BFH: Besteuerung schwarzer Fonds aus Drittstaaten gemeinschaftsrechtswidrig; Wegzugsteuer verfassungsgemäß

Leitsätze
2. Die sog. Wegzugsteuer nach § 6 Abs. 1 AStG i.d.F. bis zur Änderung durch das SEStEG vom 7. Dezember 2006 i.V.m. § 6 Abs. 5, § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG i.d.F. der Änderungen durch das SEStEG verstößt weder gegen Abkommensrecht noch Gemeinschaftsrecht oder gegen Verfassungsrecht.

3. Die pauschale Besteuerung von Erträgen aus im Inland nicht registrierten ausländischen Investmentfonds (sog. "schwarzen" Fonds) gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstößt auch im Hinblick auf Fonds aus Staaten, die nicht Mitglied von EU oder EWR sind, gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit.


Aus den Gründen:

C.
4. Die Kläger haben den Vermögenszuwachs der von ihnen zum Wegzugszeitpunkt gehaltenen Anteile an der A-AG und an der B-AG nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 AStG i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, berichtigt BGBl I 2007, 68) --AStG a.F.-- i.V.m. § 6 Abs. 5, § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG i.d.F. des SEStEG --AStG n.F.-- zu versteuern. Die diesbezüglichen Erwägungen des FG halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG 1997 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet, auf Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG 1997 im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

b) Die Voraussetzungen dieser sog. Wegzugsteuer sind im Streitfall erfüllt: Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Kläger vor ihrem Wegzug mindestens zehn Jahre im Inland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Im Streitjahr 1998 sind die Kläger nach Belgien verzogen und damit aus ihrer inländischen unbeschränkten Steuerpflicht ausgeschieden. Sie waren im Wegzugszeitpunkt an den inländischen Kapitalgesellschaften A-AG und B-AG beteiligt. Aus den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz folgt zudem, dass die Kläger in den letzten fünf Jahren vor dem Wegzugszeitpunkt i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 EStG 1997 wesentlich an beiden Gesellschaften beteiligt waren. Auf die Ausführungen zu C.II.1.b wird Bezug genommen.

c) Die Anwendung der Wegzugsbesteuerung auf die im Jahr 1998 erfolgte Aufgabe des Wohnsitzes nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 AStG a.F. i.V.m. § 6 Abs. 5, § 21 Abs. 13 AStG n.F. verstößt weder gegen Abkommensrecht noch gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EGV--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --EG--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997 Nr. C-340, 1); sie wirkt auch nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurück und steht den Rechtsstaatserfordernissen des Art. 20 Abs. 3 GG nicht entgegen. Der Senat hat das nach summarischer Prüfung in dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Senatsbeschluss vom 23. September 2008 I B 92/08 (BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524) --auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird-- begründet und bekräftigt seine Auffassung nach nochmaliger Prüfung; die dort für einen Wegzug nach Portugal gefundene Lösung ist gleichermaßen einschlägig für den in den Streitfällen in Rede stehenden Wegzug nach Belgien und die dafür gegebene, insoweit parallele Abkommenslage nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 3 (i.V.m. dem dazu ergangenen Schlussprotokoll) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regulierung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 (BGBl II 1968, 18, BStBl I 1969, 39) i.d.F. des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 (BGBl II 2003, 1616) --DBA-Belgien--. Die Einwände, welche aus unterschiedlichen Gründen im Schrifttum gegen den zitierten Senatsbeschluss erhoben worden sind (...), ändern an dieser Einschätzung nichts; sie wurden in der Sache bereits sämtlich in dem Senatsbeschluss in BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524 erwogen.

Insbesondere hält der Senat daran fest, dass das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift grundsätzlich nicht schützenswert sein kann. Ein schützenswertes Vertrauen kann nicht weiter reichen, als der aus dem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht folgende Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts reicht; in dem Umfang, in dem die Norm ohne Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht angewendet werden kann, besteht deshalb kein Raum für einen Vertrauensschutz. Ein anderes Ergebnis ergibt sich für die Streitfälle nicht aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der verfahrensgegenständlichen Klagen im Jahr 2002 die gesetzlichen Modifikationen des § 6 AStG a.F. durch die Regelungen des SEStEG noch nicht existiert haben, § 6 AStG a.F. deshalb möglicherweise wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit nicht anwendbar war (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524) und die Klagen folglich ursprünglich begründet gewesen sein könnten. Dem durch die Modifikationen des SEStEG bewirkten nachträglichen Wegfall der bis dahin möglicherweise bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Anwendungssperre --einem erledigenden Ereignis i.S. von § 138 Abs. 1 FGO-- hätten die Kläger prozessual durch eine Einschränkung ihrer Klageanträge Rechnung tragen können, um drohende Kostennachteile zu vermeiden. Für die Kostenentscheidung wäre es dann ggf. auf die Rechtslage vor der Gesetzesänderung angekommen (§ 138 Abs. 1 FGO).

d) Es ist für die Entscheidung der Streitfälle ebenfalls nicht von Bedeutung, dass das FA die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Steuern --soweit sie auf § 6 AStG a.F. beruhen-- tatsächlich nicht gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F. (i.V.m. § 222 AO) gestundet hat. Denn die Stundung wäre aufgrund des im Jahr 2001 erfolgten Wegzugs der Kläger aus Belgien in die Schweiz --die weder der Europäischen Union angehört noch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist-- sogleich zu widerrufen, § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 4 AStG n.F. (i.V.m. § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO). Dieser gesetzlich angeordnete Widerruf beim anschließenden Umzug in einen Drittstaat begegnet seinerseits jedenfalls in Anbetracht der in den Streitfällen zu beurteilenden Situation keinen durchgreifenden europarechtlichen Bedenken. Zwar wird im Schrifttum überlegt, die in § 6 Abs. 5 AStG n.F. für EU/EWR-Staatsangehörige gewährten Erleichterungen auch in sog. Drittstaatenfällen anzuwenden (…). Letzteres wäre indes nur möglich, falls in der "Wegzugsbesteuerung" ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73b EGV, jetzt Art. 56 EG) gesehen würde, was jedoch für die Streitjahre ausscheidet, weil § 17 EStG in jenen Jahren eine qualifizierte "wesentliche" Beteiligung von 25 v.H. an der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft verlangte; bei derartigen Beteiligungsvoraussetzungen wird die grundsätzlich anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit aber von der vorrangigen Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) verdrängt (…). Schließlich bringt im Streitfall auch das zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit geschlossene Abkommen vom 21. Juni 1999 (ABlEG 2002 Nr. L 114, 6, BGBl II 2001, 811), umgesetzt durch Gesetz vom 2. September 2001 (BGBl II 2001, 810), den Klägern keinen weiteren Vorteil. Dieses Abkommen erweitert zwar die Reichweite der allgemeinen Freizügigkeit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Schweiz und könnte deswegen auch für § 6 AStG einschlägig sein (...). Das Abkommen ist aber erst mit Wirkung vom 1. Juni 2002 an anzuwenden; die Kläger sind nach den tatrichterlichen Feststellungen jedoch bereits im März 2001 von Belgien in die Schweiz verzogen.

