem der Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt war eine GmbH. Die Gesellschafter der GmbH waren bei dieser angestellt und bezogen über mehrere Jahre erhöhte Vergütungen, die vom Finanzamt später als verdeckte Gewinnausschüttungen gewertet wurden. Die GmbH wurde über ein Jahrzehnt vom Rechtsvorgänger der Beklagten zu 2. steuerlich beraten. Später übernahm die steuerliche Beratung die Beklagte zu 1. Diese erteilte zwar einen Hinweis auf die möglichen steuerschädlichen Folgen der erhöhten Bezüge, allerdings nur gegenüber der Buchhalterin der GmbH. Ein weiterer Hinweis gegenüber den Geschäftsführern der Gesellschaft erfolgte nicht.

Entscheidungsgründe:

[…]
Das angefochtene Urteil kann mit der gegebenen Begründung nicht bestehen bleiben.

1. Der Steuerberater F.    und die Beklagte zu 1 haben entgegen der Annahme des Berufungsgerichts pflichtwidrig gehandelt.

a) Der Steuerberater F.     war mit Übernahme seines Mandates jedenfalls beauftragt, für die Klägerin die Körperschaftsteuererklärungen zu entwerfen. Spätestens hierbei musste von ihm entgegen der Ansicht beider Tatrichter geprüft werden, ob die von der Finanzverwaltung später beanstandeten Bezüge der angestellten Gesellschafter als verdeckte Gewinnausschüttung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG zu werten waren, weil sie ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer einem Nichtgesellschafter versagt hätte (vgl. BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005 - IX ZR 127/04, WM 2005, 2345, 2346 unter II. 2. b). Denn nur bei Verneinung einer verdeckten Gewinnausschüttung konnten die Angestelltenbezüge der Gesellschafter vollen Umfangs als gewinnmindernde Betriebsausgaben angesetzt werden.
Selbst wenn der Steuerberater F.     keinen ausdrücklichen Auftrag zur körperschaftsteuerlichen Gestaltungsberatung hatte, musste er diese im körperschaftsteuerlichen Dauermandat anfallenden Fragen von sich aus aufgreifen und mit der Klägerin erörtern. Das Berufungsgericht hat ein vom Bundesgerichtshof so bezeichnetes "umfassendes Dauermandat" (vgl. etwa Urteil vom 20. November 1997 - IX ZR 62/97, WM 1998, 299, 300), welches alle Steuerarten umfasst, die für den Auftraggeber in Betracht kommen, und daher zur Beratung einschließlich der Möglichkeiten zu zivilrechtlichen Steuergestaltungen auch jenseits der konkret bearbeiteten Angelegenheiten verpflichtet (vgl. BGH, Urteil vom 11. Mai 1995 - IX ZR 140/94, BGHZ 129, 386, 396; vom 20. November 1997, aaO; vom 20. Oktober 2005, aaO unter II. 2. a), nicht feststellen können. Die vorgelegten Rechnungen und Unterlagen lassen aber erkennen, dass der Steuerberater F.      von 1991 bis 1994 für die Klägerin und eine ihrer verschmolzenen Rechtsvorgängerinnen fortlaufend Jahresabschlüsse erstellt und sowohl Körperschaft- als auch Gewerbesteuererklärungen erarbeitet hat. Damit lag zumindest ein inhaltlich beschränktes Dauermandat vor, welches den Steuerberater F.     verpflichtete, bei erster Gelegenheit über die vorgefundenen steuerlichen Risiken des Mandatsgegenstandes aufzuklären, zu denen die verdeckten Gewinnausschüttungen gehörten. Ob F.     einen darüber hinausgehenden umfassenden Willen zur steuerlichen Betreuung der Klägerin und ihrer Rechtsvorgängerin hatte, ist entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts für den Haftungsgrund nicht entscheidungserheblich. Ebenso kann offen bleiben, in welchem Umfang der Steuerberater F.     bei seiner genannten Tätigkeit zur weiteren Gestaltungsberatung verpflichtet war, weil es zunächst nur um die Beurteilungsfrage ging, ob die Klägerin mit den Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung an ihre Gesellschafter zu rechnen hatte.

