BFH: Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Strafverfahren als Werbungskosten

I. Streitig ist, ob Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

Entscheidungsgründe

II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

1. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren angefallenen Anwaltskosten zum Abzug als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugelassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Werbungskosten über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Danach können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten führen. Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, sind nicht ohne Weiteres der privaten Lebensführung zuzuordnen. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern ergibt sich auch aus § 40 AO. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641).

In gleicher Weise ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Strafverteidigungskosten dann als Werbungskosten abziehbar sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist. Das ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223, und Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160). Dem Abzug dieser Verfahrenskosten steht § 12 Nr. 4 EStG nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung dieser Vorschrift, die --wie § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG-- als Reaktion auf die Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, und vom 21. November 1983 GrS 3/82 (BFHE 140, 62, BStBl II 1984, 166) zu verstehen ist (Fissenewert in Herrmann/ Heuer/Raupach --HHR--, § 12 EStG Rz 141; HHR/Hildesheim, § 4 EStG Rz 1700 Gff.), bewusst davon abgesehen, auch die Verfahrenskosten in das Verbot eines Abzugs als Werbungskosten einzubeziehen (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 40 AO Rz 62; zum Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4 EStG s. Senatsentscheidungen vom 15. Januar 2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140, BStBl II 2010, 111; vom 22. Juli 2008 VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl II 2009, 151).

Allerdings setzt nach bisheriger Rechtsprechung die Annahme von Erwerbsaufwendungen auch in diesen Fällen voraus, dass die --die Aufwendungen auslösenden-- schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat, wenn also das Verhalten des Arbeitnehmers von privaten Gründen getragen wurde (BFH-Urteil in BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223). Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, genügt allerdings insoweit zum Ausschluss des Werbungskostenabzugs der Tatvorwurf allein zumindest dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue vorgeworfen wird.

2. Nach diesen vom FG beachteten Grundsätzen ist das angefochtene Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den strittigen Anwaltskosten handelt es sich dem Grunde nach um Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Das FG ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die ihm zur Last gelegte Tat in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangen hat und diese erwerbsbezogene Veranlassung auch nicht durch private Gründe überlagert worden ist. Diese Würdigung des FG, die ohnehin revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist, ist möglich und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Die erwerbsbezogene Veranlassung der Anwaltskosten wird im Streitfall schon deshalb nicht aufgehoben, weil das FA die dem Kläger zugewandten Leistungsprämien als steuerpflichtige Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst hat. Diese Beträge sind, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist, durch das Dienstverhältnis veranlasst und sind damit Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Bestimmung des Arbeitslohnbegriffs wird in gleicher Weise wie die des Werbungskostenbegriffs durch das Veranlassungsprinzip vorgenommen. Es handelt sich um einen allgemeinen Abgrenzungsmaßstab zur Trennung von Erwerbs- und Privatsphäre (BFH-Urteil vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; HHR/Pflüger, § 19 EStG Rz 150, 190 ff.). Wenn aber, wie im Streitfall, die Einnahmen durch das Dienstverhältnis und nicht wegen anderer Rechtsbeziehungen veranlasst sind, muss dies in gleicher Weise für die Aufwendungen gelten, die im Zusammenhang mit dieser steuerlich relevanten Tätigkeit stehen. Die Zuordnung der Einnahmen zum Dienstverhältnis einerseits und der entsprechenden Aufwendungen zur Privatsphäre andererseits verstieße gegen das in § 2 Abs. 2 EStG verankerte objektive Nettoprinzip (s. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534; Senatsbeschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234, m.w.N.).

b) Im Übrigen hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass der Kläger nicht vorsätzlich die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Die Würdigung ist revisionsrechtlich bindend, da sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist. Das Ergebnis der Tatsachenwürdigung muss nicht zwingend, sondern nur möglich sein (Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 150 bis 157, m.w.N.). Das ist hier der Fall.