Inwieweit sich die Notwendigkeit einer zwischenzeitlichen Stundung auf die Entstehung von Säumniszuschlägen (vgl. § 240 AO) auswirkt und ob diese ggf. --vollständig oder teilweise-- erlassen werden müssen, kann im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden.

e) Den Angriffen der Revisionen hält das angefochtene Urteil auch im Hinblick auf die Ermittlung des Vermögenszuwachses als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nach § 6 AStG a.F. stand.

aa) Das FG durfte bei der Ermittlung des Wertes der nicht börsennotierten Inhaberaktien der Kläger an der A-AG und an der B-AG auf den Börsenkurs der in den USA gehandelten Aktienzertifikate (ADR) abstellen.

aaa) Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 AStG a.F. i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG 1997 ist als Vermögenszuwachs der Betrag anzusetzen, um den der gemeine Wert der Anteile im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht die Anschaffungskosten übersteigt. Gemäß § 11 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), der gemäß § 1 Abs. 1 BewG grundsätzlich auch im Bereich der Besteuerung nach dem Außensteuergesetz Anwendung findet, sind Wertpapiere, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs anzusetzen. Für Anteile an Kapitalgesellschaften, die --wie die in Rede stehenden Inhaberaktien der Kläger-- nicht an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, ist der gemeine Wert gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BewG grundsätzlich aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Erst wenn sich aufgrund dieser vorrangig durchzuführenden Wertermittlung der gemeine Wert der Aktien nicht feststellen lässt, ist der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BewG --der bis zur Einfügung des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG durch das SEStEG jedenfalls nicht ausdrücklich von der Anwendung im Bereich der Ertragsteuern ausgenommen war-- "unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft" zu schätzen (vgl. BFH-Urteile vom 5. März 1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591; vom 9. März 1994 II R 39/90, BFHE 173, 561, BStBl II 1994, 394; vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898); hierzu hat der BFH in ständiger Rechtsprechung das von der Finanzverwaltung zunächst in den Vermögensteuer-Richtlinien, ab 1999 dann in R 96 ff. der Erbschaftsteuer-Richtlinien vorgesehene Stuttgarter Verfahren als ein grundsätzlich geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt (...).

bbb) Entgegen der Sicht der Kläger ist im Falle der streitbefangenen Inhaberaktien eine Wertermittlung anhand von Verkäufen i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BewG möglich, so dass eine Wertermittlung nach dem Stuttgarter Verfahren ausscheidet. Zwar handelt es sich bei den Inhaberaktien und den ADR um verschiedene Anteilsgattungen. Jedoch lässt sich auch der Wert der Inhaberaktien nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG aus dem Börsenkurs der ADR zum Wegzugszeitpunkt ableiten. Denn danach handelte es sich bei den ADR um Zertifikate, die stellvertretend für die hinterlegten Aktien gehandelt wurden und deren Börsenkurse zum Wegzugszeitpunkt deshalb unter Berücksichtigung von Vermögen und Ertragsaussichten der Unternehmen den Wert widergespiegelt haben, den der freie Handel nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage einer Beteiligung an den Kapitalgesellschaften zum Stichtag beigemessen hat. Das FG hat sich insoweit zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des BFH bezogen, nach der der Kurs von nicht an der Börse notierten Aktien vom Börsenkurs börsennotierter Aktien abgeleitet werden kann (…).

Soweit die Kläger meinen, es bestehe im Vergleich zum BFH-Urteil in BFHE 173, 561, BStBl II 1994, 394 ein wesentlicher Unterschied darin, dass im Urteilsfall "ein nicht unerheblicher Teil" von Aktien börsennotiert war, während im Streitfall die für die ADR hinterlegten Inhaberaktien nur einen vergleichsweise geringen Teil der insgesamt vorhandenen Aktien ausgemacht hätten, ist dem nicht zu folgen. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz --und die Kläger haben einen solchen auch nicht substantiiert dargetan--, dass der Börsenkurs von nur mit einem geringen Teil seiner Aktien börsennotierten Unternehmen stets höher ist als er im Falle einer größeren Börsenkapitalisierung wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass der Grad der Börsenkapitalisierung ein für die Unternehmens- und Anteilsbewertung so gewichtiger Gesichtspunkt ist, dass aus der Sicht der Marktteilnehmer die Bedeutung der künftigen Ertragserwartungen des Unternehmens als maßgeblicher Bewertungsfaktor merklich dahinter zurücktritt. Soweit die Kläger wegen des "Überangebots" einen Kursverlust für den Fall prognostizieren, dass sämtliche ausgegebenen Inhaberaktien in handelbare ADR umgewandelt worden wären, so kommt es hierauf im Streitfall nicht an; denn weder der Kläger noch die Klägerin hatten zum Wegzugszeitpunkt sämtliche noch nicht hinterlegten Inhaberaktien der Gesellschaften inne. Im Übrigen besteht außerhalb des hier nicht berührten Bereichs von Kapitalerhöhungen auch kein Erfahrungssatz, nach dem der Kurs der bisher schon handelbaren Aktien zwangsläufig absinkt, wenn der bisher dem Börsenhandel entzogene Anteilsbestand zusätzlich auf den Markt kommt. Zwar können Aktienkäufe und -verkäufe auf den Aktienkurs zurückwirken. Wohin sich der Kurs jedoch entwickelt, lässt sich nicht für alle Unternehmen und für alle Situationen gleichförmig prognostizieren, sondern richtet sich nach den spezifischen Angebots- und Nachfragefaktoren im Einzelfall. Gründe dafür, dass in den Fällen der A-AG und der B-AG eine gedachte Veräußerung der von den Klägern gehaltenen Inhaberaktien zwingend zu einem Absinken des Kurswerts führen würde, haben die Kläger nicht dargetan und sind auch sonst nicht zu erkennen.