b) Die gleiche Prüfungspflicht traf später die Beklagte zu 1 bei der von ihr übernommenen Anfertigung steuerlicher Jahresabschlüsse für die Klägerin. Auch die steuerlichen Gewinne der Klägerin konnten in ihrem Jahresabschluss nicht bilanziert werden, ohne zu klären, ob sich ihr Einkommen durch die Bezüge der Gesellschafter verringerte oder zum Teil nach § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG nicht gemindert wurde. Auch hier ergab sich aus dem Dauermandat zur Erstellung steuerlicher Jahresabschlüsse für die Klägerin die Pflicht, die Frage der verdeckten Gewinnausschüttungen an die Gesellschafter mit der Mandantin zu erörtern, weil sie sich innerhalb der bearbeiteten Mandatsangelegenheiten stellte. Dieser Pflicht will die Beklagte zu 1 allerdings durch den Steuerberater N.    schon im Januar 1997 in einer Weise nachgekommen sein, dass sie nach Ansicht des Berufungsgerichts damit den an sie gestellten Anforderungen genügt hatte. Auch dagegen wendet sich die Revision mit Recht.

Zweck der Steuerberatung ist es, die dem Auftraggeber fehlende Sach- und Rechtskunde auf diesem Gebiet zu ersetzen. Die pflichtmäßige Steuerberatung anlässlich der Aufstellung von Jahresabschlüssen und Erarbeitung von Steuererklärungen verlangt daher sachgerechte Hinweise über die Art, die Größe und die mögliche Höhe eines Steuerrisikos, um den Auftraggeber in die Lage zu versetzen, eigenverantwortlich seine Rechte und Interessen zu wahren und eine Fehlentscheidung in seinen steuerlichen Angelegenheiten vermeiden zu können. Der Auftraggeber muss imstande sein, nach den erhaltenen Hinweisen seine Interessen und erheblichen Steuerrisiken selbst abzuwägen (BGH, Urteil vom 20. Oktober 2005, aaO mwN). Je nach Umständen kann dies auch erst die Inanspruchnahme vertiefter steuerlicher Beratung bedeuten, sobald sich ihre Sachdienlichkeit herausstellt. Mit diesem Grundsatz hat sich das Berufungsgericht in Widerspruch gesetzt. Es ist offen, ob die Klägerin von der Beklagten zu 1 über die Art des Steuerrisikos aufgeklärt worden ist. Der Zeuge N.     hat in seiner Vernehmung auf Nachfrage eingeräumt, nicht mehr zu wissen, ob er gegenüber der Klägerin das Steuerrisiko als verdeckte Gewinnausschüttung bezeichnet habe. Ein Risikohinweis, der das Prüfungsergebnis durch das Finanzamt als offen darstellte, wie von dem Zeugen N.    geschildert, ist bei einer nach dem Stand der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung objektiv ungewissen Beurteilung der Rechtslage (BGH, aaO) geboten. Nur dann ist er auch sachgerecht. Führten der interne Vergleich mit der Geschäftsführervergütung der Klägerin und der Fremdvergleich der Gesellschafterbezüge indessen eindeutig, mit hoher Wahrscheinlichkeit oder Wahrscheinlichkeit zu dem Ergebnis, dass eine betriebliche Veranlassung für die hohen Bezüge einschließlich Versorgungszusagen nicht bestand, sondern ihr Grund im Gesellschaftsverhältnis zu suchen war, so musste diese Größe des Risikos aus dem erteilten Hinweis für die Auftraggeberin deutlich werden. Die Notwendigkeit eines Hinweises auf die Größe des Steuerrisikos und seine Unterlassung hat die Klägerin behauptet. Denn nach ihrem Vortrag zu den Vergleichsgrößen der Gesellschafterbezüge drängte sich die Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen jedenfalls der Beklagten zu 1 geradezu auf, deren Verdacht pflichtgemäß schon durch den internen Bezügevergleich geweckt war. Dem genügte die Beratung der Beklagten zu 1 nach ihrem eigenen Vortrag nicht. Die Beklagte zu 1 hat bisher auch nicht dargelegt, dass die Klägerin aus ihrem Hinweis den wirtschaftlichen Umfang (die Höhe) des gegebenen Steuerrisikos erkennen musste, wobei es nicht darauf ankam, den drohenden Steuernachteil genau zu beziffern.