aa) Sind Vorgänge in strafrechtlicher und steuerlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen, so ist das FG zwar an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung nicht gebunden. Es darf sich jedoch im Rahmen seiner freien Würdigung tatsächliche Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen aus einem Strafverfahren zu Eigen machen, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind (BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 2006 VIII B 186/05, BFH/NV 2006, 1866; vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFHE 204, 380). Im Streitfall bestand für das FG eine solche Möglichkeit nicht. Es weist zu Recht darauf hin, dass der Kläger letztlich nicht wegen einer Straftat zum Nachteil seiner Arbeitgeberin verurteilt worden ist.

bb) Die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO durch das Landgericht X rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass der Kläger die ihm zur Last gelegte Straftat verübt hat. Denn die Einstellung nach § 153a StPO setzt keinen Nachweis der Tat des Angeklagten voraus (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1866)

cc) Soweit das FA geltend macht, es sei nicht Aufgabe des FG, für Zwecke des Werbungskostenabzugs das Strafverfahren im Nachhinein "durchzuführen" und einen Sachverhalt aufzuklären, dessen Nichtaufklärung Staatsanwaltschaft, Strafgerichte und Angeklagte beschlossen hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids ist nach den Grundsätzen des steuerlichen bzw. finanzgerichtlichen Verfahrensrechts zu entscheiden.

Das FA lässt unberücksichtigt, dass die Frage der beruflichen bzw. privaten Veranlassung der streitigen Anwaltskosten im Hinblick auf den Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu klären und die Prüfung des angesprochenen strafrechtlichen Aspekts nur insoweit von Bedeutung ist. Ob und in welchem Umfang Aufwendungen beruflich veranlasst sind, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die dem FG obliegt. Das vom FA angesprochene Problem der Beweislast stellt sich bei Unaufklärbarkeit des Sachverhalts. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Anwaltskosten ausschließlich beruflich veranlasst waren.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.8.2011, VI R 75/10
www.bundesfinanzhof.de

 

29.11.2011, Dr. Jochen Bachmann

I. Streitig ist, ob Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Strafverfahren wegen Vorwurfs der Beihilfe zur Untreue als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen sind.

Entscheidungsgründe

II. Der Senat entscheidet gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Beschluss. Er hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden; sie hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

1. Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die im Zusammenhang mit dem Ermittlungsverfahren angefallenen Anwaltskosten zum Abzug als Werbungskosten gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zugelassen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) sind Werbungskosten über den Wortlaut des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG hinaus alle Aufwendungen, die durch die Erzielung von steuerpflichtigen Einnahmen veranlasst sind. Eine solche Veranlassung liegt vor, wenn objektiv ein Zusammenhang mit der auf die Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit besteht und subjektiv die Aufwendungen zur Förderung dieser steuerlich relevanten Tätigkeit gemacht werden. Danach können auch strafbare Handlungen, die im Zusammenhang mit einer beruflichen Tätigkeit stehen, Erwerbsaufwendungen begründen und die sich aus ihnen ergebenden Schadensersatzverpflichtungen zu Werbungskosten führen. Aufwendungen, die durch strafbare Handlungen ausgelöst werden, sind nicht ohne Weiteres der privaten Lebensführung zuzuordnen. Dieses Ergebnis folgt nicht nur aus dem objektiven Nettoprinzip, sondern ergibt sich auch aus § 40 AO. Danach ist es für die Besteuerung unerheblich, ob ein Verhalten, das den Tatbestand eines Steuergesetzes ganz oder zum Teil erfüllt, gegen ein gesetzliches Gebot oder Verbot oder gegen die guten Sitten verstößt (BFH-Urteil vom 9. Dezember 2003 VI R 35/96, BFHE 205, 56, BStBl II 2004, 641).