bb) Für die Ermittlung des Vermögenszuwachses kommt es nicht darauf an, ob die Kläger --was der Kläger für sich aufgrund amerikanischer Börsenvorschriften in Abrede stellt-- zum Wegzugszeitpunkt tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätten, ihre gesamten Inhaberaktien in ADR zu tauschen und zu veräußern. Denn die Besteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG a.F. knüpft als "Ersatztatbestand" für die nach § 17 EStG 1997 erforderliche Veräußerung ausschließlich an die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht an; eine hypothetische Veräußerungsmöglichkeit zum Stichtag ist weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach deren Sinn und Zweck erforderlich.

cc) Die weitere Kursentwicklung der Anteile an den beiden Kapitalgesellschaften nach dem Bewertungsstichtag ist für die Entscheidung der Streitfälle unerheblich. Ein nachträglicher Wertverfall kann zwar nach Maßgabe von § 6 Abs. 6 i.V.m. § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG n.F. im Falle der späteren Realisation berücksichtigt werden. Dass die Kläger die bei ihnen verbliebenen Wertpapiere im weiteren Verlauf veräußert hätten oder ein Wertverlust sich in anderer Weise realisiert hätte, ist jedoch weder vom FG festgestellt noch von den Klägern vorgetragen worden.

5. Im Hinblick auf die des Weiteren vom FG gebilligten Positionen der Änderungsbescheide, hinsichtlich derer die Kläger keine hinreichend begründeten Einwendungen vorgebracht haben (Einkünfte aus Kapitalvermögen, Kommissionsnachlässe auf Wertpapiergeschäfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, vgl. oben C.I.), sind Rechtsfehler nicht zu erkennen. Die diesbezüglichen Feststellungen des FG verstoßen nicht gegen Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze; die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen sind zutreffend.

III. Begründet sind die Revisionen hinsichtlich der Änderungsbescheide betreffend die Streitjahre 1994 (Klägerin) und 1995 (beide Kläger). Die Rechtsmittel führen insoweit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Rechtsstreite an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Im Hinblick auf die Besteuerung der Beteiligungen an den "schwarzen" Fonds können die angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben. Die pauschale Besteuerung von Erträgen aus "schwarzen" Fonds nach Maßgabe von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstößt gegen die in Art. 73b Abs. 1 EGV (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs auch zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern.

Nach der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (BFH-Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518) --die von der Finanzverwaltung über den Einzelfall hinaus angewendet wird (BMF-Schreiben vom 6. Juli 2009, BStBl I 2009, 770)-- verstößt die pauschale Besteuerung von Erträgen aus "schwarzen" Fonds aus Mitgliedstaaten der EU gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG offensichtlich gegen die gemeinschaftsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an und überträgt sie auf solche Fonds, die --wie diejenigen der Streitfälle-- nicht in EU- oder EWR-Mitgliedstaaten, sondern in dritten Ländern ansässig sind.

a) Die Gewährleistung der Kapitalverkehrsfreiheit durch Art. 73b Abs. 1 EGV auch für den Verkehr mit Drittstaaten ist in Bezug auf die Besteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht aufgrund der Bestandsschutzregelung (Stand-still-Klausel) in Art. 73c Abs. 1 Satz 1 EGV (jetzt Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG) ausgeschlossen. Danach berührt Art. 73b EGV nicht diejenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

aa) Bei den Fondsbeteiligungen der Kläger handelt es sich nicht um "Direktinvestitionen" i.S. des Art. 73c Abs. 1 Satz 1 EGV. Denn es besteht kein Anhalt dafür, dass die Beteiligungen den Klägern die Möglichkeit gegeben haben, sich tatsächlich an der Verwaltung der Fondsgesellschaft oder an dessen Kontrolle zu beteiligen (…).

bb) Auch steht der Besteuerungstatbestand des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht in Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen. Bei den in Art. 73c Abs. 1 Satz 1 EGV angesprochenen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der "Erbringung" von Finanzdienstleistungen handelt es sich um Bestimmungen, die die Durchführung und Überwachung von Finanzdienstleistungen durch Finanzinstitute --auch Kapitalanlagegesellschaften-- in den Mitgliedstaaten regeln (…), die sich also an den Finanzdienstleister richten und die Voraussetzungen bzw. die Art und Weise der Leistungserbringung regeln. Nur dies entspricht dem Zweck des Art. 73c Abs. 1 EGV, bestehende Beschränkungen gegenüber Drittstaaten aufrecht erhalten zu können, die sich auf solche Kapitalverkehrsvorgänge beziehen, bei deren Liberalisierung grundlegende Ziele des Allgemeininteresses eine besondere Berücksichtigung finden müssen (…). Nicht gemeint sein können damit Rechtsvorschriften über die Besteuerung von Erträgen aus Anlagen in Finanzprodukte beim Anleger (…) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes "bei summarischer Prüfung" geäußerte Auffassung, eine Verletzung des Art. 73b EGV durch die Pauschalbesteuerung einer Investition in eine Schweizer Kapitalanlagegesellschaft sei zu verneinen, weil die Kapitalanlagegesellschaft Finanzdienstleistungen i.S. von Art. 73c Abs. 1 EGV erbringe (…) hält damit einer eingehenderen Prüfung nicht stand.

b) Die Pauschalbesteuerung der Beteiligung an "schwarzen" Fonds gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG beschränkt die Freiheit des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Denn sie benachteiligt Investoren in ausländische Investmentfonds insofern, als die Einkünfte aus diesen Fonds zwingend einer Pauschalbesteuerung unterworfen werden, wenn der ausländische Fonds die in § 18 Abs. 1 AuslInvestmG genannten Besteuerungsgrundlagen nicht nachgewiesen und/oder keinen inländischen Vertreter bestellt hat, während die in den Streitjahren maßgebliche Vorschrift des § 39 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften eine vergleichbare Pauschalbesteuerung für die Inhaber von Anteilen an inländischen Investmentfonds nicht vorsah. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518. Die Gründe, derentwegen der VIII. Senat des BFH im dortigen Fall der Beteiligung an einem "schwarzen" Fonds eines EU-Mitgliedstaats eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 18 Abs. 3 AuslInvestmG bejaht hat, gelten gleichermaßen für die Beteiligung an einem Drittstaatenfonds. Denn die in Art. 73b Abs. 1 EGV verwendeten Begriffe des "Kapitalverkehrs" und der "Beschränkung" sind bei Binnenmarktsachverhalten in gleicher Weise auszulegen wie in Drittstaatensachverhalten (...).