Die Beklagte zu 1 kann ihre Pflichten auch dadurch verletzt haben, dass sie ihre Annahme verdeckter Gewinnausschüttungen nicht dem Geschäftsführer der Klägerin erläuterte, nachdem die angesprochene Buchhalterin den Hinweis auf das Risiko und die unsichere Beurteilung durch das Finanzamt als gegenstandslos abtat, weil die Angelegenheit der Gesellschafterbezüge bereits von dem Steuerberater F.     geprüft und für unschädlich erachtet worden sei. Ob eine solche Remonstration des steuerlichen Beraters in der Hierarchie der beratenen Gesellschaft geboten ist, hängt von den jeweiligen Umständen ab. In den vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang herangezogenen allgemeinen Grundsätzen der Wissenszurechnung erschöpft sich diese Fragestellung nicht. Im Streitfall lagen allerdings besondere Umstände vor, weil die Buchhalterin mit einem der beiden Familiengesellschafter verheiratet war und auch die Vertragsverhandlungen bei Beauftragung der Beklagten zu 1 selbständig geführt hatte. Sie besaß danach eine ungewöhnliche Vertrauensstellung und konnte der Beklagten zu 1 als rangangemessene Repräsentantin der Klägerin zur Entgegennahme der gebotenen Hinweise erscheinen, deren Unterrichtung es erübrigte, sich direkt an die Geschäftsleitung zu wenden. Die auch hier notwendige tatrichterliche Würdigung hat das Berufungsgericht nach seinem andersartigen Ausgangspunkt unterlassen. Sie kann im Revisionsverfahren nicht nachgeholt werden.

2. Die Haftung der Beklagten zu 2 kann nicht mit der Begründung verneint werden, der spätere erfolglose Hinweis der Beklagten zu 1 auf das Risiko verdeckter Gewinnausschüttungen habe den Zurechnungszusammenhang zwischen einer entsprechenden Pflichtverletzung des Steuerberaters F.    und dem geltend gemachten Steuerschaden unterbrochen. Diese Würdigung beider Tatrichter hat das Berufungsgericht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Juli 1994 (IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822) abgeleitet. Nach jener Entscheidung entfällt der Zurechnungszusammenhang zwischen einem Anwaltsfehler und dem entstandenen Schaden, wenn der Mandant aufgrund anderweitiger rechtlicher Beratung noch in der Lage ist, die ihm durch eine Pflichtverletzung seines Anwalts drohenden Nachteile abzuwenden, er die ihm dazu angeratene Maßnahme jedoch aus unvertretbaren Gründen unterlässt. Das Berufungsgericht hat bei seiner Subsumtion des Streitfalles unter diesen Grundsatz verkannt, dass die Klägerin nach ihrem Vorbringen zur Größe des Steuerrisikos verdeckter Gewinnausschüttungen auch im Jahre 1997 bei Mandatsübernahme der Beklagten zu 1 nicht ausreichend belehrt worden ist und die Fruchtlosigkeit des erteilten ungenügenden Hinweises nach dem Vortrag der Klägerin gerade auf der nachwirkenden Pflichtwidrigkeit des ersten Beraters beruhte, dessen Unbedenklichkeitserklärung sie weiterhin vertraute. Einen anderweitigen Sachverhalt hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, so dass er der revisionsrechtlichen Prüfung zugrunde zu legen ist. Danach hat die Klägerin nicht in unvertretbarer Weise oder aus völlig unsachgemäßen Gründen in den Geschehensablauf eingegriffen, der Zurechnungszusammenhang ist gewahrt.