In gleicher Weise ist in der Rechtsprechung des BFH anerkannt, dass Strafverteidigungskosten dann als Werbungskosten abziehbar sind, wenn der strafrechtliche Vorwurf, gegen den sich der Steuerpflichtige zur Wehr setzt, durch sein berufliches Verhalten veranlasst gewesen ist. Das ist der Fall, wenn die dem Steuerpflichtigen zur Last gelegte Tat in Ausübung der beruflichen Tätigkeit begangen worden ist (BFH-Urteil vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223, und Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160). Dem Abzug dieser Verfahrenskosten steht § 12 Nr. 4 EStG nicht entgegen. Der Gesetzgeber hat bei der Einführung dieser Vorschrift, die --wie § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 8 EStG-- als Reaktion auf die Beschlüsse des Großen Senats des BFH in BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160, und vom 21. November 1983 GrS 3/82 (BFHE 140, 62, BStBl II 1984, 166) zu verstehen ist (Fissenewert in Herrmann/ Heuer/Raupach --HHR--, § 12 EStG Rz 141; HHR/Hildesheim, § 4 EStG Rz 1700 Gff.), bewusst davon abgesehen, auch die Verfahrenskosten in das Verbot eines Abzugs als Werbungskosten einzubeziehen (Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 40 AO Rz 62; zum Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4 EStG s. Senatsentscheidungen vom 15. Januar 2009 VI R 37/06, BFHE 224, 140, BStBl II 2010, 111; vom 22. Juli 2008 VI R 47/06, BFHE 222, 448, BStBl II 2009, 151).

Allerdings setzt nach bisheriger Rechtsprechung die Annahme von Erwerbsaufwendungen auch in diesen Fällen voraus, dass die --die Aufwendungen auslösenden-- schuldhaften Handlungen noch im Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung liegen und nicht auf privaten, den beruflichen Zusammenhang aufhebenden Umständen beruhen. So greifen nach der Rechtsprechung private Gründe dann durch, wenn die strafbaren Handlungen mit der Erwerbstätigkeit des Steuerpflichtigen nur insoweit im Zusammenhang stehen, als diese eine Gelegenheit zu einer Straftat verschafft. Eine erwerbsbezogene Veranlassung wird auch aufgehoben, wenn der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber bewusst, also vorsätzlich schädigen wollte oder sich oder einen Dritten durch die schädigende Handlung bereichert hat, wenn also das Verhalten des Arbeitnehmers von privaten Gründen getragen wurde (BFH-Urteil in BFHE 219, 197, BStBl II 2008, 223). Wie das FG zu Recht ausgeführt hat, genügt allerdings insoweit zum Ausschluss des Werbungskostenabzugs der Tatvorwurf allein zumindest dann nicht, wenn dem Steuerpflichtigen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue vorgeworfen wird.

2. Nach diesen vom FG beachteten Grundsätzen ist das angefochtene Urteil revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Bei den strittigen Anwaltskosten handelt es sich dem Grunde nach um Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Das FG ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung zu dem Ergebnis gekommen, dass der Kläger die ihm zur Last gelegte Tat in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit begangen hat und diese erwerbsbezogene Veranlassung auch nicht durch private Gründe überlagert worden ist. Diese Würdigung des FG, die ohnehin revisionsrechtlich nur begrenzt überprüfbar ist, ist möglich und lässt keinen Rechtsfehler erkennen.

a) Die erwerbsbezogene Veranlassung der Anwaltskosten wird im Streitfall schon deshalb nicht aufgehoben, weil das FA die dem Kläger zugewandten Leistungsprämien als steuerpflichtige Einnahmen gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erfasst hat. Diese Beträge sind, was zwischen den Beteiligten auch nicht im Streit ist, durch das Dienstverhältnis veranlasst und sind damit Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG. Die Bestimmung des Arbeitslohnbegriffs wird in gleicher Weise wie die des Werbungskostenbegriffs durch das Veranlassungsprinzip vorgenommen. Es handelt sich um einen allgemeinen Abgrenzungsmaßstab zur Trennung von Erwerbs- und Privatsphäre (BFH-Urteil vom 17. September 1982 VI R 75/79, BFHE 137, 13, BStBl II 1983, 39; HHR/Pflüger, § 19 EStG Rz 150, 190 ff.). Wenn aber, wie im Streitfall, die Einnahmen durch das Dienstverhältnis und nicht wegen anderer Rechtsbeziehungen veranlasst sind, muss dies in gleicher Weise für die Aufwendungen gelten, die im Zusammenhang mit dieser steuerlich relevanten Tätigkeit stehen. Die Zuordnung der Einnahmen zum Dienstverhältnis einerseits und der entsprechenden Aufwendungen zur Privatsphäre andererseits verstieße gegen das in § 2 Abs. 2 EStG verankerte objektive Nettoprinzip (s. dazu Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Dezember 2002 2 BvR 1735/00, BStBl II 2003, 534; Senatsbeschluss vom 10. Januar 2008 VI R 17/07, BFHE 219, 358, BStBl II 2008, 234, m.w.N.).