c) Die die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkenden Regelungen des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sind im Hinblick auf Drittstaatensachverhalte nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

aa) Beschränkungen von Investitionen in Drittstaatenfonds müssen im Hinblick auf ihre Rechtfertigung allerdings grundsätzlich nicht nach dem gleichen Maßstab beurteilt werden wie solche von Investitionen in Fonds aus EU-Mitgliedstaaten. Nach der EuGH-Rechtsprechung kann aufgrund des Grades der unter den Mitgliedstaaten der EU bestehenden rechtlichen Integration, insbesondere angesichts der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern --Amtshilfe-Richtlinie-- (ABlEG 1997 Nr. L 336, 15), eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten aus einem bestimmten Grund gerechtfertigt sein, auch wenn dieser Grund keine überzeugende Rechtfertigung für eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten darstellen würde (....).

bb) Als Grund für eine unterschiedliche Behandlung kämen bei der Besteuerung von Erträgen aus Drittstaatenfonds die Erfordernisse einer wirksamen Steueraufsicht und Steuerkontrolle in Betracht, die auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung erfasst (…). Bei der Pauschalbesteuerung gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG handelt es sich um eine Sonderregelung, die Steuerumgehungen oder Steuerverkürzungen im Zusammenhang mit --insbesondere thesaurierenden-- ausländischen Investmentfonds verhindern soll, die sich einer deutschen Aufsicht entziehen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum AuslInvestmG, BTDrucks V/3494, S. 25, 26). Da es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn ein Mitgliedstaat geeignete Maßnahmen trifft, um die tatsächliche Erfassung der Besteuerungsgrundlagen sicherzustellen, ist das mit § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verfolgte Ziel geeignet, eine unterschiedliche Behandlung von Auslandsinvestitionen im Vergleich zu Inlandssachverhalten zu rechtfertigen. Die Amtshilfe-Richtlinie, die der VIII. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518 einer auf diesen Aspekt gestützten Rechtfertigung für den Binnenmarktsachverhalt entgegengesetzt hat, lässt sich für Drittstaatensachverhalte nicht dienstbar machen.

cc) Jedoch setzt die Rechtfertigung einer den freien Kapitalverkehr beschränkenden Maßnahme zudem voraus, dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und nicht über das Erforderliche hinausgeht (...). Das gilt auch für die den Kapitalverkehr mit Drittstaaten beschränkenden Maßnahmen (…).

Dem Verhältnismäßigkeitserfordernis wird die Pauschalbesteuerung der Beteiligung an ausländischen "schwarzen" Fonds, wie sie in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG konkret ausgestaltet war, nicht gerecht. Der VIII. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518 --auf das wiederum Bezug genommen wird-- begründet, warum sowohl der generelle Ausschluss eines Nachweises der tatsächlich erzielten Erträge, als auch das Verbot einer individuellen Schätzung der Erträge durch das FA nach § 162 AO und schließlich auch die Höhe der in § 18 Abs. 3 Sätze 1 und 4 AuslInvestmG gesetzlich festgelegten Pauschalen offenkundig nicht erforderlich sind, um eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip genügende Besteuerung der Erträge aus den Fonds zu erreichen (…). Der Senat schließt sich diesen Erwägungen, die im Zusammenhang mit der Beurteilung von Drittstaatensachverhalten nicht wesentlich anders ausfallen können, an; der entgegenstehenden Verwaltungspraxis, wie sie im BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 770 zum Ausdruck kommt, ist nicht beizupflichten.

dd) Der Senat hält die Gemeinschaftsrechtslage insoweit für eindeutig. Sie entspricht der Rechtsprechung des EuGH, so dass es einer Vorlage gemäß Art. 234 EG nicht bedarf (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 283/81, "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415). Das gilt auch angesichts des Auffassungsunterschieds zum Beschluss des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 2006, 508 hinsichtlich der Reichweite der Bestandsschutzklausel des Art. 73c Abs. 1 EGV; denn es handelte sich dabei ausdrücklich nur um eine vorläufige, nicht näher verifizierte --und im Übrigen die Entscheidung nicht tragende-- Äußerung des VIII. Senats in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Zugleich kommt es auf die vom BFH in jenem Beschluss aufgeworfene, weiter gehende Frage danach, ob § 18 Abs. 3 Satz 4 AuslInvestmG gleichheitsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügt, nicht mehr an.

BFH-Urteil vom 25.08.09 I R 88/07 und 89/07
www.bundesfinanzhof.de
 

 

06.11.2009, Christoph Witte

Leitsätze
2. Die sog. Wegzugsteuer nach § 6 Abs. 1 AStG i.d.F. bis zur Änderung durch das SEStEG vom 7. Dezember 2006 i.V.m. § 6 Abs. 5, § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG i.d.F. der Änderungen durch das SEStEG verstößt weder gegen Abkommensrecht noch Gemeinschaftsrecht oder gegen Verfassungsrecht.

3. Die pauschale Besteuerung von Erträgen aus im Inland nicht registrierten ausländischen Investmentfonds (sog. "schwarzen" Fonds) gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstößt auch im Hinblick auf Fonds aus Staaten, die nicht Mitglied von EU oder EWR sind, gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Kapitalverkehrsfreiheit.


Aus den Gründen:

C.
4. Die Kläger haben den Vermögenszuwachs der von ihnen zum Wegzugszeitpunkt gehaltenen Anteile an der A-AG und an der B-AG nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 AStG i.d.F. bis zur Änderung durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2782, berichtigt BGBl I 2007, 68) --AStG a.F.-- i.V.m. § 6 Abs. 5, § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG i.d.F. des SEStEG --AStG n.F.-- zu versteuern. Die diesbezüglichen Erwägungen des FG halten der revisionsrechtlichen Prüfung stand.

a) Nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AStG a.F. ist bei einer natürlichen Person, die insgesamt mindestens zehn Jahre nach § 1 Abs. 1 EStG 1997 unbeschränkt einkommensteuerpflichtig war und deren unbeschränkte Steuerpflicht durch Aufgabe des Wohnsitzes oder gewöhnlichen Aufenthaltes endet, auf Anteile an einer inländischen Kapitalgesellschaft § 17 EStG 1997 im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht auch ohne Veräußerung anzuwenden, wenn im Übrigen für die Anteile zu diesem Zeitpunkt die Voraussetzungen dieser Vorschrift erfüllt sind.