III. Die Klagabweisung stellt sich im Verhältnis zu der Beklagten zu 2 auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO). Die von den Parteien im Revisionsverfahren nicht aufgegriffene Verjährungseinrede kann derzeit nicht abschließend beurteilt werden. Nach Art. 229 § 12 Abs. 1 Nr. 13, § 6 Abs. 1 und 3 EGBGB, § 68 StBerG aF ist die Verjährungsfrist im Streitfall mit der Bekanntgabe der Steuerbescheide vom 2. Juli 2002 an die Klägerin oder deren damaligen steuerlichen Berater angelaufen. In diesen Bescheiden verdichtete sich erstmals das Steuerrisiko der Klägerin aus den verdeckten Gewinnausschüttungen an ihre Gesellschafter zu einem Schaden. Darauf, ob die Klägerin schon vorher eine Feststellungsklage wegen der behaupteten vermögensgefährdenden Pflichtverletzung des Steuerberaters F.      erheben konnte, kommt es nach der seit dem Urteil vom 2. Juli 1992 (IX ZR 268/91, BGHZ 119, 69, 71) vom Bundesgerichtshof für die Beraterhaftung in ständiger Rechtsprechung angewendeten Risiko-Schaden-Formel nicht an. Die Beklagte zu 2 hat allerdings trotz Hinweises des Landgerichts den Tag der Bekanntgabe der genannten Steuerbescheide nicht vorgetragen. Auch die Klägerin hat nicht vorgetragen, wann ihr Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung gegen die Beklagte zu 2 vom 3. Juli 2005 bei dem Hanseatischen Oberlandesgericht in Hamburg eingegangen ist und nach § 204 Abs. 1 Nr. 13 BGB die laufende Verjährungsfrist gehemmt hat. Sie hat ferner nicht vorgetragen, wann ihre an das Landgericht Kiel gerichtete Klageschrift vom 30. Juni 2005 gegen die Beklagte zu 2 bei Gericht eingegangen und der Gegnerin zugestellt worden ist. Nach dem Grundsatz der verjährungsrechtlichen Schadenseinheit kann hierdurch bereits unabhängig von der Gerichtsstandsbestimmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB die für die Beklagte zu 2 laufende Verjährungsfrist gehemmt worden sein.

IV. Der Rechtsstreit ist in der Sache selbst nicht spruchreif. Die Tatsacheninstanzen haben, von ihrem Standpunkt aus folgerichtig, keine Feststellungen zum Vorliegen verdeckter Gewinnausschüttungen und der Sicherheit dieser Beurteilung unter tatsächlicher Einbeziehung des Fremdvergleichs, zur haftungsausfüllenden Kausalität und zum Schaden der Klägerin getroffen. Dies hat das Berufungsgericht nachzuholen, soweit es infolge der Zurückverweisung entscheidungserheblich ist. Hierbei ist der Regressrichter an die steuerrechtliche Beurteilung der Finanzverwaltung nicht gebunden, sondern hat den Tatbestand in eigener Verantwortung zu prüfen. Nachzuholen ist auch die unzureichende Würdigung des Verhaltens der Beklagten zu 1, soweit die Feststellung der haftungsausfüllenden Kausalität oder eines Mitverschuldens der Klägerin davon abhängt, ob ein inhaltlich genügender Hinweis auf die Größe des Steuerrisikos nicht nur der Buchhalterin, sondern der Geschäftsleitung der Klägerin unmittelbar vorgetragen worden wäre.

BGH, Urteil vom 23.02.12, IX ZR 92/08, DB 2012, 799
 


 

 

05.06.2012, Christian Gercke

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