BFH: Auskunftsersuchen an Dritte ohne vorherige Sachverhaltsaufklärung beim Steuerpflichtigen

BFH, Urteil vom 28.10.20, X R 37/18

Leitsätze

1. Um ein Auskunftsersuchen an andere Personen als die Beteiligten richten zu dürfen, muss entweder die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führen (Alternative 1) oder diese keinen Erfolg versprechen (Alternative 2).

2. Um eine Prognose zu den fehlenden Erfolgsaussichten einer Auskunft durch die Beteiligten machen zu können, bedarf es eines klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalts; Ermittlungszweck und potentielles Ermittlungsergebnis müssen erkennbar sein.

 

Aus den Gründen

(...)

aa) Steht nicht fest, dass der Beteiligte nicht mitwirken wird, darf die Finanzbehörde auf Grundlage des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eine Auskunft bei Dritten ohne einen entsprechenden Versuch beim Beteiligten nur einholen, wenn die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung anzunehmen ist. Darauf kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkret nachweisbaren Tatsachen im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Eine solche Erfolglosigkeit ist erst anzunehmen, wenn das FA bei seiner Prognoseentscheidung sicher und damit offenkundig zu dem Schluss kommen darf, dass eine Mitwirkung des Beteiligten, der eigentlich zunächst zu fragen wäre, keinen Erfolg haben wird. Demgegenüber ist es nicht ausreichend, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar anzusehen, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgt ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 50).

Um eine solche Prognose zu den Erfolgsaussichten sachgerecht vornehmen zu können, bedarf es eines klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalts. Denn nur so kann das Mitwirkungsverhalten und -ergebnis des Steuerpflichtigen eingeschätzt werden. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (so schon BFH-Urteil vom 04.10.2006 - VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, Rz 47, m.w.N.). Trotz des insoweit weiten Beurteilungsspielraums der Finanzverwaltung bedarf es einer Steuererheblichkeit der mitzuteilenden "Tatsachen" (weiterführend Senatsurteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 41, m.w.N.). Auf eine solche Steuererheblichkeit hat die Erfolgsprognose im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen aufzubauen. Dazu muss zumindest klar sein, was Ziel der Sachaufklärung der Finanzbehörde sein soll. Folglich hat die Finanzbehörde den Ermittlungszweck wie das potentielle Ermittlungsergebnis im Rahmen seiner Prognose, die vor dem Erlass des Auskunftsersuchens vorzunehmen ist, so zu umreißen, dass die Erfolgsaussichten für eine Mitwirkung des Beteiligten eingeschätzt werden können. Andernfalls fehlt es bereits an der diese Prognose tragenden Tatsachengrundlage.

(...)

 

Quelle: Das Urteil ist abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de

BFH, Urteil vom 28.10.20, X R 37/18

Leitsätze

1. Um ein Auskunftsersuchen an andere Personen als die Beteiligten richten zu dürfen, muss entweder die Sachverhaltsaufklärung durch die Beteiligten nicht zum Ziel führen (Alternative 1) oder diese keinen Erfolg versprechen (Alternative 2).

2. Um eine Prognose zu den fehlenden Erfolgsaussichten einer Auskunft durch die Beteiligten machen zu können, bedarf es eines klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalts; Ermittlungszweck und potentielles Ermittlungsergebnis müssen erkennbar sein.

 

Aus den Gründen

(...)

aa) Steht nicht fest, dass der Beteiligte nicht mitwirken wird, darf die Finanzbehörde auf Grundlage des § 93 Abs. 1 Satz 3 AO eine Auskunft bei Dritten ohne einen entsprechenden Versuch beim Beteiligten nur einholen, wenn die Erfolglosigkeit seiner Mitwirkung anzunehmen ist. Darauf kann eine Finanzbehörde aufgrund des bisherigen Verhaltens des Beteiligten bei konkret nachweisbaren Tatsachen im Rahmen einer vorweggenommenen Beweiswürdigung schließen. Eine solche Erfolglosigkeit ist erst anzunehmen, wenn das FA bei seiner Prognoseentscheidung sicher und damit offenkundig zu dem Schluss kommen darf, dass eine Mitwirkung des Beteiligten, der eigentlich zunächst zu fragen wäre, keinen Erfolg haben wird. Demgegenüber ist es nicht ausreichend, eine solche Beweiswürdigung schon dann als vertretbar anzusehen, wenn sie (nur) nicht willkürlich erfolgt ist (vgl. Senatsurteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 50).

Um eine solche Prognose zu den Erfolgsaussichten sachgerecht vornehmen zu können, bedarf es eines klar umrissenen und für die Besteuerung des Steuerpflichtigen erheblichen Sachverhalts. Denn nur so kann das Mitwirkungsverhalten und -ergebnis des Steuerpflichtigen eingeschätzt werden. Ermittlungen "ins Blaue hinein" sind unzulässig (so schon BFH-Urteil vom 04.10.2006 - VIII R 53/04, BFHE 215, 12, BStBl II 2007, 227, Rz 47, m.w.N.). Trotz des insoweit weiten Beurteilungsspielraums der Finanzverwaltung bedarf es einer Steuererheblichkeit der mitzuteilenden "Tatsachen" (weiterführend Senatsurteil in BFHE 251, 112, BStBl II 2016, 135, Rz 41, m.w.N.). Auf eine solche Steuererheblichkeit hat die Erfolgsprognose im Hinblick auf die Sachverhaltsaufklärung durch den Steuerpflichtigen aufzubauen. Dazu muss zumindest klar sein, was Ziel der Sachaufklärung der Finanzbehörde sein soll. Folglich hat die Finanzbehörde den Ermittlungszweck wie das potentielle Ermittlungsergebnis im Rahmen seiner Prognose, die vor dem Erlass des Auskunftsersuchens vorzunehmen ist, so zu umreißen, dass die Erfolgsaussichten für eine Mitwirkung des Beteiligten eingeschätzt werden können. Andernfalls fehlt es bereits an der diese Prognose tragenden Tatsachengrundlage.

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Quelle: Das Urteil ist abrufbar unter www.bundesfinanzhof.de

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