b) Die Voraussetzungen dieser sog. Wegzugsteuer sind im Streitfall erfüllt: Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, dass die Kläger vor ihrem Wegzug mindestens zehn Jahre im Inland unbeschränkt steuerpflichtig waren. Im Streitjahr 1998 sind die Kläger nach Belgien verzogen und damit aus ihrer inländischen unbeschränkten Steuerpflicht ausgeschieden. Sie waren im Wegzugszeitpunkt an den inländischen Kapitalgesellschaften A-AG und B-AG beteiligt. Aus den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen der Vorinstanz folgt zudem, dass die Kläger in den letzten fünf Jahren vor dem Wegzugszeitpunkt i.S. von § 17 Abs. 1 Satz 1, Satz 4 EStG 1997 wesentlich an beiden Gesellschaften beteiligt waren. Auf die Ausführungen zu C.II.1.b wird Bezug genommen.

c) Die Anwendung der Wegzugsbesteuerung auf die im Jahr 1998 erfolgte Aufgabe des Wohnsitzes nach Maßgabe von § 6 Abs. 1 AStG a.F. i.V.m. § 6 Abs. 5, § 21 Abs. 13 AStG n.F. verstößt weder gegen Abkommensrecht noch gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit (Art. 43 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften --EGV--, sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte --EG--, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1997 Nr. C-340, 1); sie wirkt auch nicht in verfassungsrechtlich unzulässiger Weise zurück und steht den Rechtsstaatserfordernissen des Art. 20 Abs. 3 GG nicht entgegen. Der Senat hat das nach summarischer Prüfung in dem im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ergangenen Senatsbeschluss vom 23. September 2008 I B 92/08 (BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524) --auf den zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird-- begründet und bekräftigt seine Auffassung nach nochmaliger Prüfung; die dort für einen Wegzug nach Portugal gefundene Lösung ist gleichermaßen einschlägig für den in den Streitfällen in Rede stehenden Wegzug nach Belgien und die dafür gegebene, insoweit parallele Abkommenslage nach Maßgabe von Art. 13 Abs. 3 (i.V.m. dem dazu ergangenen Schlussprotokoll) des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Regulierung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern vom 11. April 1967 (BGBl II 1968, 18, BStBl I 1969, 39) i.d.F. des Zusatzabkommens vom 5. November 2002 (BGBl II 2003, 1616) --DBA-Belgien--. Die Einwände, welche aus unterschiedlichen Gründen im Schrifttum gegen den zitierten Senatsbeschluss erhoben worden sind (...), ändern an dieser Einschätzung nichts; sie wurden in der Sache bereits sämtlich in dem Senatsbeschluss in BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524 erwogen.

Insbesondere hält der Senat daran fest, dass das Vertrauen des Steuerpflichtigen auf die Gemeinschaftsrechtswidrigkeit einer innerstaatlichen Vorschrift grundsätzlich nicht schützenswert sein kann. Ein schützenswertes Vertrauen kann nicht weiter reichen, als der aus dem Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht folgende Anwendungsvorrang des Gemeinschaftsrechts reicht; in dem Umfang, in dem die Norm ohne Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht angewendet werden kann, besteht deshalb kein Raum für einen Vertrauensschutz. Ein anderes Ergebnis ergibt sich für die Streitfälle nicht aus dem Umstand, dass zum Zeitpunkt der Erhebung der verfahrensgegenständlichen Klagen im Jahr 2002 die gesetzlichen Modifikationen des § 6 AStG a.F. durch die Regelungen des SEStEG noch nicht existiert haben, § 6 AStG a.F. deshalb möglicherweise wegen Verstoßes gegen die gemeinschaftsrechtlich verbürgte Niederlassungsfreiheit nicht anwendbar war (vgl. Senatsbeschluss in BFHE 223, 73, BStBl II 2009, 524) und die Klagen folglich ursprünglich begründet gewesen sein könnten. Dem durch die Modifikationen des SEStEG bewirkten nachträglichen Wegfall der bis dahin möglicherweise bestehenden gemeinschaftsrechtlichen Anwendungssperre --einem erledigenden Ereignis i.S. von § 138 Abs. 1 FGO-- hätten die Kläger prozessual durch eine Einschränkung ihrer Klageanträge Rechnung tragen können, um drohende Kostennachteile zu vermeiden. Für die Kostenentscheidung wäre es dann ggf. auf die Rechtslage vor der Gesetzesänderung angekommen (§ 138 Abs. 1 FGO).

d) Es ist für die Entscheidung der Streitfälle ebenfalls nicht von Bedeutung, dass das FA die in den angefochtenen Bescheiden festgesetzten Steuern --soweit sie auf § 6 AStG a.F. beruhen-- tatsächlich nicht gemäß § 6 Abs. 5 Satz 1 AStG n.F. (i.V.m. § 222 AO) gestundet hat. Denn die Stundung wäre aufgrund des im Jahr 2001 erfolgten Wegzugs der Kläger aus Belgien in die Schweiz --die weder der Europäischen Union angehört noch Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) ist-- sogleich zu widerrufen, § 6 Abs. 5 Satz 4 Nr. 4 AStG n.F. (i.V.m. § 131 Abs. 2 Nr. 1 AO). Dieser gesetzlich angeordnete Widerruf beim anschließenden Umzug in einen Drittstaat begegnet seinerseits jedenfalls in Anbetracht der in den Streitfällen zu beurteilenden Situation keinen durchgreifenden europarechtlichen Bedenken. Zwar wird im Schrifttum überlegt, die in § 6 Abs. 5 AStG n.F. für EU/EWR-Staatsangehörige gewährten Erleichterungen auch in sog. Drittstaatenfällen anzuwenden (…). Letzteres wäre indes nur möglich, falls in der "Wegzugsbesteuerung" ein Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 73b EGV, jetzt Art. 56 EG) gesehen würde, was jedoch für die Streitjahre ausscheidet, weil § 17 EStG in jenen Jahren eine qualifizierte "wesentliche" Beteiligung von 25 v.H. an der unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft verlangte; bei derartigen Beteiligungsvoraussetzungen wird die grundsätzlich anwendbare Kapitalverkehrsfreiheit aber von der vorrangigen Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 52 EGV (jetzt Art. 43 EG) verdrängt (…). Schließlich bringt im Streitfall auch das zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit geschlossene Abkommen vom 21. Juni 1999 (ABlEG 2002 Nr. L 114, 6, BGBl II 2001, 811), umgesetzt durch Gesetz vom 2. September 2001 (BGBl II 2001, 810), den Klägern keinen weiteren Vorteil. Dieses Abkommen erweitert zwar die Reichweite der allgemeinen Freizügigkeit, der Arbeitnehmerfreizügigkeit und der Niederlassungsfreiheit natürlicher Personen unter bestimmten Voraussetzungen auf die Schweiz und könnte deswegen auch für § 6 AStG einschlägig sein (...). Das Abkommen ist aber erst mit Wirkung vom 1. Juni 2002 an anzuwenden; die Kläger sind nach den tatrichterlichen Feststellungen jedoch bereits im März 2001 von Belgien in die Schweiz verzogen.