b) Im Übrigen hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung entschieden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO), dass der Kläger nicht vorsätzlich die ihm zur Last gelegte Straftat begangen hat. Die Würdigung ist revisionsrechtlich bindend, da sie verfahrensrechtlich einwandfrei zustande gekommen und nicht durch Denkfehler oder durch die Verletzung von Erfahrungssätzen beeinflusst ist. Das Ergebnis der Tatsachenwürdigung muss nicht zwingend, sondern nur möglich sein (Lange in HHSp, § 118 FGO Rz 150 bis 157, m.w.N.). Das ist hier der Fall.

aa) Sind Vorgänge in strafrechtlicher und steuerlicher Hinsicht zu ermitteln und zu würdigen, so ist das FG zwar an die tatsächlichen Feststellungen einer vorangegangenen strafgerichtlichen Entscheidung nicht gebunden. Es darf sich jedoch im Rahmen seiner freien Würdigung tatsächliche Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen aus einem Strafverfahren zu Eigen machen, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind (BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 2006 VIII B 186/05, BFH/NV 2006, 1866; vom 2. Dezember 2003 VII R 17/03, BFHE 204, 380). Im Streitfall bestand für das FG eine solche Möglichkeit nicht. Es weist zu Recht darauf hin, dass der Kläger letztlich nicht wegen einer Straftat zum Nachteil seiner Arbeitgeberin verurteilt worden ist.

bb) Die Einstellung des Strafverfahrens gemäß § 153a StPO durch das Landgericht X rechtfertigt nicht die Schlussfolgerung, dass der Kläger die ihm zur Last gelegte Straftat verübt hat. Denn die Einstellung nach § 153a StPO setzt keinen Nachweis der Tat des Angeklagten voraus (BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 1866)

cc) Soweit das FA geltend macht, es sei nicht Aufgabe des FG, für Zwecke des Werbungskostenabzugs das Strafverfahren im Nachhinein "durchzuführen" und einen Sachverhalt aufzuklären, dessen Nichtaufklärung Staatsanwaltschaft, Strafgerichte und Angeklagte beschlossen hätten, kann dem nicht gefolgt werden. Eine strafrechtliche Vorfrage im Rahmen einer Entscheidung über die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheids ist nach den Grundsätzen des steuerlichen bzw. finanzgerichtlichen Verfahrensrechts zu entscheiden.

Das FA lässt unberücksichtigt, dass die Frage der beruflichen bzw. privaten Veranlassung der streitigen Anwaltskosten im Hinblick auf den Werbungskostenabzug gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG zu klären und die Prüfung des angesprochenen strafrechtlichen Aspekts nur insoweit von Bedeutung ist. Ob und in welchem Umfang Aufwendungen beruflich veranlasst sind, ist eine Frage der tatrichterlichen Würdigung, die dem FG obliegt. Das vom FA angesprochene Problem der Beweislast stellt sich bei Unaufklärbarkeit des Sachverhalts. Das ist hier nicht der Fall. Vielmehr ist das FG zu dem Ergebnis gelangt, dass die Anwaltskosten ausschließlich beruflich veranlasst waren.

Bundesfinanzhof, Beschluss vom 17.8.2011, VI R 75/10
www.bundesfinanzhof.de

 

29.11.2011, Dr. Jochen Bachmann

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