Inwieweit sich die Notwendigkeit einer zwischenzeitlichen Stundung auf die Entstehung von Säumniszuschlägen (vgl. § 240 AO) auswirkt und ob diese ggf. --vollständig oder teilweise-- erlassen werden müssen, kann im vorliegenden Verfahren nicht geklärt werden.

e) Den Angriffen der Revisionen hält das angefochtene Urteil auch im Hinblick auf die Ermittlung des Vermögenszuwachses als Bemessungsgrundlage für die Besteuerung nach § 6 AStG a.F. stand.

aa) Das FG durfte bei der Ermittlung des Wertes der nicht börsennotierten Inhaberaktien der Kläger an der A-AG und an der B-AG auf den Börsenkurs der in den USA gehandelten Aktienzertifikate (ADR) abstellen.

aaa) Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 3 AStG a.F. i.V.m. § 17 Abs. 2 EStG 1997 ist als Vermögenszuwachs der Betrag anzusetzen, um den der gemeine Wert der Anteile im Zeitpunkt der Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht die Anschaffungskosten übersteigt. Gemäß § 11 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG), der gemäß § 1 Abs. 1 BewG grundsätzlich auch im Bereich der Besteuerung nach dem Außensteuergesetz Anwendung findet, sind Wertpapiere, die am Stichtag an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, mit dem niedrigsten am Stichtag für sie im amtlichen Handel notierten Kurs anzusetzen. Für Anteile an Kapitalgesellschaften, die --wie die in Rede stehenden Inhaberaktien der Kläger-- nicht an einer deutschen Börse zum amtlichen Handel zugelassen sind, ist der gemeine Wert gemäß § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BewG grundsätzlich aus Verkäufen abzuleiten, die weniger als ein Jahr zurückliegen. Erst wenn sich aufgrund dieser vorrangig durchzuführenden Wertermittlung der gemeine Wert der Aktien nicht feststellen lässt, ist der gemeine Wert nach § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 BewG --der bis zur Einfügung des § 11 Abs. 2 Satz 3 BewG durch das SEStEG jedenfalls nicht ausdrücklich von der Anwendung im Bereich der Ertragsteuern ausgenommen war-- "unter Berücksichtigung des Vermögens und der Ertragsaussichten der Kapitalgesellschaft" zu schätzen (vgl. BFH-Urteile vom 5. März 1986 II R 232/82, BFHE 146, 460, BStBl II 1986, 591; vom 9. März 1994 II R 39/90, BFHE 173, 561, BStBl II 1994, 394; vom 1. Februar 2007 VI R 72/05, BFH/NV 2007, 898); hierzu hat der BFH in ständiger Rechtsprechung das von der Finanzverwaltung zunächst in den Vermögensteuer-Richtlinien, ab 1999 dann in R 96 ff. der Erbschaftsteuer-Richtlinien vorgesehene Stuttgarter Verfahren als ein grundsätzlich geeignetes Schätzungsverfahren anerkannt (...).

bbb) Entgegen der Sicht der Kläger ist im Falle der streitbefangenen Inhaberaktien eine Wertermittlung anhand von Verkäufen i.S. von § 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 BewG möglich, so dass eine Wertermittlung nach dem Stuttgarter Verfahren ausscheidet. Zwar handelt es sich bei den Inhaberaktien und den ADR um verschiedene Anteilsgattungen. Jedoch lässt sich auch der Wert der Inhaberaktien nach den nicht zu beanstandenden Feststellungen des FG aus dem Börsenkurs der ADR zum Wegzugszeitpunkt ableiten. Denn danach handelte es sich bei den ADR um Zertifikate, die stellvertretend für die hinterlegten Aktien gehandelt wurden und deren Börsenkurse zum Wegzugszeitpunkt deshalb unter Berücksichtigung von Vermögen und Ertragsaussichten der Unternehmen den Wert widergespiegelt haben, den der freie Handel nach den marktwirtschaftlichen Grundsätzen von Angebot und Nachfrage einer Beteiligung an den Kapitalgesellschaften zum Stichtag beigemessen hat. Das FG hat sich insoweit zu Recht auf die ständige Rechtsprechung des BFH bezogen, nach der der Kurs von nicht an der Börse notierten Aktien vom Börsenkurs börsennotierter Aktien abgeleitet werden kann (…).

Soweit die Kläger meinen, es bestehe im Vergleich zum BFH-Urteil in BFHE 173, 561, BStBl II 1994, 394 ein wesentlicher Unterschied darin, dass im Urteilsfall "ein nicht unerheblicher Teil" von Aktien börsennotiert war, während im Streitfall die für die ADR hinterlegten Inhaberaktien nur einen vergleichsweise geringen Teil der insgesamt vorhandenen Aktien ausgemacht hätten, ist dem nicht zu folgen. Es besteht kein allgemeiner Erfahrungssatz --und die Kläger haben einen solchen auch nicht substantiiert dargetan--, dass der Börsenkurs von nur mit einem geringen Teil seiner Aktien börsennotierten Unternehmen stets höher ist als er im Falle einer größeren Börsenkapitalisierung wäre. Es ist nicht ersichtlich, dass der Grad der Börsenkapitalisierung ein für die Unternehmens- und Anteilsbewertung so gewichtiger Gesichtspunkt ist, dass aus der Sicht der Marktteilnehmer die Bedeutung der künftigen Ertragserwartungen des Unternehmens als maßgeblicher Bewertungsfaktor merklich dahinter zurücktritt. Soweit die Kläger wegen des "Überangebots" einen Kursverlust für den Fall prognostizieren, dass sämtliche ausgegebenen Inhaberaktien in handelbare ADR umgewandelt worden wären, so kommt es hierauf im Streitfall nicht an; denn weder der Kläger noch die Klägerin hatten zum Wegzugszeitpunkt sämtliche noch nicht hinterlegten Inhaberaktien der Gesellschaften inne. Im Übrigen besteht außerhalb des hier nicht berührten Bereichs von Kapitalerhöhungen auch kein Erfahrungssatz, nach dem der Kurs der bisher schon handelbaren Aktien zwangsläufig absinkt, wenn der bisher dem Börsenhandel entzogene Anteilsbestand zusätzlich auf den Markt kommt. Zwar können Aktienkäufe und -verkäufe auf den Aktienkurs zurückwirken. Wohin sich der Kurs jedoch entwickelt, lässt sich nicht für alle Unternehmen und für alle Situationen gleichförmig prognostizieren, sondern richtet sich nach den spezifischen Angebots- und Nachfragefaktoren im Einzelfall. Gründe dafür, dass in den Fällen der A-AG und der B-AG eine gedachte Veräußerung der von den Klägern gehaltenen Inhaberaktien zwingend zu einem Absinken des Kurswerts führen würde, haben die Kläger nicht dargetan und sind auch sonst nicht zu erkennen.

bb) Für die Ermittlung des Vermögenszuwachses kommt es nicht darauf an, ob die Kläger --was der Kläger für sich aufgrund amerikanischer Börsenvorschriften in Abrede stellt-- zum Wegzugszeitpunkt tatsächlich die Möglichkeit gehabt hätten, ihre gesamten Inhaberaktien in ADR zu tauschen und zu veräußern. Denn die Besteuerung nach § 6 Abs. 1 AStG a.F. knüpft als "Ersatztatbestand" für die nach § 17 EStG 1997 erforderliche Veräußerung ausschließlich an die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht an; eine hypothetische Veräußerungsmöglichkeit zum Stichtag ist weder nach dem Wortlaut der Vorschrift noch nach deren Sinn und Zweck erforderlich.

cc) Die weitere Kursentwicklung der Anteile an den beiden Kapitalgesellschaften nach dem Bewertungsstichtag ist für die Entscheidung der Streitfälle unerheblich. Ein nachträglicher Wertverfall kann zwar nach Maßgabe von § 6 Abs. 6 i.V.m. § 21 Abs. 13 Satz 2 AStG n.F. im Falle der späteren Realisation berücksichtigt werden. Dass die Kläger die bei ihnen verbliebenen Wertpapiere im weiteren Verlauf veräußert hätten oder ein Wertverlust sich in anderer Weise realisiert hätte, ist jedoch weder vom FG festgestellt noch von den Klägern vorgetragen worden.

5. Im Hinblick auf die des Weiteren vom FG gebilligten Positionen der Änderungsbescheide, hinsichtlich derer die Kläger keine hinreichend begründeten Einwendungen vorgebracht haben (Einkünfte aus Kapitalvermögen, Kommissionsnachlässe auf Wertpapiergeschäfte als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, vgl. oben C.I.), sind Rechtsfehler nicht zu erkennen. Die diesbezüglichen Feststellungen des FG verstoßen nicht gegen Schätzungsgrundsätze, Denkgesetze oder Erfahrungssätze; die daraus gezogenen rechtlichen Schlussfolgerungen sind zutreffend.

III. Begründet sind die Revisionen hinsichtlich der Änderungsbescheide betreffend die Streitjahre 1994 (Klägerin) und 1995 (beide Kläger). Die Rechtsmittel führen insoweit gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO zur Aufhebung der angefochtenen Urteile und zur Zurückverweisung der Rechtsstreite an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.

1. Im Hinblick auf die Besteuerung der Beteiligungen an den "schwarzen" Fonds können die angefochtenen Bescheide keinen Bestand haben. Die pauschale Besteuerung von Erträgen aus "schwarzen" Fonds nach Maßgabe von § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verstößt gegen die in Art. 73b Abs. 1 EGV (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) verbürgte Freiheit des Kapitalverkehrs auch zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern.

Nach der Rechtsprechung des VIII. Senats des BFH (BFH-Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518) --die von der Finanzverwaltung über den Einzelfall hinaus angewendet wird (BMF-Schreiben vom 6. Juli 2009, BStBl I 2009, 770)-- verstößt die pauschale Besteuerung von Erträgen aus "schwarzen" Fonds aus Mitgliedstaaten der EU gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG offensichtlich gegen die gemeinschaftsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an und überträgt sie auf solche Fonds, die --wie diejenigen der Streitfälle-- nicht in EU- oder EWR-Mitgliedstaaten, sondern in dritten Ländern ansässig sind.

a) Die Gewährleistung der Kapitalverkehrsfreiheit durch Art. 73b Abs. 1 EGV auch für den Verkehr mit Drittstaaten ist in Bezug auf die Besteuerung nach § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht aufgrund der Bestandsschutzregelung (Stand-still-Klausel) in Art. 73c Abs. 1 Satz 1 EGV (jetzt Art. 57 Abs. 1 Satz 1 EG) ausgeschlossen. Danach berührt Art. 73b EGV nicht diejenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31. Dezember 1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

aa) Bei den Fondsbeteiligungen der Kläger handelt es sich nicht um "Direktinvestitionen" i.S. des Art. 73c Abs. 1 Satz 1 EGV. Denn es besteht kein Anhalt dafür, dass die Beteiligungen den Klägern die Möglichkeit gegeben haben, sich tatsächlich an der Verwaltung der Fondsgesellschaft oder an dessen Kontrolle zu beteiligen (…).

bb) Auch steht der Besteuerungstatbestand des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG nicht in Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen. Bei den in Art. 73c Abs. 1 Satz 1 EGV angesprochenen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit der "Erbringung" von Finanzdienstleistungen handelt es sich um Bestimmungen, die die Durchführung und Überwachung von Finanzdienstleistungen durch Finanzinstitute --auch Kapitalanlagegesellschaften-- in den Mitgliedstaaten regeln (…), die sich also an den Finanzdienstleister richten und die Voraussetzungen bzw. die Art und Weise der Leistungserbringung regeln. Nur dies entspricht dem Zweck des Art. 73c Abs. 1 EGV, bestehende Beschränkungen gegenüber Drittstaaten aufrecht erhalten zu können, die sich auf solche Kapitalverkehrsvorgänge beziehen, bei deren Liberalisierung grundlegende Ziele des Allgemeininteresses eine besondere Berücksichtigung finden müssen (…). Nicht gemeint sein können damit Rechtsvorschriften über die Besteuerung von Erträgen aus Anlagen in Finanzprodukte beim Anleger (…) in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes "bei summarischer Prüfung" geäußerte Auffassung, eine Verletzung des Art. 73b EGV durch die Pauschalbesteuerung einer Investition in eine Schweizer Kapitalanlagegesellschaft sei zu verneinen, weil die Kapitalanlagegesellschaft Finanzdienstleistungen i.S. von Art. 73c Abs. 1 EGV erbringe (…) hält damit einer eingehenderen Prüfung nicht stand.

b) Die Pauschalbesteuerung der Beteiligung an "schwarzen" Fonds gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG beschränkt die Freiheit des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern. Denn sie benachteiligt Investoren in ausländische Investmentfonds insofern, als die Einkünfte aus diesen Fonds zwingend einer Pauschalbesteuerung unterworfen werden, wenn der ausländische Fonds die in § 18 Abs. 1 AuslInvestmG genannten Besteuerungsgrundlagen nicht nachgewiesen und/oder keinen inländischen Vertreter bestellt hat, während die in den Streitjahren maßgebliche Vorschrift des § 39 des Gesetzes über Kapitalanlagegesellschaften eine vergleichbare Pauschalbesteuerung für die Inhaber von Anteilen an inländischen Investmentfonds nicht vorsah. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug auf die diesbezüglichen Ausführungen im BFH-Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518. Die Gründe, derentwegen der VIII. Senat des BFH im dortigen Fall der Beteiligung an einem "schwarzen" Fonds eines EU-Mitgliedstaats eine Beschränkung der Kapitalverkehrsfreiheit durch § 18 Abs. 3 AuslInvestmG bejaht hat, gelten gleichermaßen für die Beteiligung an einem Drittstaatenfonds. Denn die in Art. 73b Abs. 1 EGV verwendeten Begriffe des "Kapitalverkehrs" und der "Beschränkung" sind bei Binnenmarktsachverhalten in gleicher Weise auszulegen wie in Drittstaatensachverhalten (...).

c) Die die Kapitalverkehrsfreiheit beschränkenden Regelungen des § 18 Abs. 3 AuslInvestmG sind im Hinblick auf Drittstaatensachverhalte nicht durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt.

aa) Beschränkungen von Investitionen in Drittstaatenfonds müssen im Hinblick auf ihre Rechtfertigung allerdings grundsätzlich nicht nach dem gleichen Maßstab beurteilt werden wie solche von Investitionen in Fonds aus EU-Mitgliedstaaten. Nach der EuGH-Rechtsprechung kann aufgrund des Grades der unter den Mitgliedstaaten der EU bestehenden rechtlichen Integration, insbesondere angesichts der Richtlinie 77/799/EWG des Rates vom 19. Dezember 1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern --Amtshilfe-Richtlinie-- (ABlEG 1997 Nr. L 336, 15), eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit Drittstaaten aus einem bestimmten Grund gerechtfertigt sein, auch wenn dieser Grund keine überzeugende Rechtfertigung für eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten darstellen würde (....).

bb) Als Grund für eine unterschiedliche Behandlung kämen bei der Besteuerung von Erträgen aus Drittstaatenfonds die Erfordernisse einer wirksamen Steueraufsicht und Steuerkontrolle in Betracht, die auch die Verhinderung der Steuerhinterziehung oder Steuerumgehung erfasst (…). Bei der Pauschalbesteuerung gemäß § 18 Abs. 3 AuslInvestmG handelt es sich um eine Sonderregelung, die Steuerumgehungen oder Steuerverkürzungen im Zusammenhang mit --insbesondere thesaurierenden-- ausländischen Investmentfonds verhindern soll, die sich einer deutschen Aufsicht entziehen (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs zum AuslInvestmG, BTDrucks V/3494, S. 25, 26). Da es grundsätzlich nicht zu beanstanden ist, wenn ein Mitgliedstaat geeignete Maßnahmen trifft, um die tatsächliche Erfassung der Besteuerungsgrundlagen sicherzustellen, ist das mit § 18 Abs. 3 AuslInvestmG verfolgte Ziel geeignet, eine unterschiedliche Behandlung von Auslandsinvestitionen im Vergleich zu Inlandssachverhalten zu rechtfertigen. Die Amtshilfe-Richtlinie, die der VIII. Senat des BFH in seinem Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518 einer auf diesen Aspekt gestützten Rechtfertigung für den Binnenmarktsachverhalt entgegengesetzt hat, lässt sich für Drittstaatensachverhalte nicht dienstbar machen.

cc) Jedoch setzt die Rechtfertigung einer den freien Kapitalverkehr beschränkenden Maßnahme zudem voraus, dass sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten und nicht über das Erforderliche hinausgeht (...). Das gilt auch für die den Kapitalverkehr mit Drittstaaten beschränkenden Maßnahmen (…).

Dem Verhältnismäßigkeitserfordernis wird die Pauschalbesteuerung der Beteiligung an ausländischen "schwarzen" Fonds, wie sie in § 18 Abs. 3 AuslInvestmG konkret ausgestaltet war, nicht gerecht. Der VIII. Senat des BFH hat in seinem Urteil in BFHE 223, 398, BStBl II 2009, 518 --auf das wiederum Bezug genommen wird-- begründet, warum sowohl der generelle Ausschluss eines Nachweises der tatsächlich erzielten Erträge, als auch das Verbot einer individuellen Schätzung der Erträge durch das FA nach § 162 AO und schließlich auch die Höhe der in § 18 Abs. 3 Sätze 1 und 4 AuslInvestmG gesetzlich festgelegten Pauschalen offenkundig nicht erforderlich sind, um eine dem Leistungsfähigkeitsprinzip genügende Besteuerung der Erträge aus den Fonds zu erreichen (…). Der Senat schließt sich diesen Erwägungen, die im Zusammenhang mit der Beurteilung von Drittstaatensachverhalten nicht wesentlich anders ausfallen können, an; der entgegenstehenden Verwaltungspraxis, wie sie im BMF-Schreiben in BStBl I 2009, 770 zum Ausdruck kommt, ist nicht beizupflichten.

dd) Der Senat hält die Gemeinschaftsrechtslage insoweit für eindeutig. Sie entspricht der Rechtsprechung des EuGH, so dass es einer Vorlage gemäß Art. 234 EG nicht bedarf (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 283/81, "C.I.L.F.I.T.", EuGHE 1982, 3415). Das gilt auch angesichts des Auffassungsunterschieds zum Beschluss des VIII. Senats des BFH in BFH/NV 2006, 508 hinsichtlich der Reichweite der Bestandsschutzklausel des Art. 73c Abs. 1 EGV; denn es handelte sich dabei ausdrücklich nur um eine vorläufige, nicht näher verifizierte --und im Übrigen die Entscheidung nicht tragende-- Äußerung des VIII. Senats in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Zugleich kommt es auf die vom BFH in jenem Beschluss aufgeworfene, weiter gehende Frage danach, ob § 18 Abs. 3 Satz 4 AuslInvestmG gleichheitsrechtlichen Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG genügt, nicht mehr an.

BFH-Urteil vom 25.08.09 I R 88/07 und 89/07
www.bundesfinanzhof.de
 

 

06.11.2009, Christoph Witte

Zurück